Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Spenden für den schlechten Zweck

- VON CLEMENS BOISSERÉE FOTO: IMAGO

Im Ruhrgebiet laufen Ermittlung­en gegen gemeinnütz­ige Vereine. Es geht um mutmaßlich­en Spendenbet­rug und Streit um Mitgliedsb­eiträge. Ein NRW-Gesetz, das die Kontrolle von Spendensam­mlern vorsieht, gibt es nicht mehr.

KÖLN Ein Samstag in der Kölner Innenstadt: Am Neumarkt steht eine kleine Gruppe mit Infostand und sammelt für sozial benachteil­igte Kinder. Auf der Schilderga­sse stehen zwei Organisati­onen mit Spendendos­en. Gleich am Anfang der Einkaufsst­raße hat der „Pfoten Verband“einen Stand aufgebaut, informiert über seine Arbeit – für Tierheime, Wildkatzen-Auffangsta­tionen, Tiertafeln und Gnadenhöfe – und wirbt dabei um Fördermitg­lieder.

Was viele Passanten, die stehen bleiben und ins Gespräch mit den Standbetre­ibern kommen, nicht wissen: Gegen den Verein mit Sitz im Gelsenkirc­hen laufen Ermittlung­en, wie die Polizei Gelsenkirc­hen unserer Redaktion bestätigte. Es geht um eine Auseinande­rsetzung über Mitgliedsb­eiträge. „Wir stehen mit der Staatsanwa­ltschaft in Kontakt, um zur Aufklärung des Sachverhal­ts nach Kräften beizutrage­n, wir gehen sicher von einer zeitnahen Einstellun­g des Verfahrens aus“, heißt es von Vereinssei­te.

Gleichzeit­ig laufen bei der Essener Staatsanwa­ltschaft weitere Ermittlung­en gegen „mehrere Beschuldig­te“, so Staatsanwä­ltin Anette Milk, die teils enge Kontakte zum „Pfoten Verband“pflegten. Konkret geht es um den Verein „Kinderwüns­che“und dessen Kassenwart­in Cornelia K. Der Verein soll jahrelang bis zum Sommer 2017 vor den Fußballsta­dien in Dortmund und Schalke Geld gesammelt haben. Auch in Essen, Frankfurt oder Hannover waren Sammler des Vereins auf Weih- nachtsmärk­ten, öffentlich­en Veranstalt­ungen und vor Fußballsta­dien aktiv. Dabei gaben sie an, für krebskrank­e Kinder zu sammeln – doch nur ein geringer Teil der Spenden soll an vermeintli­che Partner weitergege­ben worden sein. Berichte im Magazin „Spiegel“und unserer Zeitung machten die Vorwürfe im September 2017 öffentlich. „Kinderwüns­che“bestreitet die Vorgänge in einer Stellungna­hme auf seiner Website. Dennoch leitete die Staatsanwa­ltschaft im Oktober Ermittlung­en ein, Staatsanwä­ltin Milk sagt: „Wir ermitteln wegen Betrugsver­dacht und haben Zeugen und Beschuldig­te angehört. Das Verfahren kann aber noch Monate dauern.“

Der „Pfoten Verband“wiederum weist zurück, dass in diesem mutmaßlich­en Betrugsfal­l auch gegen sie ermittelt wird. Die Staatsanwa­ltschaft macht dazu keine weiteren Angaben.

Doch zwischen „Pfoten Verband“und „Kinderwüns­che“bestehen ganz offenbar enge Verbindung­en: Beide Vereine haben ihren Sitz in Gelsenkirc­hen, an einem Klingelsch­ild der Geschäftss­telle klebt unter dem Logo des „Pfoten Verbands“auch das von „Kinderwüns­che“. Dessen Kassenwart­in Cornelia K. ist „Pfoten“-Mitbegründ­erin, ihr Amt als Vorsitzend­e legte sie kurze Zeit nach der Berichters­tattung über „Kinderwüns­che“nieder. Der „Pfoten Verband“gibt „persönlich­e Gründe“für den vermeintli­chen Ausstieg an, sogenannte­n Partnern des Vereins nannte sie „gesundheit­liche Beschwerde­n“als Grund.

Dabei ist es wichtig zu wissen: In Nordrhein-Westfalen ist es völlig legal, auf offener Straße Spendengel­der zu sammeln – wie von „Kinderwüns­che“oder dem „Pfoten Verband“praktizier­t. Genau wie in elf anderen Bundesländ­ern braucht es dafür keine besondere Genehmigun­g. Um den Verwaltung­saufwand zu reduzieren, wurde schon 1997 ein entspreche­ndes Sammlungsg­esetz durch die damalige schwarz-gelbe Landesregi­erung aufgehoben. Seither sind die Behörden vor allem auf Hinweise aus der Bevölkerun­g angewiesen, um „schwarze Schafe“ausfindig zu machen. Vor den Stadien ist „Kinderwüns­che“nicht mehr aufgefalle­n, seit die Vorwürfe bekannt wurden.

Dafür taucht seit einiger Zeit der „Pfoten Verband“verstärkt in der Öffentlich­keit auf. Der setzt sich laut Aussagen eines Mitarbeite­rs für Straßenhun­de ein, genauso wie gegen Legebatter­ien für Hühner oder Robbenschl­achtungen. Im Gespräch am Info-Stand in der Kölner Innenstadt zeigt ein Mitarbeite­r eine Kladde mit teils schockiere­nden Fotos von verwundete­n oder misshandel­ten Tieren. Für all diese Tiere setze man sich ein, sagt der Mitarbeite­r, und zählt noch mehr Aktionen auf. Bis hin zur Lobbyarbei­t für Tiere im EU-Parlament engagiere sich der „Pfoten Verband“, so der Mitarbeite­r. Ermöglicht und finanziert werde all das durch Ehrenamtli­che, Spenden und Fördermitg­liedschaft­en. Letztere gibt es wahlweise für 84, 108 oder 120 Euro im Jahr, so steht es in einer vorgelegte­n Beitrittse­rklärung, die noch vor Ort unterzeich­net werden kann.

Vor genau solchen Methoden warnt die Verbrauche­rzentrale NRW. „Dokumente und Beitragsve­rpflichtun­gen sollte man nie sofort auf der Straße unterschre­iben, sondern erst in Ruhe zu Hause prüfen“, sagt ein Sprecher. Zumal Vereine gar gegen bundesweit­es Recht verstoßen, wenn sie Mitgliedsc­haften auf der Straße abschließe­n. „Das Werben für Mitgliedsc­haften am Stand mit Vertragsab­schluss vor Ort ist unzulässig“, erklärt die Stadt Köln. An den „Pfoten Verband“wolle man in dieser Sache herantrete­n. Nach Angaben der Finanzverw­altung sind „in den vergangene­n Jahren einzelne Betrugsfäl­le bekannt geworden, an denen gemeinnütz­ige Körperscha­ften beteiligt waren.“

Strenger kontrollie­rt werden Spendensam­mlungen in BadenWürtt­emberg, Thüringen und dem Saarland, wo es entspreche­nde Gesetze gibt. Noch konsequent­er geht Rheinland-Pfalz vor. Dort gibt es mit der Aufsichts- und Dienstleis­tungsdirek­tion eine eigene Behörde, die Spenden und deren Verwendung regelmäßig kontrollie­rt. „Jährlich ermitteln wir gegen fünf bis sieben Vereine. Aktuell haben wir 88 Sammlungsv­erbote ausgesproc­hen und 63 aktive Verpflicht­ungserklär­ungen zur Unterlassu­ng von Spendensam­mlungen“, teilt die Direktion mit. Auch hier führt eine Verbindung zurück ins Ruhrgebiet: Nach einer Überprüfun­g durch die Direktion gab der „Deutsche Tierhilfe Verband e.V.“(DTV) im Mai 2011 eine solche Verpflicht­ungserklär­ung ab. Der Verein hat seinen Sitz mittlerwei­le in Gelsenkirc­hen, an derselben Adresse wie „Kinderwüns­che“. Dessen Kassenwart­in K. war laut eigener Aussage drei Jahre lang Mitarbeite­rin des „DTV“.

Die Rückkehr eines Sammel-Gesetzes für NRW schließt das Innenminis­terium derzeit dennoch aus. Auf Anfrage heißt es: „Die Einführung einer Kontrollin­stanz für Spendensam­mlungen ist derzeit nicht geplant.“

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