Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Zeit für die glorreichen Sechs
Donald Trump sprengt via Twitter die Abschlussvereinbarung des G7-Gipfels, weil er sich über Kanadas Ministerpräsidenten Justin Trudeau geärgert hat. Dieser wagte, im Handelsstreit auch nur mit halber Münze zurückzuzahlen, was sich der US-Präsident so leistet. Der 71Jährige hat es immer noch nicht verstanden, dass er kein Wirtschaftsboss mehr ist, der heuern und feuern kann, sondern US-Präsident, der globale Verantwortung tragen muss.
Die Zeit ist reif für eine neue Koalition der Willigen. Für Frieden, Vernunft, Partnerschaft. Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und Kanada wären die glorreichen Sechs, wenn sie gegen Trumps Polarisierung ankämpfen und das Wertebündnis zusammenhalten würden. Es mag auf Dauer langweilen, aber Europa ist zu neuer Stärke aufgerufen – bei allen Problemen, die jetzt auf die EU durch die neue RechtsLinks-Regierung in Italien und den Austritt Großbritanniens zukommen. Ein überhastetes Ende von G7 sollte Trumps Wut-Tweet jedenfalls nicht nach sich ziehen. Denn erstens ist Trump nicht mit den großartigen Vereinigten Staaten von Amerika gleichzusetzen. Und zweitens twittert der Ping-Pong-Präsident morgen vielleicht wieder, Trudeau mache einen „guten Job“. BERICHT G7-GIPFEL: TRUMP GEGEN ALLE, TITELSEITE
Daimlers Hochmut
Hochmut kommt vor dem Fall. Diese alte Erfahrung könnte nun auch Daimler-Chef Dieter Zetsche machen. Was hatte er sich über den Konkurrenten Volkswagen erhoben, als der Diesel-Skandal ins Rollen kam. Pfuschen, aber doch nicht in Stuttgart! Nun steht Daimler selbst im Kreuzfeuer der Kritik. Das Kraftfahrtbundesamt, bislang nicht wegen überbordenden Aufklärungseifers bekannt, prüft offenbar, ob Daimler bei bis zu einer Million Diesel Schummel-Software eingesetzt hat.
Und während Konzerne und Behörden weiter um die Frage ringen, welche Abschalt-Einrichtungen illegal sind und welche Nachrüstung die Industrie bezahlen muss, schaffen die Verbraucher Fakten. Aus Sorge vor drohenden Fahrverboten verzichten viele Neuwagen-Käufer auf einen Diesel. Was der Staat Jahre lang nicht geschafft hat, weil er sich mit der mächtigen Autoindustrie nicht anlegen wollte, schaffen nun die Konsumenten: Sie zwingen Daimler und Co., saubere Diesel oder gleich die Autos von morgen zu bauen. Das ist Marktwirtschaft – und sie wird Zetsche Demut lehren. BERICHT
Ein bisschen Frieden
Die Linke hat ihren Frieden von Leipzig. Doch die Genossen sollten sich nichts vormachen: Es ist bestenfalls ein bisschen Frieden. Für die zum dritten Mal wiedergewählten Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger bedeutet der Bundesparteitag zwar Bestätigung, wenn auch mit bröckelnder Rückendeckung. Doch Oskar Lafontaine, 2007 noch umjubelter Gründungsvorsitzender der damals gesamtdeutsch vereinten Partei Die Linke, und Sahra Wagenknecht, heute Co-Fraktionschefin im Bundestag, werden ihre Idee einer linken Sammlungsbewegung weiter verfolgen.
Die Linke kann nicht daran vorbeisehen, dass auch sie zuletzt einen Teil ihrer klassischen Klientel an die AfD verloren hat. Wagenknecht und Lafontaine haben darauf reagiert: mit in der Partei umstrittenen Thesen zur Flüchtlingspolitik. So bleibt die Linke die Linke – zwei, vermutlich sogar drei Parteien in einer. Im Osten Volks- und Funktionärspartei, im Westen Plattform für harte Ideologen. Und dann sind da noch die Reformer, die die Linke programmatisch gerne weiter entwickeln würden für ein Bündnis mit SPD und Grünen. BERICHT