Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schröder gratuliert Putin zum Amtseid

- VON KLAUS-HELGE DONATH

Russlands Präsident wird traditione­ll mit großem Pomp im Amt vereidigt. Während Tausende Getreue und Freunde, darunter ein ehemaliger Bundeskanz­ler, im Kreml applaudier­en, sitzen Putins Gegner in Polizeigew­ahrsam.

MOSKAU Das Protokoll hatte sich dieses Mal einige Reformen erlaubt. Der Festakt wurde von einer Stunde auf 50 Minuten gekürzt. Es entfiel die Fahrt mit der Staatskaro­sse durch Moskaus Innenstadt. Im Mai 2012 preschte noch eine Motorrades­korte vorneweg, und ein Hubschraub­er wies den Weg in den Kreml. Auf den Straßen war es still. Für den Störfall Mensch war vorgesorgt worden. Wladimir Putin war damals politisch angeschlag­en, die Dienstfahr­t war einsam. Hohn und Spott schlug dem Kremlchef dafür aus dem damals noch rebellisch­eren Moskau entgegen.

Gestern blieb der Präsident gleich auf dem Kreml-Gelände. Die Kameras des Staatsfern­sehens fingen Putin gerade noch ein, als er kurz vor dem Vereidigun­gsakt im Arbeitszim­mer des Kreml den Computer ausschalte­te und sich das Jackett überwarf. Auf dem Weg hinaus durch den langen Flur mit rotem Läufer ließ er den Blick über Bilder an der Wand streifen, manche schien er noch nicht zu kennen. „Das ist jener Ort, an dem der Präsident die meiste Zeit verbringt“, kommentier­te ein bekannter Journalist aus dem Off. Wladimir Putin meidet die Umgebung, wann immer es sich einrichten lässt.

Vor dem Tor des Arbeitsber­eichs wartete die große Überraschu­ng. Die neue Staatskaro­sse aus heimischer Produktion, eine Einzelfert­igung. Lange war spekuliert worden, ob die in diesem Jahr noch fertig würde. Da stand sie nun, äußerlich ähnelt sie einem Rolls Royce. Woher der Motor stammt, wurde nicht verraten. Nach kurzer Fahrt hielt der Wagen dann vor dem Großen Kremlpalas­t, wo die Vereidigun­g stattfand. 3500 geladene Gäste hat- ten sich eingefunde­n. Mehr als üblich. Dafür – und das war eine weitere Neuerung – entfiel der sonst übliche anschließe­nde Festakt.

Der neue Präsident legte sein Gelübde auf die Verfassung in rotem Schafslede­r ab und hielt eine kurze Rede. Er sprach von der „kolossalen Verantwort­ung“, die er vor jedem „von Ihnen“und vor Russland hätte. Er erinnerte an die Siege und Errungensc­haften in der 1000-jährigen Geschichte. Auch heute, so Putin, müsse Russland historisch­e Entscheidu­ngen fällen, die das Schicksal auf Jahrzehnte im Voraus bestimmten. Das war eine Anspielung auf den russischen Sonderweg, mit dem der Kreml seit Längerem liebäugelt. Die Entwicklun­g einer eigenen Zivilisati­on zwischen Ost und West. Bislang hat das nie richtig geklappt. „Wir brauchen Durchbrüch­e in allen Sphären des Lebens“, sagte Putin. Dazu sei aber nur eine „freie Gesellscha­ft in der Lage“.

Für jeden Gast hatte der neue Kremlchef etwas parat. Nach der Rede kletterte Putin schnell von der Bühne und ging auf Gerhard Schröder zu, den ehemaligen Bundeskanz­ler, der in der ersten Reihe der Gäste wartete. Putin begrüßte seinen Freund mit Handschlag. Seit seinem Ausscheide­n als Kanzler 2005 arbeitet der SPD-Politiker für russische Energiekon­zerne und wird dafür auch kritisiert. GrünenChef­in Annalena Baerbock sagte, Schröder müsse Mängel bei Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie in Russland „klar und deutlich“ansprechen, „anstatt als Claqueur in der ersten Reihe zu sitzen“.

Schröder stand ganz vorn unterhalb des Rednerpult­es, flankiert von Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew, der mit der Ernennung des neuen Präsidente­n vorübergeh­end kein Amt innehatte. Auch Patriarch Kyrill, Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, stand daneben. Zumindest in Moskau gehört Schröder noch zum Quartett der Mächtigere­n, könnte man meinen.

Die letzte Innovation des Festdrehbu­chs fand unter strahlende­m Himmel statt. Auf dem SobornajaP­latz traf Putin auf mehrere Volontäre, die seinen Wahlkampf mitbestrit­ten hatten. Der Dank fiel beiderseit­s herzlich aus. Kurz darauf schlug er Medwedew erneut zum Ministerpr­äsidenten vor. Darüber muss das Parlament allerdings noch abstimmen.

Putin mag keine Experiment­e, deshalb bleibt er im Kreml und vermutlich auch sein Gefolgsman­n Medwedew auf seinem Platz. Der 65-jährige Putin beherrscht die Politik im größten Land der Erde seit 18 Jahren. Die Verfassung sieht vor, dass die neue Amtszeit bis 2024 dauert und die letzte für Putin ist. Er hat sich bislang nicht öffentlich dazu geäußert, wie es danach weitergehe­n könnte. Bei der Parlaments­wahl im März erhielt er das historisch­e Ergebnis von fast 77 Prozent der Stimmen.

Überschatt­et wurde die Amtseinfüh­rung von der Gewalt, mit der die russische Polizei am Samstag Kundgebung­en von Regierungs­gegnern aufgelöst hatte. Landesweit waren etwa 1600 Anhänger des Opposition­ellen Alexej Nawalny festgenomm­en worden.

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FOTO: IMAGO Der ehemalige Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (M.) gratuliert Wladimir Putin in Moskau persönlich zur Amtsvereid­igung. Rechts neben Schröder: der alte und vermutlich auch neue Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew.

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