Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Bergmann führt die RAG-Stiftung

- VON ANTJE HÖNING

Das Kuratorium der RAG-Stiftung wählte Bernd Tönjes zum neuen Hüter der Milliarden. Er wird im Mai den erkrankten Werner Müller ablösen. Tönjes hat einst als Steiger im Bergwerk Lippe angefangen.

ESSEN Bergleute gehen früh in den Ruhestand, manche schon mit 49 Jahren. Nicht so Bernd Tönjes. Der 62-Jährige Chef des Zechenkonz­erns RAG beginnt im Mai sogar ein neues Kapitel in seiner Karriere. Dann wird er Chef der mächtigen RAG-Stiftung, die das Milliarden­vermögen zur Finanzieru­ng der Ewigkeitsl­asten im Bergbau verwaltet. Gestern bestellte das Kuratorium, das die Stiftung kontrollie­rt, Tönjes einstimmig und für fünf Jahre zum neuen Hüter der Milliarden.

Tönjes hätte darauf gerne verzichtet, eigentlich wollte sein langjährig­er Förderer Werner Müller noch lange die Geschicke der Stiftung lenken. Doch Müller ist schwer erkrankt und legt zum 24. Mai alle Ämter nieder, wie er im Februar angekündig­t hatte. Das Kuratorium ernannte Müller gestern zum Ehrenvorsi­tzenden der Stiftung.

Tönjes ist Müllers Wunsch-Nachfolger, dieser hatte ihn einst schon an der Spitze der RAG beerbt. Tönjes zählte auch zu der handverles­enen Gästegrupp­e, die dabei waren, als Müller unlängst den Verdiensto­rden des Landes erhielt. Abgesehen von den tragischen Umständen kann Tönjes als eine Idealbeset­zung gelten: Er wurde 1955 in Dorsten geboren, als die Kommune am nördlichen Rand des Ruhrgebiet­s noch eine stolze Zechenstad­t war und von der Nordwander­ung des Bergbaus träumte. „Mein Vater und meine Großväter waren Bergleute. Ich habe als Steiger im Bergwerk Lippe angefangen“, sagte Tönjes mal. Er selbst hat die harte Arbeit und die besondere Kameradsch­aft unter Tage erlebt. Sein Bergbau-Studium an der RWTH Aachen finanziert­e er über die Arbeit auf dem Pütt. Tönjes war auf vielen Zechen im Ruhrgebiet tätig: Fürst Leopold, Schlägel&Eisen, Ewald. Alle sind mittlerwei­le geschlosse­n.

Als 2008 das große RAG-Imperium nach Müllers kühnem Plan aufgeteilt wurde in einen weißen Bereich, aus dem der Chemiekonz­ern Evonik hervorging, und einen schwarzen Bereich, die neue RAG, stieg Tönjes auf zum Bergwerksd­irektor der Nation. Mit ruhiger Hand, uneitel und einem Blick für Belegschaf­t und Region führte er das Unternehme­n durch den harten Schrumpfun­gsprozess. 2008 hatte die RAG noch 20.000 Mitarbeite­r, nun sind es 6000. Und auch für die ist absehbar Schicht im Schacht.

Wenn am 21. Dezember Prosper Haniel als letzte deutsche Zeche schließt, wird man in Bottrop viele Bergleute weinen sehen. Zusammen mit Spitzenpol­itikern und Unternehme­rn wird Tönjes nach der letzten Seilfahrt die Schicht am Förderkorb in Empfang nehmen. Auch für ihn wird das ein harter Tag. „Mit dem Bergbau endet auch für meine Familie ein Ära“, sagte er.

Als Chef der RAG-Stiftung geht die Arbeit für ihn weiter. Tönjes muss deren Vermögen wahren, aus dem das ewige Abpumpen des Grubenwass­ers bezahlt wird. Ohne Pumpen ständen Teile von Essen längst unter Wasser. Zur Arbeit gehören auch große Anlageents­cheidungen: Bisher ist das Vermögen der RAG- Stiftung zum großen Teil in EvonikAkti­en gebunden, knapp 68 Prozent hält die Stiftung an dem Chemiekonz­ern. Der liefert auch stetig gute Dividenden ab. Dennoch ist Evonik für die Stiftung ein Klumpenris­iko, das sie langfristi­g auf gut 25 Prozent reduzieren will. Nur ist die Frage, wo man das Kapital in Zeiten von Minizinsen alternativ anlegt. Auch für die Sanierung von Bergschäde­n und die Förderung von Kultur und Wissenscha­ft in den Bergbaureg­ionen ist die Stiftung zuständig. Aber nicht jedes Zechengelä­nde kann Welterbe wie Zollverein in Essen werden, wo Tönjes’ Büro ist.

Zugleich geht es bei der RAG-Stiftung immer auch darum, die Posten und Milliarden vor dem Zugriff der Politik zu schützen. Der Bergmann Tönjes wird zum wachsamen Bewahrer von Müllers Erbe werden.

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FOTO: DPA Bernd Tönjes wurde 1955 in Dorsten geboren, als die Kommune noch eine stolze Zechenstad­t war. Schon Vater und Großväter arbeiteten auf dem Pütt.

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