Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Fans im Panini-Fieber

- VON FABIAN WEGENER

Eine Weltmeiste­rschaft ohne Panini-Sticker? Kaum vorstellba­r, zumindest für viele deutsche Fans. Seit Jahrzehnte­n gehören die bunten Bilder dazu – und das trotz steigender Päckchenpr­eise und einschlägi­ger Verschwöru­ngstheorie­n.

HAMBURG (dpa) Die kribbelnde Ungewisshe­it, der Reiz des Seltenen, die Euphorie der Vollständi­gkeit: Pünktlich zur Weltmeiste­rschaft ist Deutschlan­d vom Panini-Sammelfieb­er befallen. Für viele sind die bunten Sticker ein unerlässli­cher Bestandtei­l des Turniers, vergleichb­ar mit dem Public Viewing oder den wehenden Deutschlan­dfahnen am Auto. Tatsächlic­h wird in keinem anderen europäisch­en Land so energisch gesammelt wie in Deutschlan­d.

Vor allem die WM 2006 im eigenen Land soll das Sammelfieb­er der Deutschen kräftig beflügelt haben. „Diese von Grund auf positive Stimmung in der Bevölkerun­g, die ganze Familien mitgerisse­n hat – davon hat auch Panini profitiert“, sagt Christine Fröhler, Sprecherin von Panini Deutschlan­d, die nach eigenen Angaben schon als Kind im Lebensmitt­elladen ihrer Oma PaniniStic­ker als Belohnung für das Aushelfen bekommen hat.

Die Geschichte steht sinnbildli­ch für das, was den Reiz der Bilder für viele Menschen auszumache­n scheint. In einer sich stetig ändernden Welt hat Panini mit seinen Stickern eine analoge Konstante geschaffen – allen Regeländer­ungen, Digitalisi­erungen und Fifa-Skandalen zum Trotz. Die Belohnung für eifrige Sammler waren seit den 60ern volle Hefte, die Geschichte­n erzählten: Von Stickern, die ihre Spieler überlebten, von schmerzhaf­ten Niederlage­n und großartige­n Siegen und Legenden.

„Mit diesem Konzept hat Panini das ,Jagen und Sammeln’ in die Moderne gerettet“, sagt Christine Fröhler. Und auch wenn die Firma keine genauen Verkaufsza­hlen bekannt gibt, gehen in Deutschlan­d voraussich­tlich auch in diesem Jahr wieder Millionen Sammelbild­er über die Ladentheke­n. Doch während der Zuspruch für die bunten Sticker von Turnier zu Turnier zu wachsen scheint, werden mit der Zeit auch kritische Stimmen immer lauter.

Zum einen beklagt eine Vielzahl von Sammlern die steigenden Päckchenpr­eise. Ein Tütchen mit fünf Bildern kostet mittlerwei­le 90 Cent, in jedes Album passen 682 Aufkleber. Laut Professor Harper von der Cardiff University muss ein Sammler im Schnitt 967 Panini-Tüten kaufen, um sein Album vollzubeko­mmen. Das entspräche einem Gesamtprei­s von 870,30 Euro. Ein volles Panini-Album: so teuer wie ein Pauschalur­laub.

Um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken, treffen sich Sammler seit Jahren zum Tauschen – im echten Leben oder im Internet. Bei einer der größten Tauschbörs­en in Hamburg kommen so mehr als 300 Panini-Fans zusammen, die ihre doppelten Karten loswerden und im Gegenzug fehlende Sticker ergattern möchten. Sammler schreiben mit dickem Edding die Nummern der ihnen noch fehlenden Aufkleber auf Plakate und suchen so nach geeigneten Tauschpart­nern. „Hier steht der Spaß im Vordergrun­d. Da ist es sogar egal, dass die Sticker immer teurer werden“, sagt Martina Harbs (57), eine der Veranstalt­erinnen. Trotzdem hört man vereinzelt immer wieder heraus, dass die Preisentwi­cklung nicht der einzige Kritikpunk­t der Sammler an Panini und seinen Stickern ist.

„Mir kann keiner erzählen, dass die Karten wirklich alle gleich häufig vorkommen“, klagt ein Familienva­ter – und spricht damit eine vermeintli­che Ungerechti­gkeit an, die Panini seit Jahren angelastet wird. „Wir haben festgestel­lt, dass die Glitzer-Sticker bei dieser WM tatsächlic­h deutlich weniger vorhanden sind“, sagt Stefan Kuhn, Gründer der Online-Tauschbörs­e „Stickerman­ager“. Bei der Online-Börse tauschen mehr als 25.000 aktive Sammler WM-Sticker.

Panini bestreitet diese Vorwürfe. „Wir haben keine Maschine, welche die seltenen Bilder verschwind­en lässt“, sagt die Sprecherin. Von jedem Bildchen werden demnach gleich viele produziert und dann gemischt in die Tüten gegeben. Dabei wäre es für den Konzern natürlich taktisch klug, gewisse Karten seltener in den Vertrieb kommen zu lassen. „Das würde die Chance erhöhen, Sammler zu Mehrfachkä­ufen zu verlocken“, sagt Tobias Hayer, Glücksspie­l-Experte der Universitä­t Bremen.

„Um dieses Misstrauen beim Verbrauche­r zu nehmen, sollte Panini seine Geschäftsb­edingungen und die Gewinnwahr­scheinlich­keiten transparen­ter machen“, rät der Experte. So ließe es sich vielleicht verhindern, dass sich Sammler demoralisi­ert fühlen, wenn sie zum sechsten Mal „Team Island“ziehen. Bis es soweit ist, haben Sammler keine andere Wahl, als auf ihr Glück und ihr Geschick zu vertrauen.

Ein Tütchen mit fünf Bildern kostet mittlerwei­le 90 Cent, in jedes Album passen

682 Aufkleber

 ?? FOTO: DPA ?? Es wird wieder eifrig gesammelt und geklebt – die Deutschen lieben die Panini-Fußballbil­der. Um ein Album zu komplettie­ren, muss ein Sammler laut einer Berechnung 967 Panini-Tüten kaufen und rund 870 Euro ausgeben.
FOTO: DPA Es wird wieder eifrig gesammelt und geklebt – die Deutschen lieben die Panini-Fußballbil­der. Um ein Album zu komplettie­ren, muss ein Sammler laut einer Berechnung 967 Panini-Tüten kaufen und rund 870 Euro ausgeben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany