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Fans im Panini-Fieber
Eine Weltmeisterschaft ohne Panini-Sticker? Kaum vorstellbar, zumindest für viele deutsche Fans. Seit Jahrzehnten gehören die bunten Bilder dazu – und das trotz steigender Päckchenpreise und einschlägiger Verschwörungstheorien.
HAMBURG (dpa) Die kribbelnde Ungewissheit, der Reiz des Seltenen, die Euphorie der Vollständigkeit: Pünktlich zur Weltmeisterschaft ist Deutschland vom Panini-Sammelfieber befallen. Für viele sind die bunten Sticker ein unerlässlicher Bestandteil des Turniers, vergleichbar mit dem Public Viewing oder den wehenden Deutschlandfahnen am Auto. Tatsächlich wird in keinem anderen europäischen Land so energisch gesammelt wie in Deutschland.
Vor allem die WM 2006 im eigenen Land soll das Sammelfieber der Deutschen kräftig beflügelt haben. „Diese von Grund auf positive Stimmung in der Bevölkerung, die ganze Familien mitgerissen hat – davon hat auch Panini profitiert“, sagt Christine Fröhler, Sprecherin von Panini Deutschland, die nach eigenen Angaben schon als Kind im Lebensmittelladen ihrer Oma PaniniSticker als Belohnung für das Aushelfen bekommen hat.
Die Geschichte steht sinnbildlich für das, was den Reiz der Bilder für viele Menschen auszumachen scheint. In einer sich stetig ändernden Welt hat Panini mit seinen Stickern eine analoge Konstante geschaffen – allen Regeländerungen, Digitalisierungen und Fifa-Skandalen zum Trotz. Die Belohnung für eifrige Sammler waren seit den 60ern volle Hefte, die Geschichten erzählten: Von Stickern, die ihre Spieler überlebten, von schmerzhaften Niederlagen und großartigen Siegen und Legenden.
„Mit diesem Konzept hat Panini das ,Jagen und Sammeln’ in die Moderne gerettet“, sagt Christine Fröhler. Und auch wenn die Firma keine genauen Verkaufszahlen bekannt gibt, gehen in Deutschland voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder Millionen Sammelbilder über die Ladentheken. Doch während der Zuspruch für die bunten Sticker von Turnier zu Turnier zu wachsen scheint, werden mit der Zeit auch kritische Stimmen immer lauter.
Zum einen beklagt eine Vielzahl von Sammlern die steigenden Päckchenpreise. Ein Tütchen mit fünf Bildern kostet mittlerweile 90 Cent, in jedes Album passen 682 Aufkleber. Laut Professor Harper von der Cardiff University muss ein Sammler im Schnitt 967 Panini-Tüten kaufen, um sein Album vollzubekommen. Das entspräche einem Gesamtpreis von 870,30 Euro. Ein volles Panini-Album: so teuer wie ein Pauschalurlaub.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, treffen sich Sammler seit Jahren zum Tauschen – im echten Leben oder im Internet. Bei einer der größten Tauschbörsen in Hamburg kommen so mehr als 300 Panini-Fans zusammen, die ihre doppelten Karten loswerden und im Gegenzug fehlende Sticker ergattern möchten. Sammler schreiben mit dickem Edding die Nummern der ihnen noch fehlenden Aufkleber auf Plakate und suchen so nach geeigneten Tauschpartnern. „Hier steht der Spaß im Vordergrund. Da ist es sogar egal, dass die Sticker immer teurer werden“, sagt Martina Harbs (57), eine der Veranstalterinnen. Trotzdem hört man vereinzelt immer wieder heraus, dass die Preisentwicklung nicht der einzige Kritikpunkt der Sammler an Panini und seinen Stickern ist.
„Mir kann keiner erzählen, dass die Karten wirklich alle gleich häufig vorkommen“, klagt ein Familienvater – und spricht damit eine vermeintliche Ungerechtigkeit an, die Panini seit Jahren angelastet wird. „Wir haben festgestellt, dass die Glitzer-Sticker bei dieser WM tatsächlich deutlich weniger vorhanden sind“, sagt Stefan Kuhn, Gründer der Online-Tauschbörse „Stickermanager“. Bei der Online-Börse tauschen mehr als 25.000 aktive Sammler WM-Sticker.
Panini bestreitet diese Vorwürfe. „Wir haben keine Maschine, welche die seltenen Bilder verschwinden lässt“, sagt die Sprecherin. Von jedem Bildchen werden demnach gleich viele produziert und dann gemischt in die Tüten gegeben. Dabei wäre es für den Konzern natürlich taktisch klug, gewisse Karten seltener in den Vertrieb kommen zu lassen. „Das würde die Chance erhöhen, Sammler zu Mehrfachkäufen zu verlocken“, sagt Tobias Hayer, Glücksspiel-Experte der Universität Bremen.
„Um dieses Misstrauen beim Verbraucher zu nehmen, sollte Panini seine Geschäftsbedingungen und die Gewinnwahrscheinlichkeiten transparenter machen“, rät der Experte. So ließe es sich vielleicht verhindern, dass sich Sammler demoralisiert fühlen, wenn sie zum sechsten Mal „Team Island“ziehen. Bis es soweit ist, haben Sammler keine andere Wahl, als auf ihr Glück und ihr Geschick zu vertrauen.
Ein Tütchen mit fünf Bildern kostet mittlerweile 90 Cent, in jedes Album passen
682 Aufkleber