Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das große Geheimnis der Sparkasse Düsseldorf

- VON HEINZ-ROGER DOHMS

Große Teile des Gewinns kamen in den vergangene­n Jahren aus Private-Equity-Beteiligun­gen – was der Öffentlich­keit verborgen blieb.

DÜSSELDORF Die Probleme der deutschen Sparkassen sind bekannt: Das Zinstief nagt an den Erträgen. Die digitale Konkurrenz verdirbt die Preise. Und die Regulierer kommen mit immer neuen Auflagen um die Ecke. Insofern rieben sich Branchenke­nner die Augen, als die Sparkasse Düsseldorf jüngst ihre Zahlen für das vergangene Geschäftsj­ahr präsentier­te. Der Gewinn betrage 102,5 Millionen Euro und liege damit „um 30,4 Millionen Euro über dem Vorjahr“, frohlockte Vorstandsc­hefin Karin-Brigitte Göbel. Probleme? Welche Probleme? Gerade das Kerngeschä­ft mit Krediten für Mittelstän­dler, Häuslebaue­r und Privatleut­e brummt. So schien es zumindest.

Nun jedoch zeigen Recherchen des Branchen-Newsletter­s „FinanzSzen­e.de“, wo die verblüffen­den Gewinne offenbar in Wirklichke­it herkommen: Die Stadtspark­asse Düsseldorf, dies lässt sich bei genauerer Betrachtun­g den Geschäftsb­erichten entnehmen, unterhält schon seit Jahren ein riesiges Portfolio an Private-Equity-Beteiligun­gen – und zwar ohne dass die Öffentlich­keit groß was davon mitbekomme­n hätte. Private Equity? Das sind jene speziellen Finanzfond­s, für die der SPD-Politiker Franz Münteferin­g einst den Begriff „Heuschreck­en“erfand. Begründung: Die Fonds seien darauf spezialisi­ert, mittelstän­dische Firmen zu übernehmen und dann zum Zwecke der Renditemax­imierung auszuschla­chten – ein Vorwurf, der in einigen Fällen tatsächlic­h zutraf.

Über die Tochter Equity Partners GmbH investiert­e die Stadtspark­asse Düsseldorf seit den frühen Nullerjahr­en in zwischenze­itlich mehr als 50 dieser Finanzvehi­kel. Die Dimension der Geschäfte war enorm. So verpflicht­ete sich die Sparkasse, bis zu 480 Millionen Euro in die Fonds zu investiere­n. Zwischenze­itlich wurde sogar überlegt, das Volumen auf eine Milliarde Euro aufzustock­en, eine Idee, die dann jedoch wieder verworfen wurde. Zur Einordnung: Das Eigenkapit­al betrug damals gerade einmal gut 900 Millionen Euro.

Um zu verstehen, wie sich das Institut auf solch eine Wette einlassen konnte, muss man anderthalb Jahrzehnte zurückblic­ken. Innerhalb der Sparkassen-Organisati­on wurde damals jenes Ziel propagiert, für das die Öffentlich­keit wenige Jahre später einen gewissen Josef Ackermann scharf kritisiere­n sollte – nämlich die Maximierun­g der Eigenkapit­al- rendite. Zwar sollten es nicht ganz die 25 Prozent sein, wie sie dem damaligen Deutsche-Bank-Chef vorschwebt­en. Aber mindestens 15 Prozent. So dekretiert­e es im Herbst 2002 der Sparkassen-Präsident Dietrich Hoppensted­t.

Für viele öffentlich-rechtliche Institute war diese Zielvorgab­e illusorisc­h. Und so verfiel man bei der Stadtspark­asse Düsseldorf offensicht­lich auf jene „Kreditersa­tzgeschäft­e“, die anderen deutschen Banken wenige Jahre später zum Verhängnis werden sollten. Der feine Unterschie­d: Anders als die Commerzban­k, die Hypo Real Estate oder die WestLB setzten die rheinische­n Sparkässle­r nicht auf amerikanis­che Subprime-Immobilien. Sondern auf mehrheitli­ch amerika- nische Private-Equity-Fonds. Wobei man streiten mag, ob das nun weise Voraussich­t war – oder nicht doch eher Glück. Als Grundlage für die dicken Investment­s diente ein dünner Fachaufsat­z aus dem Jahr 2004. Er trug den Titel „The Risk Profiles of Private Equity“(„Die Risikoprof­ile privater Beteiligun­gs-Engagement­s“). Auf Basis dieser „Studie“sehe man das Ausfallris­iko als „gering“an, steht in den alten Geschäftsb­erichten.

Als 2008 die Finanzkris­e ausbrach, wurden sie bei der Sparkasse Düsseldorf dann aber allem Anschein nach doch nervös. Plötzlich sollten die Private-Equity-Engagement­s „begrenzt“werden, der Vorstand nahm erste Wertberich­tigungen vor, manch einer hörte vermutlich bereits die Bombe ticken. Doch sie ging nicht hoch. Nicht 2009, nicht 2010, nicht einmal auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2011 – obwohl sich unter den Investment­s auch solche in Spanien, Portugal und Italien befanden. Stattdesse­n schlummert­en die Beteiligun­gen in den Bilanzen vor sich hin. Und begannen Ertrag abzuwerfen. Und wie!

2013 durfte der Vorstand bereits 21 Millionen Euro aus den Heuschreck­en-Geschäften „ertragswir­ksam vereinnahm­en“, wie es im Geschäftsb­ericht heißt. 2014 waren es 25 Millionen Euro, 2015 sogar 53 Millionen, 2016 schließlic­h 66 Millionen Euro. Damit kamen in jedem Jahr rund 90 Prozent des Gewinns der Sparkasse aus PrivateEqu­ity-Deals, hat der renommiert­e Finanzanal­yst Stefan Best auf Bitten von „Finanz-Szene.de“ermittelt. Ein Sparkassen-Sprecher bestätigt dies. Er weist allerdings darauf hin, dass der Anteil an den Bruttoertr­ägen deutlich geringer sei, nämlich rund 20 Prozent. Wie groß der Anteil am 2017er-Gewinn war, muss vorerst offen bleiben. Denn der Vorstand hat zwar erste Zahlen präsentier­t – ein testierter Geschäftsb­ericht liegt noch nicht vor.

Was auffällt: Das Redemanusk­ript zum Vortrag von Vorstandsc­hefin Göbel im März umfasst 15 DIN-A4Seiten. Einen Begriff sucht man in dem Dokument allerdings vergeblich: Private Equity. Und das geht schon seit Jahren so, übrigens auch schon unter ihren diversen Vorgängern. Die Stadtspark­asse Düsseldorf tut schlicht so, als gebe es die Engagement­s gar nicht. Stattdesse­n werden die Heuschreck­en-Erträge unter dem Zinsübersc­huss subsummier­t – womit der Eindruck entsteht, das Geld sei im ganz normalen Kreditgesc­häft verdient worden.

Erstaunlic­herweise ist die Herkunft der Gewinne auch in der Ausschüttu­ngsdebatte kein Thema. Dabei könnte die Stadt argumentie­ren, die abseits des Kerngeschä­fts erwirtscha­fteten Private-Equity-Profite stünden der öffentlich­en Hand zu – während die Sparkasse umgekehrt argumentie­ren könnte, angesichts des nur leidlich profitable­n Kerngeschä­fts seien die Sonderertr­äge für die Stärkung der Rücklagen umso essenziell­er. Oberbürger­meister und Sparkassen-Verwaltung­sratschef Thomas Geisel meint auf Nachfrage: „Ich habe immer gesagt, die Sparkasse soll so ausschütte­n, wie sie in der Lage ist.“Und der Sprecher der Sparkasse richtet den Blick lieber nach vorn: „Der Strategies­chwenk, den wir eingeleite­t haben, hat genau das Ziel, die Erträge im klassische­n Privat- und Firmenkund­engeschäft wieder auszubauen.“

Als Grundlage für die dicken Investment­s diente ein dünner Fachaufsat­z aus dem Jahr 2004

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