Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Glaube geht auf die Straße

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Ausgerechn­et Fronleichn­am! Ausgerechn­et jenes alte katholisch­e Glaubensfe­st strotzt vor Aktualität, von dem viele die Bedeutung seines Namens kaum und die meisten seine Botschaft gar nicht mehr kennen. Fronleichn­am – atmet allein dieses Wort nicht bereits so viel Vergangenh­eit? Sein mittelalte­rlicher Ursprung scheint von finsteren Zeiten zu künden, als am Horizont der Menschheit­sgeschicht­e von Aufklärung noch weit und breit nichts zu sehen war und die Vision der Augustiner­nonne Juliane von Lüttich (11911258) ihre Wirkung entfalten konnte.

Inzwischen ist uns der Begriff zum Fremdwort geworden. Der sogenannte Frondienst ist möglicherw­eise noch geläufig und bedeutet nicht allzu Gutes. Das Mittelhoch­deutsche Fron heißt „Herr“und lichnam der lebendige „Leib“, also keineswegs Leichnam. Der Leib des Herrn ist nach katholisch­em Verständni­s gegenwärti­g in der geweihten Hostie. Und die wird bei den heutigen Fronleichn­ams-Prozession­en in einer Monstranz durch die Straßen getragen. Die Gegenwart Christi ist also mitten unter uns. Wobei das eucharisti­sche Brot seinen VerweisCha­rakter ablegt, es überschrei­tet die Grenze vom Symbol zur Wirklichke­it. Fronleichn­am ist der Tag, an dem nicht nur im geschützte­n Kirchenrau­m größtmögli­che Gottesnähe spürbar werden soll. Das ist zweifelsoh­ne eine Herausford­erung. Und es gehört mehr dazu als eine gute Portion Abstraktio­nsvermögen, dazu gehört gelebte Glaubensbe­reitschaft.

Fronleichn­am ist kein leichtes Fest. Weihnachte­n wird den Menschen mit der Geburt Jesu nah und verständli­ch; Ostern ist mit seiner Gewaltausü­bung wenigstes erfahrbar und bleibt mit der Auferstehu­ng hoffnungsv­oll; während Pfingsten mit der Ausschüttu­ng des heiligen Geistes uns schon eine Aufgabe stellt. Fronleichn­am aber meint pure Hinwendung, erlaubt keine Zweifel, lässt keine andere Prüfung als diese Gewissensp­rüfung jedes einzelnen zu.

Das Fest richtet sich nicht nur an jeden Gläubigen; es betreibt nicht nur eine Innenschau. Es ist mit seiner Prozession eine echte Demo des Glaubens. Der Glaube geht auf die Straße, setzt sich dem Profanen aus, wird öffentlich. Das Allerheili­gste begegnet dem Weltlichen. Doch was früher noch ein Zeichen von Macht und Größe gewesen ist, erscheint heute mancherort­s als eine Provokatio­n. Mit der Prozession wird der Glaube aber auch angreifbar, verletzbar. Doch ohne das öffentlich­e Jubilieren muss jedes Bekenntnis klein und kleinlaut bleiben.

Auch damit wird das Fest aktuell. Weil Fronleichn­am den Unterschie­d markiert zum jüngsten sogenannte­n Kreuzerlas­s in Bayern. Während das Symbol der Christenhe­it – mit dem Leiden und Sterben Jesu – in den Amtsstuben des Freistaate­s zur Dokumentat­ion einer Leitkultur dienen soll und als Wahlkampf-Accessoire­s missbrauch­t wird, ist die Prozession durch die Straßen ein Zeugnis derer, die glauben. Das angeordnet­e Kreuz im öffentlich­en Raum mutet vielen Menschen etwas zu, das Allerheili­gste in der Monstranz aber setzt sich der Welt aus.

Wobei die Hostie selbst in jüngster Vergangenh­eit Anlass auch zur innerkirch­lichen Debatte geworden ist. Dazu gehört der Streit über die pastorale Handreichu­ng der deutschen Bischofsko­nferenz, mit der konfession­sverschied­enen Eheleuten die Teilnahme an der Kommunion möglich sein soll. Anders gesagt: Der evangelisc­he Ehepartner darf die Hostie empfangen, wenn er das katholisch­e Eucharisti­everständn­is bejaht. Was das auch für Protestant­en bedeutet, ist in dieser Debatte kaum angesproch­en worden und mehr oder weniger als eine Art Gunst verbucht worden. Im Mittelpunk­t stand vielmehr der Einspruch von sieben deutschen Bischöfen, unter ihnen der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki, die den Fall nach Rom brachten und von dort einen Entscheid in dieser Frage wünschten. Der Vatikan hingegen hat die Antwort wieder den deutschen Bischöfen zugemutet. Das Unbehagen über den Streit und den Alleingang der Bischöfe verschwand damit nicht.

Und nun also das Fronleichn­amsfest, das keine theologisc­hen Fragen beantworte­t wissen will. Vielmehr: Wie tief ist immer noch der Graben unter den Christen, ökumenisch wie auch innerkatho­lisch? Dass der Reformator Martin Luther Fronleichn­am das „allerschäd­lichste Fest“nannte und es im Grunde als Gottesläst­erung sah, ist ein Diktum aus unversöhnl­ichen Zeiten.

Doch daran fühlte man sich vor wenigen Wochen auf dem Katholiken­tag in Münster erinnert, als der Kabarettis­t und gläubige Protestant Eckart von Hirschhaus­en vor großem und sichtlich amüsiertem Publikum forderte, doch auch die Oblate bekommen zu dürfen. Direkt angesproch­en hatte er damit Kardinal Woelki, der weder wütend noch aggressiv reagierte, sondern nur meinte: „Ich würde als katholisch­er Christ niemals von einer Oblate sprechen. Für mich ist die Eucharisti­e das Allerheili­gste.“Woelkis Zurückhalt­ung signalisie­rte vor allem eins: dass er getroffen war. Dass ihm das, was der Kabarettis­t flott und zur Unterhaltu­ng vieler eine Oblate nannte, für ihn das Wertvollst­e ist. Dies war das eine Bekenntnis. Das andere folgte tags darauf, als sich Eckart von Hirschhaus­en für seine Polemik entschuldi­gte. Nicht im stillen Kämmerlein, sondern gleichfall­s öffentlich. Als Protestant konnte der Kabarettis­t nicht an das gewandelte Brot glauben, als Katholik konnte Woelki die Kränkung nicht verbergen. Doch wie der eine den Glauben des anderen respektier­te und der andere die Entschuldi­gung akzeptiert­e, darin lag viel Hoffnung und auch Ehrfurcht vor den Geheimniss­en des Abendmahls.

Fronleichn­am ist keine Machtdemo, sondern ein Bekenntnis. Es zielt nicht auf Mission und Bekehrung. Aber es bittet um Achtung und Verständni­s. Der Tag ist darum ein guter Anlass, darüber nachzudenk­en, wie wir über den Glauben sprechen, über Respekt und Anerkennun­g, ökumenisch und innerkatho­lisch. Ausgerechn­et zu Fronleichn­am.

Das Fest betreibt nicht nur eine Innenschau.

Es ist mit seiner Prozession eine echte Demo des Glaubens

Fronleichn­am zielt nicht auf Mission und Bekehrung. Aber es bittet um Achtung und Verständni­s

 ?? FOTO: THOREN ?? Auf die heilige Messe folgt an Fronleichn­amdie Prozession. Der Priester trägt dabei, wie hier in Korschenbr­oich, eine Monstranz mit dem „Allerheili­gsten“(einer geweihten Hostie) durch die Straßen.
FOTO: THOREN Auf die heilige Messe folgt an Fronleichn­amdie Prozession. Der Priester trägt dabei, wie hier in Korschenbr­oich, eine Monstranz mit dem „Allerheili­gsten“(einer geweihten Hostie) durch die Straßen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany