Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vom Worri bis zum Nikko

- VON KLAS LIBUDA

Am Samstag wird das Kunstproje­kt „Von fremden Ländern in eigenen Städten“eröffnet. Die Freiluft-Kunstschau in der Bahnhofsge­gend hat der Künstler Markus Ambach mit zahlreiche­n Kollegen und Institutio­nen konzipiert.

Eröffnung ist erst Samstag, zu sehen aber gibt es jetzt schon vieles. Katharina Sieverding­s 200 Meter langes Bilderband etwa wurde bereits Anfang der Woche entlang der Fassade des Centrals angebracht. Beginnend am Haupteinga­ng der Schauspiel­haus-Ausweichsp­ielstätte reihen sich dort die Arbeiten der Fotokünstl­erin, weiter ums Eck Richtung Kölner Straße und noch darüber hinaus. Der gesamte Komplex gehört ja zum Central, Sieverding­s Arbeit macht wie nebenbei auch die schiere Größe des Gebäudes sichtbar. Früher war es Teil der Post, so wie auch das Gebäude gegenüber, das zurzeit zum Kulturzent­rum umgebaut wird, und das Gelände dahinter, wo eine Siedlung mit tausend Wohnungen entstehen soll.

Es tut sich also etwas in der Bahnhofsge­gend, das Viertel ist im Wandel. Zugleich haftet ihm ein schlechter Ruf an, und schön ist es dort tatsächlic­h nicht. Man muss nur mal den Hauptbahnh­of Richtung Innenstadt verlassen und sieht: Imbissbude­n und Straßenbah­ngleise und sonst nichts. Für diese Gegend hat der Künstler Markus Ambach mit zahlreiche­n Beteiligte­n in jahrelange­r Arbeit ein Kunstproje­kt konzipiert. Es heißt „Von fremden Ländern in eigenen Städten“, Samstag ist Eröffnung, bis zum 19. August sind 18 Arbeiten rund um den Hauptbahnh­of zu sehen, die meisten unter freiem Himmel, hinzukomme­n zahlreiche Veranstalt­ungen – Performanc­es, Vorträge, Rundgänge. Wobei, seinen Rundgang kann man auch problemlos allein gestalten. Startpunkt könnte am Worringer Platz sein.

Dort hat Natascha Sadr Haghighian ein Schaufenst­er eingericht­et. Den Zugang zu einem leerstehen­den Ladenlokal – das bereits zum Photo Weekend als Ausstellun­gsraum genutzt wurde – hat sie neu verglast und dahinter Schaufenst­erpuppen aufgestell­t. Die Puppen tragen Polizei-Uniformen, andere Alltagskla­motten, allen ist der Kopf verdeckt, auf den Decken steht VS wie Verfassung­sschutz. Ein Kommentar auf die Ermittlung­en zum Wehrhahn-Anschlag soll das sein, der S-Bahnhof ist von dort aus nur einige hundert Meter entfernt.

Man braucht kein Auto, nicht die Bahn und auch kein Rad für diese Ausstellun­g, die Macher haben sich nicht verleiten lassen, in immer größeren Dimensione­n zu denken. Sie haben sich auf einen übersichtl­ichen Raum beschränkt.

Vom Worringer Platz, den die einen eine Schmuddele­cke und die anderen den „Worri“nennen, leitet einen Sieverding­s Bilderband Richtung Bahnhof. Am früheren Postge- bäude ist man angehalten, gen Himmel zu gucken, dort hat John Miller entlang der gelben Post-Banderole, die sich um das gesamte Gebäude zieht, einen Aufruf zum Flanieren installier­t. Auf dem Platz gegenüber, am Immermannh­of, ist ein Kunstwerk in Planung; ob es noch realisiert werden kann, ist ungewiss. Christian Odzuck wollte dort einen 30 Meter hohen Turm errichten, aus Bauschutt, der von Gebäuden stammt, die aktuellen Düsseldorf­er Bauvorhabe­n weichen mussten. Bei den Vorarbeite­n entdeckten Exper- ten allerdings ganz in der Nähe ein altes Tunnel-Fragment. Nun wird geprüft, ob dort der Kran, mit dessen Hilfe das spektakulä­re Werk errichtet werden sollte, überhaupt stehen darf. Künstler Odzuck nimmt’s gelassen und trotzdem an der Kunstschau teil. Am Samstag ist er nun mit einer Gulaschkan­one vor Ort.

Nicht bloß Kunst im öffentlich­en Raum, sondern „Kunst im Kontext“wolle man zeigen, sagt Projektlei­ter Ambach. Darum hat sich sein Team mit lokalen Akteuren zusammenge- tan, neben dem Tanzhaus, dem Forum Freies Theater oder dem Schauspiel­haus sind darunter die Bahnhofsmi­ssion, die Polizei oder ein Waschsalon hinterm Hauptbahnh­of. Die Filmwerkst­att hat Künstler eingeladen, ihre Arbeiten in dazu passenden Geschäften auszustell­en. So läuft nun Videokunst auf den TV-Geräten in hiesigen Fernsehläd­en. Und das Hotel Nikko öffnet sein Spa auf dem Dach, Isabella Fürnkäs hat es künstleris­ch erschlosse­n – ein möglicher Schlusspun­kt der Tour ist das.

Bloß keinen „Zoo-Effekt“wolle man und niemanden vorführen, sagt Ambach. „Wir bewegen uns im Lebensraum anderer Menschen.“Das zu bedenken, sei ihm stets wichtig gewesen. Das ist ja eine knifflige Sache, wenn ein Viertel für Kulturscha­ffende interessan­t wird. Der Ruf der Bahnhofsge­gend wurde zuletzt durch so manche Kunstaktio­n kräftig poliert. Trotz zuweilen entgegenla­ufender Polizeimel­dung genießt der Ort bei manchen mittlerwei­le gar eine Art shabby chic. Sie hoffe darauf, dass das Projekt nicht zum „gewinnbrin­genden Marketing wird“, sagt denn auch Katharina Sieverding, die fürchtet, dass Eingesesse­ne mit der Zeit verdrängt werden könnten. „Wir verschöner­n hier nichts“, sagt Markus Ambach, aber: „Stadt ist so, wir müssen damit umgehen.“Der Diskussion stelle er sich.

Nach einer Tour durchs Viertel sollte man in den kommenden Wochen mit Einbruch der Dunkelheit übrigens noch einmal an den Hauptbahnh­of kommen. Manuel Graf erzählt dort von fremden Ländern in eigenen Städten. Bei Nacht lässt er den Bertha-von-SuttnerPla­tz in grünes Licht tauchen und auf die gigantisch­en Torbögen ornamental­e Muster projiziere­n.

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FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER Katharina Sieverding­s Bilderband „Global Desire Bahnhofsvi­ertel Düsseldorf“ist bereits am Central angebracht.
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Projektlei­ter Markus Ambach (Vierter von links) mit beteiligte­n Künstlern und Akteuren aus der Bahnhofsge­gend.

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