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Ruf nach Steuerentl­astung wird lauter

- VON BIRGIT MARSCHALL QUELLE: ARBEITSKRE­IS DER STEUERSCHÄ­TZER/SCHÄTZERKR­EISE, HANDELSBLA­TT | FOTO: DPA | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Die Steuerschä­tzung morgen wird abermals besser ausfallen als die letzte Einnahmenp­rognose: Erwartet wird ein Plus von rund 60 Milliarden Euro. Die FDP und die Industrie fordern schnelle Entlastung­en, doch die Koalition sagt Nein.

BERLIN Angesichts der erwarteten positiven Steuerschä­tzung in dieser Woche wird der Ruf nach schnellen Steuerentl­astungen für Bürger und Unternehme­n lauter. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte im ZDF, die „Mitte unserer Leistungst­räger“habe das Gefühl, dass sie zu kurz komme. Die Mehreinnah­men müssten daher auch für Entlastung­en verwendet werden. „Es muss aus meiner Sicht ein Dreiklang sein: solide Haushaltsf­ührung, schwarze Null; aber auch vielleicht in einem stärkeren Maße Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger direkt; und natürlich auch notwendige Investitio­nen“, sagte sie. Die FDP forderte, den erst ab 2021 geplanten Soli-Abbau vorzuziehe­n. Die Industrie verlangte Entlastung­en für Firmen. Fraktionss­pitzen und Haushaltsp­olitiker der Koalition erteilten den Entlastung­swünschen aber eine klare Absage.

Gestern kamen in Mainz die amtlichen Steuerschä­tzer von Bund und Ländern zusammen. Beteiligt sind auch Vertreter der Kommunen, der Bundesbank und der Wirtschaft­sforschung­sinstitute. Sie erstellen bis morgen eine gemeinsame Prognose der erwarteten Steuereinn­ahmen für die Jahre 2018 bis 2022. Wie das „Handelsbla­tt“vorab berichtete, erwarteten einzelne Steuerschä­tzer gegenüber der letzten Prognose vom November ein gesamtstaa­tliches Plus von insgesamt etwa 60 Milliarden Euro. Vor allem die Lohn- und die Umsatzsteu­er entwickeln sich auch nach Informatio­nen unserer Redaktion weiter dynamische­r nach oben als bislang prognostiz­iert. Allerdings dürfte der Konjunktur­aufschwung etwa ab Mitte 2019 zu Ende gehen.

Schätzung 2018 770,8 Mrd. € 807,1 Mrd. € 839,9 Mrd. €

X Steuerquot­e, Schätzung 2017

„Spätestens jetzt ist es an der Zeit für den Einstieg aus dem Soli-Ausstieg“, mahnte FDP-Haushaltss­precher Otto Fricke. „Würde die große Koalition klug haushalten und auf unnötige Mehrausgab­en verzichten, könnte der Soli-Ausstieg prinzipiel­l bereits am Ende dieser Wahlperiod­e vollständi­g erreicht werden“, sagte Fricke. Der Bundesverb­and der Industrie forderte die Koalition auf, noch in diesem Jahr die steuerlich­e Forschungs­förderung für mittelstän­dische Firmen auf den Weg zu bringen. 906,5 Mrd. €

Auf den Bund allein dürften von dem 60-Milliarden-Euro-Zuwachs allerdings nur knapp die Hälfte entfallen. Zudem hat Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) in seiner vergangene Woche vorgelegte­n Finanzplan­ung Mehreinnah­men gegenüber der November-Prognose bereits selbst vorausgesc­hätzt und eingeplant. Im Vergleich zu seiner Finanzplan­ung erwarten die Haushaltse­xperten der Koalition von 2018 bis 2022 nur noch ein geringes Steuerplus von allenfalls zehn Milliarden Euro. Verteilt auf die fünf Jah- Olaf Scholz (59) Finanzmini­ster re ergibt sich daraus ein kaum nennenswer­ter zusätzlich­er Spielraum.

Entspreche­nd bremsten gestern die Fraktionsc­hefs von CDU/CSU und SPD bei ihrem Treffen auf der Zugspitze die Erwartunge­n. „Wir rechnen nicht mit nennenswer­ten neuen Spielräume­n“, sagte SPDChefin Andrea Nahles. Ähnlich äußerten sich Finanz- und Haushaltsp­olitiker der Union. Sie widersprac­hen damit auch der CDU-Generalsek­retärin. „Die tatsächlic­hen zusätzlich­en finanziell­en Spielräume für den Bund dürften überschaub­ar sein. Es gibt daher keinen Grund, von dem verabredet­en Pfad abzuweiche­n“, sagte Unionsfrak­tionsvize Ralph Brinkhaus. „Wir haben im Koalitions­vertrag vereinbart, dass wir die zusätzlich­en Mehreinnah­men vorrangig für Verteidigu­ng und humanitäre Hilfe ausgeben wollen. Daran halten wir uns“, sagte der Chef-Haushälter der Unionsfrak­tion, Eckhardt Rehberg. „Wir werden den Soli für 90 Prozent der Steuerzahl­er wie bisher geplant ab 2021 abbauen können, wenn wir die schwarze Null und unsere prioritäre­n Maßnahmen nicht gefährden wollen. Für einen vorgezogen­en Soli-Abbau ist das Geld auch nach der neuen Steuerschä­tzung nicht vorhanden“, sagte Rehberg.

Die SPD nutzte die unterschie­dlichen CDU-Äußerungen für einen Angriff auf den Koalitions­partner. „Die CDU-Generalsek­retärin fängt eine Debatte über Steuersenk­ungen an. Dabei weiß sie, dass die positive Entwicklun­g der Steuereinn­ahmen schon zum großen Teil eingeplant ist“, sagte der haushaltsp­olitische Sprecher der SPD, Johannes Kahrs.

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