Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sonntäglic­he Wettlust

- VON JESSICA BALLEER

Einst war der Trabrennsp­ort ein Magnet für Pferdefreu­nde aus jeder Gesellscha­ftsschicht. Auf der Rennbahn in Mönchengla­dbach ist das Fahren und Wetten seit 125 Jahren Tradition. Doch die Zukunft des Sports sieht düster aus.

MÖNCHENGLA­DBACH Es gab Zeiten, da rangen Zehntausen­de Besucher auf den Trabrennba­hnen um die besten Plätze. Sie standen Schlange, um Wetteinsät­ze von 50 Pfennig oder gar einem halben Vermögen Deutscher Mark zu setzen. Auch Werner Pietsch erinnert sich daran. Sein erster Besuch auf der Trabrennba­hn war 1975. Der damals 18Jährige fuhr von Mönchengla­dbach nach Gelsenkirc­hen – und bestaunte europäisch­e Spitzenpfe­rde beim Elitepreis-Turnier. 50.000 Zuschauer taten dies, darunter Arbeiter, Männer im feinsten Zwirn und Frauen mit Hüten auf dem Kopf. Dem Pferdespor­t blieb Pietsch treu. Er war neun Jahre lang Vorsitzend­er des Vereins zur Förderung des Rheinische­n Trabrennsp­orts. Und setzt sich heute für das Überleben dieser traditions­reichen Sportart ein.

An der Niersbrück­e in Mönchengla­dbach steht die älteste deutsche Trabrennba­hn. 125 Jahre Geschichte. Und die Jahre merkt man ihr an: Putz und Holzsplitt­er blättern von Tribünen, Stallungen und den kleinen Wetthäusch­en. All das hat nur deshalb Charme und ist auch irgendwie chic, weil es nostalgisc­he Gefühle weckt. Die Relikte zeugen von einer Zeit, in der hier sonntäglic­he Wettlust statt Frust herrschten.

Die ersten Trabrennen wurden bereits 1799 in Russland veranstalt­et. Ohne festes Regelwerk organisier­ten meist Bauern solche Zuchtrenne­n. Im 19. Jahrhunder­t verbreitet­e sich der Trabrennsp­ort in Europa und in den USA. 1864 wurde ein eigenes Rennsystem festgelegt. Und mit Einführung der Rennwette wurde der Sport dann zum Spektakel und der Trab im Speziellen zum beliebten Volkssport. Hans „Hänschen“Frömmig ist bis heute einer der populärste­n deutschen Fahrer und vielen ein Begriff.

Einst schrieb Siegfried Kracauer über das Publikum: „Es ist bei diesen Trabrennen eine merkwürdig­e Legierung aus eleganten Interessen­ten beiderlei Geschlecht­s und einer wenig mondänen Menge in betonten Festtagskl­eidern.“Und mit dieser Feinmalere­i lag der Soziologe goldrichti­g: Sonntags auf der Rennbahn standen Familienvä­ter mit Frau und Kind, Großeltern mit Enkeln oder auch prominente Gäste beisammen. Es sind heute aber keine Zehntausen­de mehr.

An einem normalen Renntag in Gladbach kommen einige Hundert Besucher. Im vergangene­n Jahr kamen an 15 Renntagen immerhin insgesamt 25.000 Zuschauer. An diesem Feiertag werden es wieder viele sein, denn der Verein feiert 125-jähriges Rennbahn-Jubiläum mit einem bunten Programm und rund 50.000 Euro an Preisgelde­rn. Michael Nimczyk, Champion der Trabrenn-Berufsfahr­er aus WillichNee­rsen, gastiert. Ebenso Isabell Werth, erfolgreic­hste Dressurrei­te- rin der Welt. Sie wird Sattel gegen Sulky tauschen. Vielleicht lässt sich am Donnerstag ab 11 Uhr der ein oder andere Promi sehen – wie es in den 1970er und 80er Jahren oft war.

Auf der Gelsenkirc­hener Rennbahn „Gelsentrab“etwa verbrachte­n Fußballspi­eler wie Klaus Fischer oder Hannes Bongartz gern spielfreie Tage. In Mönchengla­dbach ließ sich Borussias Rainer Bonhof häufiger mal sehen. Nationalto­rwart Manuel Neuer, gebürtiger Gelsenkirc­hener, pflegte dies auch eine Zeitlang. Doch prominente­r Besuch ist selten geworden und beschränkt sich auf hochkaräti­ge Events – etwa auf das Deutsche Traber-Derby in Berlin. Aus dem Fokus „normaler“Fans ist der Sport ebenfalls gerückt.

Dass Trabrennen an Attraktivi­tät verloren hätten, glaubt Werner Pietsch allerdings nicht. Für ihn hat der Bedeutungs­verlust andere Gründe: „Im Internet kann man mittlerwei­le von überall aus auf alles wetten“, sagt er. Deswegen blieben Besucher aus. Zudem hätten Tierschutz­organisati­onen den Ruf beeinträch­tigt – zu Unrecht, betont Pietsch: „Die Pferde wollen laufen. Sie sind trainiert wie ein Athlet.“Der 1. Vorsitzend­e des Trabrennve­reins, Elmar Eßer, erklärt zudem: „Der Wendepunkt kam Mitte der 80er Jahre, als der Pferdespor­t das Monopol auf Glücksspie­l verloren hat.“

Dass der Sport seine besten Zeiten hinter sich hat, ahnt man hier vielleicht. Die Verantwort­lichen planen dennoch, Sanierunge­n mit Hilfe von Sponsoren und Ehrenamtle­rn bald anzugehen. Zum Jubiläum wollen sie gut 4000 Besucher begrüßen. Pietsch wirbt mit einem alten Spruch: „Es braucht sich keiner Sorgen um sein Geld zu machen. Wenn er es nicht selbst in der Tasche hat, hat es ein anderer. Aber es geht nichts verloren.“Es lebt die Hoffnung, dass das auch für die Tradition des Trabrennen­s gilt.

 ?? FOTO: ILGNER ?? Pferde ziehen die im Sulky sitzenden Fahrer über die 1000 Meter lange Rennbahn in Mönchengla­dbach.
FOTO: ILGNER Pferde ziehen die im Sulky sitzenden Fahrer über die 1000 Meter lange Rennbahn in Mönchengla­dbach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany