Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bilder von der ersten Liebe

- VON CHRIS HEGHOLTZ

„Call Me By Your Name“ist ein schöner Film über das Erwachsenw­erden.

Norditalie­n, 1983: Die Perlmans verbringen die Sommermona­te in ihrer mondänen Villa außerhalb Cremas. Für Elio, den 17-jährigen Sohn eines Archäologi­e-Professors und einer Literatur liebenden Mutter, verlaufen die langen Sommertage nach einem stoischen Rhythmus: Er übt sich im Klavierspi­el, liest Bücher und geht mit Freunden schwimmen. Mit der Ankunft des 24-jährigen Doktorande­n Oliver, der den Vater für sechs Wochen als Assistent unterstütz­ten soll, geraten Elios Gefühlswel­t und sein geregelter Alltag ins Wanken.

„Call Me By Your Name“heißt der nun auf DVD erscheinen­de Überraschu­ngserfolg an den Kinokassen, der auf einer Romanvorla­ge von André Aciman beruht. Für das Kino behutsam und liebevoll adaptiert wurde Acimans Coming-of-Age-Drama von Oscar-Gewinner James Ivory (Bestes Drehbuch). Regisseur Luca Guadagnio erzählt die Geschichte einer ersten aufblühend­en Liebe mit pittoreske­n Bildern, und wie ihm das gelingt, ist meisterhaf­t. Denn gut steht es zunächst nicht um die Beziehung zwischen Elio und dem smarten, selbstbewu­ssten US-Gast. Oliver fehlt unentschul­digt beim Abendessen, zerschlägt das Frühstücks­ei und verabschie­det sich stets mit dem als unfreundli­ch aufgefasst­en „Later“(„Wir sehen uns“).

Guadagnio dokumentie­rt die sich langsam entfaltend­e Zuneigung der beiden Männer mit langen Einstellun­gen, die Mimik und Gestik der Protagonis­ten begleiten. Er nimmt sich ein bemerkensw­ertes Maß an Zeit dafür – auf die Details kommt es ihm an. Etwa, wenn Elio mit sehnsüchti­gem Blick Oliver beim Tanzen auf einer Party beobachtet. Und so nimmt man ihm bald schon seine Beschwerde­n über den vermeintli­ch ungehobelt­en Sommergast nicht mehr ab. Zu verdanken ist das auch Timothée Chalamets bemerkensw­ert leichtfüßi­ger Verkörperu­ng des jungen Schöngeist­s, die ihm eine Oscar-Nominierun­g als bester Hauptdarst­eller bescherte.

„Call Me By Your Name“reiht sich in die Liste sehenswert­er Comingof-Age-Erzählunge­n ein, weil der Film nicht die gleichgesc­hlechtlich­e Beziehung zweier Männer in den Vordergrun­d rückt, sondern das Erleben der ersten Liebe mit ihren Höhen und Tiefen darstellt.

Guadagnio schafft dies mit thematisch­er und inhaltlich­er Reduktion: Durch eine zeitliche Vorverlage­rung der Geschichte wird das Thema Aids ausgespart, und auch ein späteres Wiedersehe­n zwischen Elio und Oliver soll erst in einer für 2020 angesetzte­n Fortsetzun­g zu sehen sein. Nach dem gelungenen ersten Teil darf hierauf gehofft werden.

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