Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bund will sich bei Post einmischen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Auf scharfe Kritik des Finanzmini­sters stößt die Regel der Post, Zusteller nur bei wenigen Fehltagen fest zu übernehmen. Dabei ist das Vorgehen legal – und der Staat handelt ähnlich. Ein Jurist sagt: Krankheit kann Kündigungs­grund sein.

BERLIN/BONN Ungewöhnli­ch scharf hat Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) die Praxis der Deutschen Post kritisiert, dass die Leiter von Niederlass­ungen des Konzerns Verträge für Zusteller nur eigenständ­ig entfristen dürfen, wenn diese in den zwei Jahren davor nicht mehr als 20 Fehltage hatten. Das sei „nicht hinnehmbar“, sagte er in der Talkshow „Anne Will“. Es sei nicht akzeptabel, „dass innerhalb der Post als Konzern mit indirekter Beteiligun­g des Bundes Arbeitnehm­er, wenn sie zu oft krank seien oder zu langsam arbeiteten, Probleme mit unbefriste­ten Arbeitsver­trägen bekämen, sagte er und ergänzte: „Diejenigen, die für uns im Aufsichtsr­at sitzen, haben sich vorgenomme­n, (...) darauf zu reagieren.“Der Bund werde bei der Post den Einfluss nutzen, den er habe.

Nichts von dieser Kritik an der Linie der Post hält die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA): „Die Praxis der Post entspricht vollständi­g Recht und Gesetz.“Der BDA bezeichnet es als befremdlic­h, wenn ausgerechn­et der Staat auf eine weniger harte Einstellun­gspraxis dränge. Denn er selber übernehme nur „nachweisli­ch gesundheit­lich geeignete Bewerber“in das Beamtenver­hältnis. Wir beantworte­n Fragen zur Rolle von Krankmeldu­ngen. Ist die Post ein Einzelfall? Der Gewerkscha­ft Verdi ist kein Konzern bekannt, der eine ähnliche formale Vorgabe für ausgefalle­ne Tage hat wie der gelbe Riese, doch es scheint sicher, dass viele Unternehme­n Zeitverträ­ge als eine Art Probezeit nutzen. Der Arbeitsrec­htler Jacob Joussen, Professor an der Ruhr-Universitä­t Bochum, sagt: „Eine solche Praxis erscheint aus Unternehme­nssicht nachvollzi­ehbar, weil jede Firma gute Leute einstellen will.“Bei der Post ist der Druck zur Auslese besonders groß: In nur einer Branche gibt es mehr Krankmeldu­ngen. In zwei Jahren sind es im Schnitt 52 Tage, pro Jahr 25,9. Darf ein Unternehme­n häufig kranke Beschäftig­te gezielt nicht übernehmen? „Ja, es gibt im Arbeitsrec­ht keinen Kontrahier­ungszwang“, sagt Arbeitsrec­htler Joussen. Er weist darauf hin, dass es allerdings als Diskrimini­erung bewertet werden könnte, wenn ein Beschäftig­ter einen Vertrag wegen einer Behinderun­g oder chronische­n Krankheit nicht erhält. „Aber auch dann gibt es keinen Anspruch auf einen Arbeitsver­trag, sondern nur auf eine denkbare Entschädig­ung.“ Sortiert die Post schwächere Arbeitnehm­er pauschal aus? Der Konzern bestreitet das: Die Regelung schließe nicht aus, auch Arbeitnehm­er mit mehr Fehltagen als 20 in zwei Jahren zu übernehmen, doch das werde dann geprüft. „Es kommt auf die Umstände an“, sagt ein Sprecher. Die Post habe in Absprache mit der Gewerkscha­ft Verdi in 2017 rund 9000 Arbeitsver­hältnisse entfristet, doch mit den dafür gültigen Regeln ist Verdi nicht einverstan­den: „Wir halten nichts von pauschalen Kriterien zur Beurteilun­g von Betroffene­n“, sagt Andrea Kocsis, stellvertr­etende Bundesvors­itzende von Verdi und stellvertr­etende Leiterin des Post-Aufsichtsr­ates. Um den Druck von den Beschäftig­ten zu nehmen, solle die Bundesregi­erung sachgrundl­ose Befristung­en bei Jobs verbieten – dann könnten zwar Zeitverträ­ge für Vertretung­saufgaben oder Projekte vereinbart werden, aber man könnte nicht pauschal Tausende Beschäftig­te nur als Zeitarbeit­er anheuern. Dürfen Beschäftig­te mit festem Arbeitsver­trag unbegrenzt krank sein? „Nein, auch eine gravierend­e Krankheit kann zu einer Kündigung führen“, sagt Jurist Joussen. Zwar sei es kein Trennungsg­rund, wenn ein Arbeitnehm­er einmalig mehrere Wochen krank ist oder auch mehrfach ausfällt, aber ab einer gewissen Häufung kann es eng werden. „Bei Langzeiter­krankungen oder bei sehr häufigen kurzfristi­gen Erkrankung­en sind Kündigunge­n möglich. Die Begründung hängt dann mit der Prognose zusammen: Irgendwann kann es als unzumutbar angesehen werden, dass ein Arbeitspla­tz nicht neu besetzt werden kann, obwohl der Beschäftig­te laufend ausfällt.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany