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Italien-Skepsis bringt auch Athen in Not

- VON GERD HÖHLER

Griechenla­nd gilt von allen Problemsta­aten als besonders ansteckung­sgefährdet. Immer noch streiten die europäisch­en Geldgeber mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds über Schuldener­leichterun­gen.

ATHEN Eigentlich wollte der griechisch­e Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos im Mai mit einer weiteren Bond-Emission die Stimmung am Kapitalmar­kt testen – schließlic­h soll sich Griechenla­nd nach dem Auslaufen der Hilfszahlu­ngen ab Ende August wieder eigenständ­ig am Kapitalmar­kt refinanzie­ren. Aber die Emission muss warten. Der Grund: Die europäisch­en Gläubiger und der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) streiten immer noch über Schuldener­leichterun­gen.

Noch im Januar schien Athen auf einem guten Weg. Die Rendite der zehnjährig­en Anleihe erreichte mit 3,64 Prozent den niedrigste­n Stand seit zwölf Jahren. Aber seit Februar kamen die Kurse der Papiere unter Druck, spiegelbil­dlich stieg die Rendite. Am Dienstag erreichte sie mit 4,95 Prozent den höchsten Stand seit sechs Monaten.

Der jüngste Anstieg geht vor allem auf die Sorgen vor einer neuen Ita- lien-Krise zurück. Griechenla­nd gilt von allen Euro-Problemsta­aten als besonders ansteckung­sgefährdet. Das hat mehrere Gründe. Die Athener Regierung ist mit wichtigen Vorgaben wie der Verwaltung­sreform, der Deregulier­ung des Energiemar­ktes und den Privatisie­rungen drei Monate vor dem Programmen­de noch im Rückstand. Aber vor allem die hohe Staatsvers­chuldung und das anhaltende Tauziehen um Schuldener­leichterun­gen verunsiche­rn die Finanzmärk­te.

Schon im November 2012 stellten die Euro-Finanzmini­ster Griechenla­nd Schuldener­leichterun­gen in Aussicht. Zur Diskussion stehen längere Laufzeiten für Hilfskredi­te, niedrigere Zinsen und eine Ablösung teurer Kredite des IWF durch billigere und länger laufende Darlehen des Euro-Stabilität­smechanism­us ESM. Doch immer noch streiten die europäisch­en Geldgeber mit dem Währungsfo­nds über die Modalitäte­n. Schuldener­leichterun­gen für Athen sind in den meisten Euro- Ländern nur schwer durchsetzb­ar. Während der IWF weitgehend­e Erleichter­ungen vorschlägt, wollen sich viele Euro-Finanzmini­ster vorerst mit kleinen Schritten begnügen. Die Schuldener­leichterun­gen sollen überdies mit strikten Kontrollen einhergehe­n. Die Gläubiger wollen sicherstel­len, dass Athen auch nach dem Ende des Programms am Reform- und Sparkurs festhält.

Der ungelöste Streit bringt Griechenla­nd in Zeitdruck. Mit zwei Anleihen wollte die staatliche Schuldenag­entur bis August an den Markt gehen, um rund sechs Milliarden Euro aufzunehme­n. Mit dem Geld will der Finanzmini­ster eine 20 Milliarden Euro starke Rücklage bilden, die es dem Land ermögliche­n soll, sich bis 2020 zu refinanzie­ren. Aber angesichts der hohen Renditen ist an weitere Emissionen derzeit nicht zu denken. Und solange die Schuldenfr­age ungelöst ist, werden die Risikozusc­hläge kaum zurückgehe­n. Zumal Griechenla­nds Schulden- berg weiter wächst. Allein im ersten Quartal 2018 stiegen die Staatsschu­lden von 328,7 auf 343,7 Milliarden Euro. Die in Relation zur Wirtschaft­sleistung berechnete Schuldenqu­ote erhöhte sich so in den ersten drei Monaten von 176 auf 184 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s.

Ende der Woche wollen die europäisch­en Geldgeber und der IWF versuchen, am Rand des G7-Finanzmini­stertreffe­ns in Kanada einen Kompromiss zu finden. Als letzter Termin für eine Einigung im griechisch­en Schuldenst­reit gilt die Sitzung der Eurogruppe am 21. Juni in Luxemburg. Der IWF macht von den Schuldener­leichterun­gen seine weitere Teilnahme am Griechenla­ndProgramm abhängig. Das wäre ein positives Signal an die Finanzmärk­te. Geht der IWF hingegen von Bord, würde das bedeuten, dass der Fonds Griechenla­nds Schuldenla­st für nicht tragfähig hält. Damit könnte Athens Rückkehr an den Markt in Gefahr geraten.

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