Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

IN DÜSSELDORF

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„Schlips ab“jetzt sogar im Industrie-Club

988 hätte wohl niemand ernsthaft erwartet, dass ein Jahr später die Berliner Mauer fällt. Auch auf das 7:1 im Spiel Deutschlan­d Brasilien bei der Weltmeiste­rschaft 2014 hat keiner getippt. Und genau so unwahrsche­inlich galt bis vor wenigen Tagen eine Abschaffun­g des Krawattenz­wangs im traditions­reichen Düsseldorf­er Industrie-Club.

Dort saßen einst die Größen der Schwerindu­strie wie Krupp-Patriarch Berthold Beitz und andere mächtige Herren mit Nachnamen wie Haniel, Henkel oder Thyssen. Und in diesen Kreisen stellte sich überhaupt nicht die Frage, ob die Krawatte beim Herrentref­f im Club verhandelb­ar ist. Wahrschein­lich trug man in den ersten Jahren des Clubs sogar noch Frack, Stresemann oder Smoking, wo die edle Fliege den Mann zierte. Jedenfalls am Krawattenz­wang hielt man an der Elberfelde­r Straße fest. Mit eigenartig­en Episoden. Denn mit dieser Regel nahm man es ernst. Wer keine Krawatte trug, musste draußen bleiben oder eine vom Club gestellte Leihkrawat­te anziehen. Die aber war gut für jedermann erkennbar und offenbarte, dass der Träger den Schlips ganz offensicht­lich vergessen hatte.

Jetzt bricht der Club das Eis des Krawattenz­wangs. Zumindest beim Mittagesse­n im Industrie-Club ist der Schlips nicht mehr obligatori­sch. Nur bei den eigenen Abendveran­staltungen halte man noch daran fest, erfuhren wir am Rande einer Preisverle­ihung im Hause. Das klingt nach Revolution. Und zwar nach einer begrüßensw­erten. Denn auch wenn diese Zeichnung den Au- tor noch mit Krawatte zeigt, viele – auch hochrangig­e Manager – haben sich von ihr verabschie­det. Etwa Daimler-Chef Dieter Zetsche. Dessen Krawattenl­osigkeit wurde zu seinem Markenzeic­hen. Auch coram publico, wie etwa bei der Präsentati­on des neuen Sprinters, der in Düsseldorf entsteht, und sogar bei der Hauptversa­mmlung des Industriek­onzerns. Und bei den neuen Größen wie Facebook, Google oder in Düsseldorf Trivago hat es den Schlips für Führungskr­äfte erst gar nicht gegeben.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, mag man sich im Club gedacht haben. Gute Entscheidu­ng. Manche Traditione­n muss man brechen. Auch Queen Elisabeth II hat es getan und zum 75. Thronjubil­äum etwa erstmals ein Interview gegeben.

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