Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Spenden für den schlechten Zweck
Im Ruhrgebiet laufen Ermittlungen gegen gemeinnützige Vereine. Es geht um mutmaßlichen Spendenbetrug und Streit um Mitgliedsbeiträge. Ein NRW-Gesetz, das die Kontrolle von Spendensammlern vorsieht, gibt es nicht mehr.
KÖLN Ein Samstag in der Kölner Innenstadt: Am Neumarkt steht eine kleine Gruppe mit Infostand und sammelt für sozial benachteiligte Kinder. Auf der Schildergasse stehen zwei Organisationen mit Spendendosen. Gleich am Anfang der Einkaufsstraße hat der „Pfoten Verband“einen Stand aufgebaut, informiert über seine Arbeit – für Tierheime, Wildkatzen-Auffangstationen, Tiertafeln und Gnadenhöfe – und wirbt dabei um Fördermitglieder.
Was viele Passanten, die stehen bleiben und ins Gespräch mit den Standbetreibern kommen, nicht wissen: Gegen den Verein mit Sitz im Gelsenkirchen laufen Ermittlungen, wie die Polizei Gelsenkirchen unserer Redaktion bestätigte. Es geht um eine Auseinandersetzung über Mitgliedsbeiträge. „Wir stehen mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt, um zur Aufklärung des Sachverhalts nach Kräften beizutragen, wir gehen sicher von einer zeitnahen Einstellung des Verfahrens aus“, heißt es von Vereinsseite.
Gleichzeitig laufen bei der Essener Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen gegen „mehrere Beschuldigte“, so Staatsanwältin Anette Milk, die teils enge Kontakte zum „Pfoten Verband“pflegten. Konkret geht es um den Verein „Kinderwünsche“und dessen Kassenwartin Cornelia K. Der Verein soll jahrelang bis zum Sommer 2017 vor den Fußballstadien in Dortmund und Schalke Geld gesammelt haben. Auch in Essen, Frankfurt oder Hannover waren Sammler des Vereins auf Weih- nachtsmärkten, öffentlichen Veranstaltungen und vor Fußballstadien aktiv. Dabei gaben sie an, für krebskranke Kinder zu sammeln – doch nur ein geringer Teil der Spenden soll an vermeintliche Partner weitergegeben worden sein. Berichte im Magazin „Spiegel“und unserer Zeitung machten die Vorwürfe im September 2017 öffentlich. „Kinderwünsche“bestreitet die Vorgänge in einer Stellungnahme auf seiner Website. Dennoch leitete die Staatsanwaltschaft im Oktober Ermittlungen ein, Staatsanwältin Milk sagt: „Wir ermitteln wegen Betrugsverdacht und haben Zeugen und Beschuldigte angehört. Das Verfahren kann aber noch Monate dauern.“
Der „Pfoten Verband“wiederum weist zurück, dass in diesem mutmaßlichen Betrugsfall auch gegen sie ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft macht dazu keine weiteren Angaben.
Doch zwischen „Pfoten Verband“und „Kinderwünsche“bestehen ganz offenbar enge Verbindungen: Beide Vereine haben ihren Sitz in Gelsenkirchen, an einem Klingelschild der Geschäftsstelle klebt unter dem Logo des „Pfoten Verbands“auch das von „Kinderwünsche“. Dessen Kassenwartin Cornelia K. ist „Pfoten“-Mitbegründerin, ihr Amt als Vorsitzende legte sie kurze Zeit nach der Berichterstattung über „Kinderwünsche“nieder. Der „Pfoten Verband“gibt „persönliche Gründe“für den vermeintlichen Ausstieg an, sogenannten Partnern des Vereins nannte sie „gesundheitliche Beschwerden“als Grund.
Dabei ist es wichtig zu wissen: In Nordrhein-Westfalen ist es völlig legal, auf offener Straße Spendengelder zu sammeln – wie von „Kinderwünsche“oder dem „Pfoten Verband“praktiziert. Genau wie in elf anderen Bundesländern braucht es dafür keine besondere Genehmigung. Um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, wurde schon 1997 ein entsprechendes Sammlungsgesetz durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung aufgehoben. Seither sind die Behörden vor allem auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, um „schwarze Schafe“ausfindig zu machen. Vor den Stadien ist „Kinderwünsche“nicht mehr aufgefallen, seit die Vorwürfe bekannt wurden.
Dafür taucht seit einiger Zeit der „Pfoten Verband“verstärkt in der Öffentlichkeit auf. Der setzt sich laut Aussagen eines Mitarbeiters für Straßenhunde ein, genauso wie gegen Legebatterien für Hühner oder Robbenschlachtungen. Im Gespräch am Info-Stand in der Kölner Innenstadt zeigt ein Mitarbeiter eine Kladde mit teils schockierenden Fotos von verwundeten oder misshandelten Tieren. Für all diese Tiere setze man sich ein, sagt der Mitarbeiter, und zählt noch mehr Aktionen auf. Bis hin zur Lobbyarbeit für Tiere im EU-Parlament engagiere sich der „Pfoten Verband“, so der Mitarbeiter. Ermöglicht und finanziert werde all das durch Ehrenamtliche, Spenden und Fördermitgliedschaften. Letztere gibt es wahlweise für 84, 108 oder 120 Euro im Jahr, so steht es in einer vorgelegten Beitrittserklärung, die noch vor Ort unterzeichnet werden kann.
Vor genau solchen Methoden warnt die Verbraucherzentrale NRW. „Dokumente und Beitragsverpflichtungen sollte man nie sofort auf der Straße unterschreiben, sondern erst in Ruhe zu Hause prüfen“, sagt ein Sprecher. Zumal Vereine gar gegen bundesweites Recht verstoßen, wenn sie Mitgliedschaften auf der Straße abschließen. „Das Werben für Mitgliedschaften am Stand mit Vertragsabschluss vor Ort ist unzulässig“, erklärt die Stadt Köln. An den „Pfoten Verband“wolle man in dieser Sache herantreten. Nach Angaben der Finanzverwaltung sind „in den vergangenen Jahren einzelne Betrugsfälle bekannt geworden, an denen gemeinnützige Körperschaften beteiligt waren.“
Strenger kontrolliert werden Spendensammlungen in BadenWürttemberg, Thüringen und dem Saarland, wo es entsprechende Gesetze gibt. Noch konsequenter geht Rheinland-Pfalz vor. Dort gibt es mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion eine eigene Behörde, die Spenden und deren Verwendung regelmäßig kontrolliert. „Jährlich ermitteln wir gegen fünf bis sieben Vereine. Aktuell haben wir 88 Sammlungsverbote ausgesprochen und 63 aktive Verpflichtungserklärungen zur Unterlassung von Spendensammlungen“, teilt die Direktion mit. Auch hier führt eine Verbindung zurück ins Ruhrgebiet: Nach einer Überprüfung durch die Direktion gab der „Deutsche Tierhilfe Verband e.V.“(DTV) im Mai 2011 eine solche Verpflichtungserklärung ab. Der Verein hat seinen Sitz mittlerweile in Gelsenkirchen, an derselben Adresse wie „Kinderwünsche“. Dessen Kassenwartin K. war laut eigener Aussage drei Jahre lang Mitarbeiterin des „DTV“.
Die Rückkehr eines Sammel-Gesetzes für NRW schließt das Innenministerium derzeit dennoch aus. Auf Anfrage heißt es: „Die Einführung einer Kontrollinstanz für Spendensammlungen ist derzeit nicht geplant.“