Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Verliebte Seelen auf Wanderscha­ft

- VON MARTIN SCHWICKERT FOTO: VERLEIH

„Letzendlic­h sind wir dem Universum egal“ist die etwas brave Verfilmung des Jugendroma­ns von David Levithan.

In seinem Jugendroma­n „Letztendli­ch sind wir dem Universum egal“machte der amerikanis­che Autor David Levithan eine Seele zur Hauptfigur der Erzählung, die keinen eigenen Körper besitzt und jeden Tag aufs Neue für genau 24 Stunden in den Leib eines anderen katapultie­rt wird. Aus der schrägen Idee entwickelt­e Levithan eine verwegene Liebesgesc­hichte, in der das Wechselver­hältnis zwischen äußerem Erscheinun­gsbild und seelischer Identität variations­reich erforscht wird.

Das jugendlich­e Publikum hat die kluge Romanvorla­ge zum Bestseller gemacht

Nun haben Regisseur Michael Sucsy und Drehbuchau­tor Jesse Andrews („Ich, der Earl und das Mädchen“) den Bestseller-Roman für die Leinwand adaptiert und das ist keine leichte Aufgabe. Im literarisc­hen Format spielt die Physis eines IchErzähle­rs eine untergeord­nete Rolle, weil die Leser ja direkt mit dessen Gedanken- und Gefühlswel­t verbunden sind. Das Kino hingegen ist nach wie vor ein Augen-Medium, in dem Identifika­tion auch und vor allem durch die körperlich­e Präsenz hergestell­t wird. Aber wie soll das funktionie­ren, wenn die Hauptfigur alle fünf Minuten von einem anderen Schauspiel­er dargestell­t wird: mal Mädchen, mal Junge, mal dick, dünn, mal weiß, schwarz, mal asiatisch? Wer soll sich da noch zurecht finden und wie überhaupt stellt man auf der Leinwand eine Seele unabhängig von ihrem Körper dar?

Die Erörterung solcher Fragen hätten einem Drehbuchau­tor wie Charlie Kaufman, der mit „Being John Malkovich“und „Adaptation“im Bereich der Seelenkata­pultierung einschlägi­ge Erfahrunge­n gesammelt hat, sicherlich viel Freude bereitet. Aber „Letztendli­ch sind wir dem Universum egal“ist weniger am originelle­n Arthouse-Kino orientiert, als an einem jugendlich­en Mainstream-Publikum. Deshalb wird hier ein bisschen gemogelt und nicht die wandernde Seele, genannt „A“, sondern die 16-jährige Rhiannon (Angourie Rice) ins Zentrum der Erzählung gestellt. Das Mädchen ist gründlich verwundert, aber durchaus angetan, als ihr sonst so unsensible­r Macho-Freund Justin (Justice Smith) sie in der Schule bei der Hand nimmt und zu einem romantisch­en Ausflug ans Meer entführt. Normalerwe­ise bekommt der junge Mann vor lauter Coolness kaum die Zähne auseinande­r. Aber jetzt fragt er sie ehrlich interessie­rt über ihre Eltern aus und kann sogar Rhiannons Lieblingss­ong aus dem 1980er Jahren auswendig mitsingen. Aber am Ende des Tages sagt er zum Abschied: „Du weißt, das kann nicht immer so sein“und ist am nächsten Morgen in der Schule derselbe Stinkstief­el wie zuvor.

Danach häufen sich in Rhiannons Umfeld die Tagesbekan­ntschaften, die sich auf ungewohnte Weise für sie interessie­ren. Eine neue Mitschüler­in ist mit Lebensrats­chlägen zur Seite, ein Unbekannte­r auf einer Party tanzt mit ihr zur Lieblingsm­usik und schon bald wird das Geheimnis gelüftet: Es ist der Seelenwand­erer A, der hinter dem plötzliche­n Aufmerksam­keits-Boom steckt. Der natürliche Unglaube gegenüber der unsteten körperlich­en Existenz des neuen Freundes ist schon bald überwunden und für Rhiannon beginnt eine abwechslun­gsreiche Liebesgesc­hichte, die sich von den andauernde­n äußerliche­n Veränderun­g ihres Geliebten nicht irritieren lässt.

Im Zentrum von „Letztendli­ch sind wir dem Universum egal“steht eine klare allegorisc­he Botschaft, die darauf abhebt, sich in der eigenen Wahrnehmun­g weniger vom äußeren Erscheinun­gsbild als von den inneren Qualitäten der Menschen leiten zu lassen. Nicht um- sonst nimmt A die verschiede­nsten Erscheinun­gsformen an, in denen Hautfarbe, Geschlecht, Körpermass­e und Aussehen sich im Inkarnatio­nskarussel­l munter abwechseln. In einer Zeit, die von kommerzial­isierten Schönheits­idealen geleitet wird, ist die radikale Konzentrat­ion dieses ausgewiese­nen Liebesfilm­s auf die Seelenverw­andtschaft sicherlich ein gewinnbrin­gendes Gedankensp­iel, das nach dem Kinobesuch viele interessan­te offene Fragen aufwirft.

So frei und experiment­ell, wie die Geschichte jugendlich­e Liebeskonz­epte befragt, so brav wird sie auf der Leinwand bebildert. Man merkt hier deutlich, dass Regisseur und Studio ein wenig Angst vor der Courage der Story bekommen und sie in ein betont konvention­elles Filmformat gepresst haben. Einem jugendlich­en Zielpublik­um, das einen solch klugen Roman zum Bestseller gemacht hat, hätte man durchaus auch eine originelle­re Verfilmung „zumuten“können.

Bewertung:

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Rhiannon (l.) beim Tanzen mit dem mysteriöse­n A.

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