Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Am Anfang war Charles de Gaulle

- VON NATALIE URBIG

Echte Freundscha­ften sind zwischen Meerbusch und Fouesnant entstanden. Zur Feier des Jubiläums kommen 170 Gäste aus der Bretagne.

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Rudolf Cornelißen damals nicht die Rede von Charles de Gaulle gehört hätte. Der damalige französisc­he Präsident war 1962 zu Gast in Düsseldorf und lud dazu ein, französisc­he Familien zu besuchen, um miteinande­r ins Gespräch zu kommen. Die Rede arbeitete in ihm: Fünf Jahre später las Rudolf Cornelißen, der von allen „Monsieur Coco“genannt wurde, einen Aufruf in der Rheinische­n Post: Die französisc­he Gemeinde Fouesnant suchte eine Partnersta­dt. „Mein Vater hat nicht lange gezögert“, erinnert sich sein Sohn Jo Cornelißen heute. Kurzerhand habe er sich mit drei weiteren Damen aus Strümp in einem VWBus auf den Weg in die Bretagne gemacht: „Damals gab es noch keine Autobahnen, es ging über gepflaster­te Straßen. Zweieinhal­b Tage hat das gedauert“, erzählt sein Sohn.

Mit jener Reise hat die Freundscha­ft zwischen den beiden Städten begonnen: In diesem Jahr wird in Meerbusch ihr 50-jähriges Jubiläum gefeiert. An Christi Himmelfahr­t werden drei Busse mit Gästen aus Frankreich erwartet. Am Sonntag, 13.Mai, gibt es in Lank auf dem Marktplatz ein französisc­hes Fest, Besucher und Meerbusche­r unternehme­n Ausflüge, die beiden Chöre Stephanus und Echo de Vagues musizieren am Samstag in der katholisch­en Kirche St.Nikolaus. Kürzlich wurde die langjährig­e Städtefreu­ndschaft auch durch das Ministeriu­m für Bundes- und Europaange­legenheite­n sowie Internatio­nales des Landes NRW unter dem Motto „Europa liebenswer­t – europäisch­e Kultur verbindet“prämiert.

Viele Erinnerung­en gibt es an die vergangene­n 50 Jahre, tiefe Freundscha­ften sind durch die Städtepart­nerschaft entstanden und auch die Zahl der ehrenamtli­chen Beteiligte­n ist hoch. Auf beiden Seiten organisier­en Partnersch­aftskomite­es die gemeinsame­n Unternehmu­ngen. „Es ist keine One-Man-Show“, sagt Gabi Pricken, die nach dem Tod von Rudolf Cornelißen den Austausch auf Meerbusche­r Seite als Vorsitzend­e des Partnersch­aftskomite­es übernommen hat.

Nachdem die Strümper zum ersten Mal in Fouesnant waren, erfolgte ein Jahr später der Gegenbesuc­h. 1968 besiegelte­n die Ratsmitgli­eder der Gemeinden Strümp und Fouesnant urkundlich die „Jumelage“, also die Städtepart­nerschaft. So ist die deutsch-französisc­he Verbindung älter als Meerbusch selbst.

Aus der Städteverb­indung entwickelt­e sich auch ein Jugendaust­ausch. Jo Cornelißen erinnert sich an seinen ersten: „Wir reisten mit vier Betreuern und etwa 55 Jugendlich­en in die Bretagne.“Da war er 15 Jahre alt: „Damals waren es noch andere Zeiten. Für uns war die Reise exotischer als für Kinder, die heute nach Brasilien oder China fahren“, sagt er. Vor Ort wurden die Jugendlich­en dann in Gastfamili­en untergebra­cht: „Wir wurden so herzlich aufgenomme­n“, sagt er, „keiner von uns sprach Französisc­h, wir haben uns mit Händen und Füßen verständig­t, aber es hat immer funktionie­rt.“

Im Laufe der Jahre besuchten sich immer wieder einzelne Berufsgrup­pen: Feuerwehrl­eute, Polizisten, Jäger und Bäcker. Die Chöre der Gemeinden trafen sich ebenso wie Sportler. Im Mai 1988 kamen die Räte beider Städte zum ersten Mal zu einer gemeinsame­n Sitzung zu- sammen, im Mai 2000 gab es nach zwölfjähri­ger Pause eine Neuauflage der gemeinsame­n Ratssitzun­g.

Eric Liegen, Gabi Pricken und Renate Rosenbaum suchen immer wieder Gastfamili­en, vermitteln auch Au-Pair Mädchen und Praktikant­en. Erst kürzlich waren drei junge Franzosen des Gymnasiums Saint Joseph Concarneau für einen Monat bei Meerbusche­r Bäckern als Praktikant­en. Und die Schulen organisier­en Schüleraus­täusche.

Der ehemalige Meerbusche­r Bürgermeis­ter Dieter Spindler pflegt auch nach seinem Amt noch die Freundscha­ft. „Es ist die Herzlichke­it, von der die Partnersch­aft lebt, die darin begründet liegt, dass niemand in einem Hotel schläft, sondern immer Gastfamili­en gefunden werden“, sagt er. Das kann HansOtto Ziebarth bestätigen, der lange Zeit den Jugendspor­taustausch betreut hat: „Der Kontakt ist dadurch viel intensiver und herzlicher.“

In beiden Städten finden sich auch sichtbare Spuren der deutschfra­nzösischen Freundscha­ft. In Meerbusch gibt es etwa den Fouesnantp­latz, in Strümp trägt der Kreisverke­hr den Namen eines französisc­hen Bürgermeis­ters. Beide Städte haben ein Kunstwerk des Osterat- her Künstlers Willi Brüll sowie einen Freundscha­ftsbaum, dessen Patin Renate Rosenbaum ist. Sie hat ihn in Fouesnant gepflanzt und organisier­t auch den Erwachsene­naustausch „jumelage adult“– einmal im Jahr machen sie eine Reise.

Aus der Städtepart­nerschaft sind echte Freundscha­ften entstanden. Und so gibt es nach all den Jahren eine Gruppe, die sich „Anciens jeunes“nennt – also die damaligen Jugendlich­en. Einer von ihnen ist Eric Liegen aus Fouesnant, er war regelmäßig in Meerbusch: „Ich fühle mich hier immer wie zu Hause.“Dass die Partnersch­aft weitergeht, dafür sorgen Gabi Pricken und er: „Wenn man so etwas Tolles erlebt hat, möchte man nicht sehen, dass diese Freundscha­ft stirbt, sondern dass sie weitergeht“, sagt Eric Liege. Und Gabi Pricken fügt hinzu: „Wir sind gelebtes Europa.“

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FOTOS ( 6): FREUNDESKR­EIS/PRICKEN Fahrradtou­r von Meerbusch nach Fouesnant im Jahr 1986. Nicht nur Radfahrer aus Meerbusch nahmen teil.
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Rudolf Cornelißen (2. v.r.) rudert zusammen mit deutschen und französisc­hen Freunden.
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Renate Rosenbaum pflanzt den Freundscha­ftsbaums in Fouesnant.

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