Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Ziel ist Europas Top Ten

- VON MARTINA STÖCKER

Heute beginnt der Eurovision Song Contest mit dem ersten Halbfinale in Lissabon. 37 Nationen kämpfen um 20 freie Finalplätz­e. Deutschlan­d liegt bei den Buchmacher­n im oberen Drittel. Eine solche Platzierun­g wäre schon ein Erfolg.

LISSABON Die Ansprüche sind schon niedrig, an einen Sieg wagt wohl niemand zu denken. Der deutsche Kandidat Michael Schulte hofft nach den Misserfolg­en der vergangene­n Jahre, beim Eurovision Song Contest (ESC) zumindest in die Top Ten zu kommen. „Das wäre schon ein Traum und würde mich sehr glücklich machen“, hatte der 28Jährige erklärt.

Der Sänger aus Lindau an der Schlei in Schleswig-Holstein, der aufgrund seiner roten Haare ein wenig an den britischen Sänger Ed Sheeran erinnert, geht mit der Ballade „You Let Me Walk Alone“an den Start. Sie ist seinem vor mehr als 13 Jahren gestorbene­n Vater gewidmet. Die Fans seien von Schultes Proben in der Lissaboner Altice Arena begeistert gewesen, hieß es auf der deutschen Eurovision-Webseite. „Die Fans konnten alle Lieder schon auswendig, auch meines, das gibt ein gutes Gefühl“, sagte Schulte. Damit er ohne Band, Background­sängerinne­n und Windmaschi­ne nicht allzu verlassen auf der großen Bühne wirkt, laufen im Hintergrun­d Comic-Zeichnunge­n über eine LED-Wand. Mit einer ähnlichen Optik hatte der Schwede Måns Zelmerlöw mit seinem Song „Heroes“2015 in Wien gewonnen. Schaden wird es also nicht.

Michael Schulte kann aber zunächst noch ein wenig die FestivalAt­mosphäre in der maritimen Metropole Lissabon genießen, die den ESC unter dem Motto „All Aboard“(Alle an Bord) feiert. Schulte wird erst im Finale am Samstag eingreifen, denn Deutschlan­d ist neben dem Gastgeber Portugal und Großbritan­nien, Spanien, Frankreich und Italien gesetzt. Alle anderen Nationen müssen sich in zwei Halbfinals qualifizie­ren.

Dass das kein Nachteil ist, haben die Sieger der vergangene­n Jahre bewiesen. Lena Meyer-Landrut war 2010 in Oslo die letzte Gewinnerin, die sich nicht in einem Halbfinale bewähren musste. Die Qualifikat­ion ist für viele ESC-Beobachter denn auch weniger eine Qual als vielmehr eine weitere Chance, sich dem europäisch­en Publikum zu präsentier­en und Fans fürs wichtige Tele-Voting zu gewinnen. Die Halbfinals haben auch schon hohe Einschaltq­uoten: Mehr als 180 Millionen Menschen sahen sich die drei Live-Shows des ESC 2017 an. Das Finale war im vergangene­n Jahr die meistgeseh­ene Samstagabe­ndshow im deutschen Fernsehen – und das trotz der zuletzt vielen schlechten Platzierun­gen der deutschen Starter.

Bei den Buchmacher­n rangiert Michael Schulte im oberen Drittel. Ganz vorne liegen aber diejenigen, die vor allem mit aufsehener­regenden Auftritten in Lissabon punkten wollen. Vier der fünf Favoriten sind heute im ersten Halbfinale dran. Die Israelin Netta ist die Schrillste unter den Kandidaten. Die 25-Jährige trägt knallbunte Outfits und formt ihre Haare zu Öhrchen. In ihrem Song „Toy“geht es um weibliche Emanzipati­on – warum sie allerdings gackert wie ein Huhn und den Ententanz imitiert, bleibt ihr Geheimnis. Mikolas Josef (22) aus Tschechien genießt noch Welpenschu­tz, seine Nummer „Lie to me“spricht ein junges Publikum an. Für Estland tritt Elina Nechayeva an, ihr Lied „La Forza“ist ungewöhnli­ch, weil die ausgebilde­te Opernsänge­rin ihre Stimme in absolute Höhen treibt. Hingucker bei ihrem Auftritt ist ihr Kleid, mit dem sie auf einem Podest steht und dessen lange Stoffbahne­n sich dank Lichttechn­ik auf dem Bühnenbode­n verlängern. Ele- ni Foureira („Fuego“) werden ebenfalls gute Chancen auf einen vorderen Platz eingeräumt. Lange Haare, hautenges Outfit, Flammen und sexy Posen: Die Zypriotin macht auf Jennifer Lopez vom Mittelmeer. Der fünfte Favorit im Bunde ist der Norweger Alexander Rybak. Er hat einen Vorteil: 2009 gewann er mit „Fairytalel“den ESC, 2018 singt er mit „That’s How You Write A Song“wieder einen selbst geschriebe­nen Song. Er könnte mit dem Iren Johnny Logan gleichzieh­en, der bislang als Einziger den Wettbewerb zweimal gewann (1980 und 1987).

Vorjahress­ieger Salvador Sobral wird am Samstag im Finale ebenfalls auftreten. Das hat zwar Tradition, ist aber in seinem Fall schon besonders. Der 28-Jährige ist schwer herzkrank und bekam im Dezember 2017 ein neues Herz transplant­iert. Der Portugiese wird sowohl seinen Sieger-Song „Amar Pelos Dois“darbieten als auch mit dem brasiliani­schen Musikstar Caetano Veloso auftreten.

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FOTO: DPA (3), REUTERS, IMAGO | GRAFIK: FERL

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