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Rentnermor­d: LKA fasst letzten Verdächtig­en

- VON JOACHIM NIESSEN

Der seit einem Jahr von der Polizei gesuchte Pole Marko S. hatte sich zuletzt bei seiner Familie in Solingen versteckt. Der 54-Jährige und seine Komplizen hatten 2016 einem Rentner den Kopf mit Klebeband umwickelt. Der Krefelder erstickte.

Nach mehr als einem Jahr harter Arbeit schlugen Zielfahnde­r des Landeskrim­inalsamts (LKA) am Freitag in Solingen zu: Die Einsatzkrä­fte nahmen dort in der Wohnung von Familienan­gehörigen den 54-jährigen Marko S. fest. Dem Polen wird vorgeworfe­n, im Herbst 2016 an dem Raubmord an einem Krefelder Rentner beteiligt gewesen sein. Der 79-Jährige war im Oktober in seiner Wohnung an der Drießendor­fer Straße durch einen Knebel mit einem reißfesten Klebeband qualvoll erstickt.

„Marko S. hatte sich nach der Tat erst nach Polen abgesetzt. Er wusste, dass nach ihm gefahndet wurde. Später tauchte er bei der Familie in der Klingensta­dt unter. Dort ließ er sich jetzt widerstand­slos festnehmen. Damit wird die Öffentlich­keitsfahnd­ung der Staatsanwa­lt- schaft Krefeld aus Januar 2017 zurückgeno­mmen“, erklärte gestern Staatsanwä­ltin Anna Stelmaszcz­yk auf Anfrage unserer Redaktion.

Weitere Einzelheit­en zur Festnahme durch das LKA wollte die Juristin aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht mitteilen.

Mit dem 54-Jährigen hat die Polizei das letzte Mitglied der Bande gefasst, die damals im Kleinanzei­genteil in der Sparte „Trödel und Antik“Personen gesucht hat, die sie bestehlen wollten. Gemeinsam mit den übrigen fünf Mitglieder­n – vier Männern und einer Frau – der Gruppe soll der Pole in die Wohnung des Rentners eingedrung­en sein. Die Komplizen sind – unter anderem wegen Raub mit Todesfolge – bereits zu Haftstrafe­n bis zu 14 Jahren verurteilt worden. S. wurde am Samstag dem Amtsgerich­t Krefeld vorgeführt, wo ihm der Haftbefehl verkündet wurde. Wa- rum genau es im Oktober 2016 in der Krefelder Wohnung zu dem Gewaltausb­ruch gekommen war, konnten die Ermittler nicht zweifelsfr­ei klären. Moderne DNA-Technik hatte jedoch ermöglicht, handfeste Beweise gegen die Tatverdäch­tigen sicherzust­ellen.

Die Bande waren mit ihrer Masche überall in der Region bis ins Ruhrgebiet aktiv gewesen. Es war der 26. Oktober 2016, als die Gruppe gezielt nach Krefeld kam, um den gehbehinde­rten Rentner in der ersten Etage eines Mehrfamili­enhauses zu überfallen. Es sei bekannt gewesen, dass der Mann Antiquität­en und Kunstgegen­stände sammelte, schilderte später die Richterin. Das sei auch der Grund für die Angeklagte­n gewesen, einen Raub zu planen.

Die Gruppe versprach sich eine Beute von mindestens 100.000 Euro. Den Wert der gestohlene­n Gegen- stände – Messingfig­uren, Kreuze, siebenarmi­ge Kerzenleuc­hter und eine antiquaris­che Ausgabe Schillers – bezifferte das Gericht nicht; er betrug aber lediglich einen kleinen Bruchteil dessen, was die Täter erhofften. Sicher ist nach Abschluss der Ermittlung­en: Der 79-Jährige besaß gar keine Kostbarkei­ten. Im Gegenteil: Weil die Rente nicht reichte, hatte er immer wieder einige Teile versetzt. Nicht mal mehr seinen Strom konnte er immer pünktlich zahlen.

Am Tattag gab sich einer aus der Gruppe als Paketbote aus und verschafft­e den Mittätern so Zutritt zur Wohnung. Dort fesselten und knebelten sie den Rentner. Die Hände waren vorne über Kreuz verbunden, das Gesicht war mit Klebeband bedeckt. Lediglich eine viel zu kleine Öffnung im Bereich der Nase wurde ausgespart. Die Zunge war mit einem Knebel so fixiert, dass sie in den Rachenraum gepresst wurde, erklärte später ein Gerichtsme­diziner erklärt.

Darüber hinaus brach die Nase des Rentners, möglicherw­eise durch seine Gegenwehr, so dass Blut die Atmung weiter behinderte. Er erstickte. Einen Tötungsvor­satz konnte die Kammer den Angeklagte­n bis zum Urteil im Januar 2018 nicht nachweisen, da die Nasenlöche­r des Rentners nicht zugeklebt waren und ihm damit zumindest theoretisc­h eine Möglichkei­t zum Atmen blieb.

Mehrere Tage nach der Tat war der Krefelder von Bekannten als vermisst gemeldet worden. Die Polizei ließ durch einen Schlüsseld­ienst die Wohnung öffnen und fand den Toten auf dem Rücken liegen im Badezimmer. Sein Gesicht war mit einem Handtuch bedeckt. Das, so einer der Angeklagte­n, habe man „aus Respekt vor dem Toten“auf ihn gelegt.

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