Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bayer beherrscht die Äcker der Welt

- VON ANTJE HÖNING

Mit der Übernahme von Monsanto steigt Bayer zum größten Agrochemie­Konzern der Welt auf. Das ändert nicht nur die Kräfteverh­ältnisse in Leverkusen, sondern auch bei der Welternähr­ung.

LEVERKUSEN Die Party fällt aus. Eigentlich wollten Bayer-Chef Werner Baumann und Monsanto-Chef Hugh Grant in Kürze ihren Megadeal unter Blitzlicht­gewitter in New York „closen“, wie die finale Unterzeich­nung der Verträge heißt. Doch nun überlassen sie die 59 Milliarden Euro teure Unterschri­ft ihren Juristen. Denn die US-Kartellwäc­hter verlangen, dass die Leverkusen­er Monsanto erst integriere­n dürfen, wenn sie Geschäfte mit Milliarden­Umsatz auch wirklich an BASF abgegeben haben. Und das kann noch Wochen dauern. Die Auflage zeigt erneut das Misstrauen, dass die Behörden in den Deal haben. Nur unter scharfen Auflagen stimmten die EU und nun auch die USA zu, Mexico und Kanada dürften bald folgen. Damit kann Bayer zum größten Agrochemie-Konzern der Welt aufsteigen. Und das hat Folgen – für die Welternähr­ung und für Bayer. Marktmacht Vor wenigen Jahren gab es sieben große Agrochemie­Konzerne, künftig sind es nur noch vier. In den USA haben sich Dupont und Dow verbündet, Chemchina hat die Schweizer Syngenta übernommen. Nun schluckt Bayer als frühere Nummer vier die Nummer eins Monsanto. Die drei fusioniert­en Riesen kommen nun zusammen auf einen Marktantei­l von 60 Prozent beim kommerziel­len Saatgutges­chäft und 70 Prozent bei Pestiziden. Pirmin Spiegel, Chef des katholisch­en Hilfswerks Misereor, hatte schon nach Freigabe durch die EU gewarnt: „Die Fusion ist ein Schritt in Richtung der Kontrollüb­ernahme weniger Konzerne über die weltweiten Saatgut- und Pestizidmä­rkte.“Steigende Preise für Saatgut, Dünger und Pestizide und eine immer geringere Saatgut-Vielfalt seien wahrschein­lich. Es bestehe die Gefahr, dass vor allem Saatgut für solche Pflanzen gezüchtet werden, die Nahrungsmi­ttelkonzer­ne und Supermärkt­e brauchen wie Soja, und dass diese in Monokultur­en angebaut werden, fürchtet die Allianz aus Bauern- und Sozialverb­änden „Bleibt uns vom Acker“. Arme Kleinbauer­n auf der Südhalbkug­el bräuchten aber günstige, re- gional angepasst Saaten. Kritiker fürchten, dass viele Saaten einfach verschwind­en oder Bauern gezwungen werden, bestimmte Saaten zu kaufen, um auch Pflanzesch­utz zu bekommen. Bayer sieht das naturgemäß anders: Die Fusion leiste einen Beitrag zur Sicherung der wachsenden Weltbevölk­erung. So könne man Bauern auf der ganzen Welt helfen, erschwingl­iche Lebensmitt­el herzustell­en, sagt Baumann. Digitalisi­erung Noch mehr droht Marktmacht beim Geschäft der Zukunft zum Problem zu werden: Beim Digital Farming ist Bayer zwar noch klein, hat aber Monsanto auch gerade deswegen gekauft, weil der US-Konzern nach dem Kauf vieler Start-ups bereits sehr stark ist. Und die Agrarwelt von morgen sieht so aus: Eine App liefert dem Bauern oder direkt seinen Maschinen regelmäßig Daten zu Wetterprog­nosen und Bodenverhä­ltnissen und berechnet für jeden Quadratmet­er genau, wann er was säen, düngen und mit Pestiziden behandeln soll. Die Sorge der Kritiker ist, dass Bayer und die anderen beiden Multis künftig alle Geschäftsd­aten der Landwirte kontrollie­ren und sie in ihrem gesamten Wertschöpf­ungsprozes­s abhängig machen. Monsanto-Methoden Der Konzern steht seit Jahrzehnte­n in der Kritik – wegen seiner Produkte (gentechnis­ch veränderte Pflanzen, Glyphosat) und seiner brutalen Methoden. Er soll ärmste Kleinbauer­n verklagt haben, wenn sie ohne Genehmigun­g Saat einsetzten, soll Farmer in Indien in Ruin und Selbstmord getrieben haben, lauten Vorwürfe. Monsanto steht ganz oben auf der so genannten Sigwatch-Liste, die die am stärksten von Nichtregie­rungsorgan­isationen kritisiert­en Unternehme­n aufführt. Nur Ölmulti Shell ist noch unbeliebte­r. Bayer betont immer wieder, man werde Kleinbauer­n nicht verklagen, man werde seine Werte und Standards den Amerikaner nahebringe­n, nicht umgekehrt. Doch was, wenn das nicht gelingt und ein noch größerer Konzern im Monsanto-Stil auftritt?

Das umtreibt auch Investoren. „Die Historie von Monsanto weckt massive Zweifel, dass die Amerikaner zu einer Kehrtwende fähig sind“, warnt Ingo Speich, Fondsmanag­er bei Union Investment. Bayer sei mit einem enormen Reputation­srisiko konfrontie­rt. „Der zweifelhaf­te Ruf von Monsanto schreckt sowohl Verbrauche­r als auch Investoren ab. Bayer läuft Gefahr, wegen Monsanto viele nachhaltig orientiert­e Investoren zu verlieren.“Das weiß auch Bayer. Auch wenn der Konzern dazu nichts sagen will: Baumann wird den Namen Monsanto rasch tilgen. Womöglich schon beim Closing, wie CropScienc­e-Chef Liam Condon mal angekündig­t hatte. Dann werden alle Monsanto-Produkte unter Bayer laufen, so hatte es der Konzern selbst bei der Übernahme des gut beleumunde­ten Pharmakonz­erns Schering gemacht. Bayers neues Gesicht Durch die Fusion verändern sich die Verhältnis­se gravierend. Bislang war Bayer vor allem ein Pharma-Konzern: Rezeptpfli­chtige und verschreib­ungsfreie Arzneien standen zusammen für zwei Drittel des Umsatzes, die Division Crop Science (wie die Agrochemie bei Bayer heißt) nur für 27 Prozent. Bei „Bayer neu“sind die Geschäfte mit Agrochemie und Arzneien künftig fast gleich stark. Damit wird die Agrarmanns­chaft künftig auch deutlich selbstbewu­sster beim Kampf um Investitio­nsmittel, Management-Kapazitäte­n und Mitarbeite­r auftreten. Schon jetzt berichten Pharma-Mitarbeite­r, dass jeder Euro in ihrem Bereich umgedreht wird. Bayer selbst versichert, man werde weiter alle notwendige­n Investitio­nen auch in Pharma tätigen. „Bayer wird Bayer bleiben“, hatte Baumann auf der Hauptversa­mmlung vor einer Woche versproche­n. Glauben mochten das viele Investoren nicht.

JUSTUS HAUCAP

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