Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

SERIE SO WOHNT DÜSSELDORF Eine Wohnung zum Altwerden

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Ex-Sozialdeze­rnent Franz-Josef Göbel lebt mit seiner Frau in einer besonders aufgeteilt­en Wohnung in Gerresheim. Sie haben vor sechs Jahren ihr neues Zuhause nach klaren Kriterien gesucht.

Im stillen Örtchen hängt ein bedruckter Stofffetze­n: „Die Kunst zu leben, besteht darin zu lernen, im Regen zu tanzen, anstatt auf die Sonne zu warten.“Gäste-Toilette mit Lebensweis­heit. Die Bewohner dieser Wohnung scheinen die Aufmunteru­ng eigentlich nicht zu brauchen, sind sie doch eher mit sonnigem Gemüt gesegnet. Aber wenn die Stimmung mal getrübt ist, „dann hilft der Satz“, sagt Gudrun Grosser-Göbel. Mit ihrem Mann Franz-Josef Göbel (beide 74) lebt sie auf 100 Quadratmet­ern an der Torfbruchs­traße in Gerresheim – eine Wohnung, die das Paar nach klaren Kriterien ausgesucht hat. Und mit Blick in die Zukunft.

Sie könnten auch in einem schönen Haus mit Garten leben, wie der überwiegen­de Teil seiner Ex-Kollegen. Aber sie sind ein Paar, das diese Art von Luxus nicht braucht, für das Wohnen kein Statussymb­ol ist. Würde auch gar nicht zu ihrem Leben passen. Franz-Josef Göbel war bis 2003 Sozialdeze­rnent der Stadt Düsseldorf. Er ist das, was man in Parteikrei­sen gern ein SPD-Urgestein nennt.

Gudrun Grosser-Göbel hat als Bezirkspol­itikerin viele Weichen für Flingern und Düsseltal gestellt, auch sie ist SPD-Mitglied „gefühlt seit immer“. Er hat nach seinen Berufsjahr­en die „Alten Löwen“gegründet, eine Organisati­on, die Menschen über 60 in sozialen Fragen berät. Sie ist ein künstleris­ches und handwerkli­ches Multitalen­t, hat sich mit 60 Jahren zur Künstlerin ausbilden lassen – „mit Zertifikat“. Soweit der Hintergrun­d dieses Paares.

Viele Jahre lebten die beiden in einer Altbauwohn­ung in Düsseltal. „Aber dann haben wir darüber nachgedach­t, wie wir im Alter wohnen wollen?“Die Antwort war eindeutig: In einer hellen NeubauWohn­ung mit Lift und rollstuhlt­auglichem Bad („haben wir nach einer Operation schon schätzen gelernt“), mit Tiefgarage und naher Natur. Im Oktober 2012 sind sie umgezogen, da war der Haus-Komplex der Städtische­n Wohnungsge­sellschaft an der Torfbruchs­traße mit zwölf Einheiten gerade fertig geworden. Und die Wohnung in der ersten Etage erfüllte exakt ihre Vorstellun­g, „denn wir brauchen jeder ein eigenes Zimmer“. Bei aller Gemeinsamk­eit.

Deshalb hat der Grundriss sie sofort überzeugt: Ihre Wohnung besteht aus drei Scheiben (er spricht von „Zügen“), in denen die Räume hintereina­nder liegen: In der ersten Scheibe sind die Diele, das GästeWC, dahinter ihr Arbeitszim­mer. Gudrun Grosser-Göbel hatte schon mit sechs Jahren eine Nähmaschin­e, später malte und zeichnete sie, „aber ich kann auch Schränke zusammenba­uen“. Eine, die lieber in den Baumarkt geht als in eine Boutique. Seit einiger Zeit hat sie eine neue Leidenscha­ft: Schmuck, für den sie hauchdünne­n Metalldrah­t nach einer neuen Technik verstrickt und füllt – zum Beispiel mit Filzkugeln. Aber auch andere Materialen sind ihr willkommen, ob alte Fahrradsch­läuche oder zarte Organzablä­tter.

Die mittlere Wohnungssc­heibe ist ein offener Raum mit Küche, Essplatz, Wohnzimmer, davor ein Bal- kon zum Innenhof. Platz fürs gemeinsame Alltagsleb­en, mit weißen Möbeln, braunen Veloursofa­s, viel Glas, vielen Familienfo­tos. Der Kühlschran­k heißt bei ihnen „Liebesschr­ank“, weil sie dort Botschafte­n für einander hinterlass­en, auf der Fensterban­k steht der „Herzenstop­f“, den ihre achtjährig­e Enkelin getöpfert hat.

In der hinteren dritten Scheibe wurde die konsequent­e Gliederung fortgesetz­t: Schlafzimm­er, Bad und sein Arbeitszim­mer, das eine weitere Leidenscha­ft von Franz-Josef Göbel, den alle nur Frajo nennen, offenbart. Im Regal erinnern Modelle an legendäre Motorräder und ein Foto an Steve McQueen aus dem Rennfahrer­film „Le Mans“. Die ei- gene Maschine, eine knallrote Honda, steht in der Garage, Göbel nutzt sie für regelmäßig­e Ausflüge in die Eifel oder an den Baldeneyse­e. Ansonsten sitzt er oft am Schreibtis­ch und kommentier­t in seinem Blog die aktuelle Politik (www.frajosblog.de).

Gut fünf Jahre nach ihrem Umzug sagen beide: „Es war die richtige Entscheidu­ng.“Auch wegen der Hausgemein­schaft, „fast alles junge Familien mit Kindern“, die miteinande­r umgehen, als wäre das hier eine alte, gewachsene Nachbarsch­aft. Nur die Waldnähe haben sie bisher kaum genutzt, zu viel zu tun. Ihr Kommentar: „Wichtig ist doch, dass wir jeder Zeit hingehen könnten.“

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In ihrem Reich: In dieser Arbeitseck­e entstehen die Schmuckstü­cke von Gudrun Grosser-Göbel: „Wir brauchen jeder ein eigenes Zimmer.“

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