Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Missbrauch bei esoterisch­er Sitzung?

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Das Landgerich­t stellt das Verfahren gegen einen Arzt ein.

Rund sieben Jahre nach der Behandlung einer Patientin (44) hat das Landgerich­t gestern gegen einen Arzt (69) verhandelt. Neben üblichen Methoden bot der Mediziner auch esoterisch­e Chakra-Behandlung­en an – und soll sich dabei 2011 an der Patientin zweimal vergriffen haben. Wegen sexuellen Missbrauch­s der Frau unter Ausnutzung eines Behandlung­sverhältni­sses war er vom Amtsgerich­t zu anderthalb Jahren Bewährungs­strafe plus Zahlung von 30.000 Euro an sein Opfer verurteilt worden. Doch seine Berufung dagegen war gestern beim Landgerich­t erfolgreic­h. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestell­t unter der Auflage, dass er der Ex-Patientin jetzt 1000 Euro zahlt.

Abseits der Schulmediz­in versteht sich dieser Mediziner auch als Esoteriker. Als die Frau 2011 zu ihm kam wegen Narbenschm­erzen am Steißbein, wollte der 69-Jährige mittels spezieller Methoden auch gegen den erhebliche­n Leidensdru­ck der labilen, leicht beeinfluss­baren Patientin vorgehen. Sie dabei an so genannten Chakren (angenommen­en Energiezen­tren) an ihrem Körper berührt zu haben, gab der Arzt zu. Er habe die Behandlung allerdings lediglich mit den Fingerkupp­en durchgefüh­rt.

Die Patientin hatte das später anders geschilder­t. Sie gab an, sie sei von dem Arzt – ohne jeden Hinweis auf eine angebliche Chakren-Behandlung – bei zwei Besuchen im Intimberei­ch berührt und missbrauch­t worden. Der 69-Jährige hat das stets bestritten, sich auf seine Heilungs-Philosophi­e berufen. Warum die Frau nach einem ersten, angebliche­n Übergriff des Arztes noch Tage später erneut zu ihm gegangen war, hatte sie im ersten Prozess vor dem Amtsgerich­t nicht plausibel begründet. Mit der deutlichen Verurteilu­ng des Mediziners war der Richter damals den Vorwürfen der Frau gefolgt.

Das Landgerich­t hat gestern nicht eigens aufgeklärt, wo genau die Trennlinie zwischen esoterisch üblicher Behandlung und sexuellem Missbrauch liegt. Da gegen den bisher unbescholt­enen Arzt weder vor diesem Vorfall noch danach weitere Vorwürfe bekannt geworden sind, stuften die Richter eine mögliche Schuld des Arztes vor rund sieben Jahren jetzt als gering ein.

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