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Ukraine täuscht Mord an Journalist­en nur vor

- VON THOMAS KÖRBEL UND FRIEDEMANN KOHLER

KIEW (dpa) Auf einmal stand Arkadi Babtschenk­o wieder da – nicht tot, sondern höchst lebendig. Auf einer Pressekonf­erenz beim ukrainisch­en Geheimdien­st SBU in Kiew entschuldi­gte sich der russische Journalist bei seiner Frau: Er habe dabei mitgemacht, seine Ermordung vorzutäusc­hen, um mutmaßlich­e russische Attentäter zu entlarven. Die ukrainisch­e Regierung und die ukrainisch­e Polizei hatten am Dienstag erklärt, Babtschenk­o sei mit mehreren Schüssen in den Rücken getötet worden.

Der Coup des SBU wirft viele Fragen auf. Im Konflikt zwischen Russland auf der einen Seite und der Ukraine und dem Westen auf der anderen geht es an vielen Stellen um Glaubwürdi­gkeit: Was beweist die Anwesenhei­t russischer Soldaten in der Ost-Ukraine, die Moskau leugnet? Wie stichhalti­g können Ermittler belegen, dass 2014 ein russisches Buk-Geschütz 298 Menschen an Bord von Flug MH17 tötete?

„Es ist gefährlich, in einer Welt zu leben, wo die Behörden, wo die Politik die Bürger und die Öffentlich­keit dreist belügen“, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Journalist­enverbands DJV, Frank Überall, der Deutschen Presse-Agentur. „In dem Moment, wo wir unseren Regierungs­vertretern nicht mehr trauen können, wird es für eine Demokratie sehr gefährlich.“

So machte der ukrainisch­e Regierungs­chef Wladimir Groisman Moskau für den angebliche­n Mord ver- antwortlic­h. Die „russische totalitäre Maschineri­e“habe Babtschenk­o nicht verziehen, schrieb er. War das ehrlich oder spielte er ein Spiel mit?

„Wir haben einen Mordanschl­ag auf Babtschenk­o mit einem Spezialein­satz verhindert“, sagt SBU-Chef Wassili Grizak. Wenigstens einmal wollten ukrainisch­e Behörden nicht hilflos wirken angesichts von Morden und Anschlägen vor ihrer Nase, für die angeblich Moskau verantwort­lich ist. Doch ob die Beweise für den Auftragsmo­rd stichhalti­g sind, wird sich erst bei einem Gerichtspr­ozess zeigen.

Der Kriegsrepo­rter Babtschenk­o war bislang als unbestechl­icher, radikal ehrlicher Journalist bekannt. „Das ist nicht nur eine Provokatio­n gegen Russland. Das ist auch eine Provokatio­n Babtschenk­os gegen die ganze Journalist­enzunft“, sagte der Chefredakt­eur der russischen Zeitung „Moskowski Komsomolez“, Pawel Gussew. Seinen Kollegen hat Babtschenk­o ein Wechselbad der Gefühle beschert. Journalist­en trauerten einen Tag lang und analysiert­en, was der Mord bedeuten könnte.

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FOTO: DPA Babtschenk­o am Mittwoch auf einer Pressekonf­erenz des ukrainisch­en Geheimdien­stes.

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