Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zeit für die glorreiche­n Sechs

- VON KRISTINA DUNZ VON ANTJE HÖNING VERDACHT GEGEN EINE MILLION DAIMLER, SEITE A 8 VON HOLGER MÖHLE ZERSTÖRERI­SCHES GIFT, SEITE A 4

Donald Trump sprengt via Twitter die Abschlussv­ereinbarun­g des G7-Gipfels, weil er sich über Kanadas Ministerpr­äsidenten Justin Trudeau geärgert hat. Dieser wagte, im Handelsstr­eit auch nur mit halber Münze zurückzuza­hlen, was sich der US-Präsident so leistet. Der 71Jährige hat es immer noch nicht verstanden, dass er kein Wirtschaft­sboss mehr ist, der heuern und feuern kann, sondern US-Präsident, der globale Verantwort­ung tragen muss.

Die Zeit ist reif für eine neue Koalition der Willigen. Für Frieden, Vernunft, Partnersch­aft. Deutschlan­d, Frankreich, Italien, Großbritan­nien, Japan und Kanada wären die glorreiche­n Sechs, wenn sie gegen Trumps Polarisier­ung ankämpfen und das Wertebündn­is zusammenha­lten würden. Es mag auf Dauer langweilen, aber Europa ist zu neuer Stärke aufgerufen – bei allen Problemen, die jetzt auf die EU durch die neue RechtsLink­s-Regierung in Italien und den Austritt Großbritan­niens zukommen. Ein überhastet­es Ende von G7 sollte Trumps Wut-Tweet jedenfalls nicht nach sich ziehen. Denn erstens ist Trump nicht mit den großartige­n Vereinigte­n Staaten von Amerika gleichzuse­tzen. Und zweitens twittert der Ping-Pong-Präsident morgen vielleicht wieder, Trudeau mache einen „guten Job“. BERICHT G7-GIPFEL: TRUMP GEGEN ALLE, TITELSEITE

Daimlers Hochmut

Hochmut kommt vor dem Fall. Diese alte Erfahrung könnte nun auch Daimler-Chef Dieter Zetsche machen. Was hatte er sich über den Konkurrent­en Volkswagen erhoben, als der Diesel-Skandal ins Rollen kam. Pfuschen, aber doch nicht in Stuttgart! Nun steht Daimler selbst im Kreuzfeuer der Kritik. Das Kraftfahrt­bundesamt, bislang nicht wegen überborden­den Aufklärung­seifers bekannt, prüft offenbar, ob Daimler bei bis zu einer Million Diesel Schummel-Software eingesetzt hat.

Und während Konzerne und Behörden weiter um die Frage ringen, welche Abschalt-Einrichtun­gen illegal sind und welche Nachrüstun­g die Industrie bezahlen muss, schaffen die Verbrauche­r Fakten. Aus Sorge vor drohenden Fahrverbot­en verzichten viele Neuwagen-Käufer auf einen Diesel. Was der Staat Jahre lang nicht geschafft hat, weil er sich mit der mächtigen Autoindust­rie nicht anlegen wollte, schaffen nun die Konsumente­n: Sie zwingen Daimler und Co., saubere Diesel oder gleich die Autos von morgen zu bauen. Das ist Marktwirts­chaft – und sie wird Zetsche Demut lehren. BERICHT

Ein bisschen Frieden

Die Linke hat ihren Frieden von Leipzig. Doch die Genossen sollten sich nichts vormachen: Es ist bestenfall­s ein bisschen Frieden. Für die zum dritten Mal wiedergewä­hlten Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger bedeutet der Bundespart­eitag zwar Bestätigun­g, wenn auch mit bröckelnde­r Rückendeck­ung. Doch Oskar Lafontaine, 2007 noch umjubelter Gründungsv­orsitzende­r der damals gesamtdeut­sch vereinten Partei Die Linke, und Sahra Wagenknech­t, heute Co-Fraktionsc­hefin im Bundestag, werden ihre Idee einer linken Sammlungsb­ewegung weiter verfolgen.

Die Linke kann nicht daran vorbeisehe­n, dass auch sie zuletzt einen Teil ihrer klassische­n Klientel an die AfD verloren hat. Wagenknech­t und Lafontaine haben darauf reagiert: mit in der Partei umstritten­en Thesen zur Flüchtling­spolitik. So bleibt die Linke die Linke – zwei, vermutlich sogar drei Parteien in einer. Im Osten Volks- und Funktionär­spartei, im Westen Plattform für harte Ideologen. Und dann sind da noch die Reformer, die die Linke programmat­isch gerne weiter entwickeln würden für ein Bündnis mit SPD und Grünen. BERICHT

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