Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Als Astronaut durch die Hölle der Jugend

- VON RENÉE WIEDER

Die Verfilmung des Jugendbuch-Bestseller­s „Wunder“ist manchmal allzu wohlig inszeniert. Alles in allem aber ein Hit.

Es kommt vor, dass August „Auggie“Pullman vor fremden Menschen steht und seinen blickdicht­en Astronaute­nhelm nicht tragen darf. Dann sieht er auf ihre Füße. Mit den Jahren hat Auggie gelernt, sich anhand der Schuhe ein Bild zu machen. Es gibt teure Reiche-Leute-Schuhe, knallbunte Spinner-Schuhe. ArmeFamili­e-Schuhe, das heißt vererbte von einem großen Geschwiste­rkind. Auggie wünscht sich, die Leute würden ihrerseits auf seine Schuhe sehen. Sie tun es aber nie. Sie starren ihm ins Gesicht, erschrocke­n.

Eine lange Abfolge von US-Teenagerfi­lmen aus jeder Dekade hat uns eingeprägt, dass der Alltag an einer amerikanis­chen Highschool schon wegen der falschen Jeansmarke, einer blöden Brille, eines topfigen Haarschnit­ts, vielleicht auch einfach nur wegen ein paar gelangweil­ter Alphatiere eine Qual sein kann. Für Auggie (Kinderstar Jacob Tremblay aus „Raum“) bedeutet Schule eine ganz neue, ungewohnte Form der Hölle. Bis zum zehnten Lebensjahr von der Mutter Isabel (Julia Roberts) zu Hause unterricht­et, soll Auggie nun eine öffentlich­e Schule besuchen. Wegen eines Gendefekts ist sein Gesicht von Geburt an entstellt und maskenhaft vernarbt, dutzende plastische Operatione­n konnten daran nur wenig ändern. Während Auggie schon am ersten Schultag mit üblen Mobbern wie seinem Klassenkam­eraden Julian (Bryce Gheisar) konfrontie­rt wird, findet er anderersei­ts auch bald Freunde. Währenddes­sen sorgen seine Mutter und sein Vater Nate (Owen Wilson) sich zu Hause diskret um den Verstand. Dabei vergessen sie, wie immer, auch Auggies stille, gerade in der Krise steckende große Schwester Via (Izabela Vidovic) im Auge zu behalten.

Aus dem Jugendroma­n „Wunder – Sieh mich nicht an“von R.J. Palacio macht Regisseur Stephen Chbosky ein Familiendr­ama, das ungewöhnli­ch viele Handlungsf­äden und Charaktere zu einem Ganzen zusammenfü­hrt. Zunächst fast nur aus Auggies kindlicher Perspektiv­e erzählt, weitet der Film mit der Zeit seinen Horizont und zeigt in Episoden auch die Seelennöte und Motivation­en der anderen Figuren. Man erfährt, welche Ängste hinter Isabels Fürsorge und Nates demonstrat­iver Gelassenhe­it lauern, begreift Vias Dämonen und auch die ihrer Sandkasten­freundin, die seit den Ferien kein Wort mehr mit ihr spricht. Selbst das Verhalten von Auggies Quälgeist Julian wird durch einen prägnanten Auftritt seiner Eltern zwar nicht entschuldb­ar, aber wenigstens erklärbare­r.

Diverse Auszeichnu­ngen bekam Chboskys Film für Make-up und Maske, wobei Jacob Tremblays hingebaste­ltes Gesicht nicht annähernd schlimm genug aussieht, die Scham oder Aggression seines Umfelds im Film zu erklären. Seine Züge sind einfach das, was der Verleih einem amerikanis­chen Kinogänger im Schulalter zumuten zu können glaubt. Überhaupt setzt Chbosky alles einen Hauch zu wohlig in Szene. Kitschig wird es trotzdem bis zur Abschlussf­eier nicht. Das liegt zum einen an der auflockern­den episodisch­en Struktur und zum anderen am harmonisch­en Cast.

Wie sehr „Wunder“sich als Ensemblefi­lm versteht, ist schon daran

Die Superstars Julia Roberts und Owen Wilson ordnen sich der

Geschichte unter

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