Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das Zirpen des Starpianisten
Unbekannte Bach-Aufnahmen von Friedrich Gulda auf dem Clavichord.
SALZBURG Der grandiose Pianist Friedrich Gulda war immer für Überraschungen gut. Mal trat er mit Blockflöte auf, dann mit Käppi, dann auch ohne irgendeine Textilie. Er spielte strengstens nach Noten (Klassik) oder ganz frei (Jazz). Außerdem streute er 1999 erfolgreich die Meldung, er sei einem Schlaganfall erlegen, und ergötzte sich an den Nachrufen. Tatsächlich starb er ein Jahr später, Gulda war herzkrank gewesen.
Jetzt präsentiert uns Berlin Classics eine Reihe mit unbekannten Gulda-Aufnahmen aus den Jahren 1978 und 1979, die uns wieder ein neues Gesicht des Künstlers zeigen. Gulda spielt Clavichord, dieses zier- liche Tasteninstrument mit engem Lautstärkespektrum und ebenso beschränktem Tonumfang; in jedem Hotelzimmer konnte er es gefahrlos für die Nachbarn ausprobieren. Liszt und Rachmaninow funktionieren auf so einer Schmalspureisenbahn natürlich nicht, Johann Sebastian Bach aber sehr wohl. Hier spielt Gulda Auszüge aus dem zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“, die „Chromatische Fantasie und Fuge“sowie die zweite Englische Suite.
Die Platte ist lustig und erhebend zugleich. Manchmal hält man sich vor Lachen den Bauch, weil das Clavichord in Guldas zuweilen irrwitzigen Tempi klingt wie das Frühstadium der elektrifizierten Nähmaschine; das Mikrofon befand sich direkt über den Saiten, und deren Zirpen wirkt wie ein gigantisches Grillenkonzert. Zugleich hört man Bachs Musik, als werde sie ins MRT geschoben: Jedes Detail ist zu erkennen, wirklich jedes.
Wer Bach und seinen Anwalt Gulda mal auf originelle private Weise kennenlernen möchte: Bitte sehr!