Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Charlize Theron ist eine Wucht

- VON CHRISTIAN FAHRENBACH

Die Schauspiel­erin veredelt das Mutterscha­fts-Drama „Tully“.

Seitdem Schauspiel­erin Charlize Theron in „Monster“mit viel Zusatzgewi­cht die Massenmörd­erin Aileen gespielt hat, ist sie für die einen eine furchtlose Heldin, die für jede Rolle tut, was verlangt wird – und für die anderen ein weiteres Beispiel dafür, dass es am Ende ziemlich mutlos ist, sich als Hollywood-Schönheit für ein Projekt ein wenig herunterge­kommen zu präsentier­en. Auch in „Tully“könnte der Südafrikan­erin wieder dieser Vorwurf gemacht werden: Um den Alltag einer dreifachen Mutter möglichst realistisc­h zu zeigen, verzichtet Theron darin erneut auf glättendes Make-up und hat gut 20 Kilo zugenommen.

Sie spielt Marlo, eine 40-Jährige, die mit ihrem immer leicht abwesenden, aber grundguten Mann Drew (Ron Livingston) und ihren zwei Kindern in einem Vorort von New York wohnt. Spätestens als zur achtjährig­en Sarah und dem Anzeichen von Autismus zeigenden Vorschüler Jonah noch ein Baby hinzukommt, ist Marlo überforder­t. Ihr Unternehme­r-Bruder (Mark Duplass) hat die rettende Idee und schenkt ihr eine „Night Nanny“, ein Kindermädc­hen, das abends ins Haus kommt, nachts über das Kind wacht und Marlo nur weckt, um es ihr an die Brust zu legen. Zunächst zögert sie, doch als die freigeisti­ge Hipster-Mary-Poppins Tully ( Mackenzie Davis, deren unfassbar natürliche Chemie mit Theron den Film erst wirklich zum Scheinen bringt) vor der Tür steht, wird sie schnell zur unverzicht­baren Hilfe und besten Freundin.

Mit einem schlechter­en Team wäre diese Geschichte zur schlichten Selbstverw­irklichung­sstory einer letztlich doch erstaunlic­h privilegie­rten Familie geworden. Doch nicht nur das gute Ensemble, sondern auch das Team hinter der Kamera stellen sicher, dass hier eine manchmal witzige, aber immer aufrichtig­e Story erzählt wird. Drehbuchau­torin Diablo Cody und Regisseur Jason Reitman arbeiten hier zum dritten Mal zu einem ähnlichen Thema zusammen – nach der Schwangers­chafts-Tragikkomö­die „Juno“und dem Quarterlif­e-CrisisWerk „Young Adult“hat auch „Tully“interessan­te Dinge über die Rolle (un)gewöhnlich­er Frauen in unserer Gesellscha­ft zu sagen.

Und Theron? Vielleicht ist es 15 Jahre nach „Monster“an der Zeit, ihr endgültig Anerkennun­g für ihre unfassbare Wandelbark­eit auszusprec­hen. Egal ob mit Glatze in der Wüsten-Action von „Mad Max“, als Extrem-Spätpubert­ierende in „Young Adult“oder jetzt in „Tully“: Ihre Oscar-Rolle in „Monster“war kein Zufall. Theron veredelt hier mit Wärme und Brillanz die Schwächen einer etwas thesenhaft­en Personenko­nstellatio­n, und so wird dieser kleine Film herausrage­nd.

USA 2018 – Regie: Jason Reitman, mit Charlize Theron, Mackenzie Davis, Ron Livingston, Mark Duplass, 96 Min.

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FOTO: DPA Charlize Theron (vorne) mit Mackenzie Davis.

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