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Der richtige Umgang mit Überstunden
Ob unbezahlt oder mit Zeitausgleich: Überstunden gehören in vielen Unternehmen zum Arbeitsalltag. Nicht immer sind die rechtlichen Rahmenbedingungen klar – umso wichtiger ist es, dass Arbeitnehmer ihre Zeiten auch selbst erfassen.
Um 17 Uhr Feierabend? An vielen Arbeitsplätzen ist das nur Wunschdenken. Obwohl immer mehr Unternehmen eine gute Work-Life-Balance versprechen, gehören Überstunden für viele Mitarbeiter immer noch zum Arbeitsalltag. Oft wissen sie nicht, dass sich ihre Arbeitgeber im Umgang mit Überstunden in einer rechtlichen Grauzone bewegen – oder ihnen fehlt der Mut, die angemessene Bezahlung für die Zusatzarbeit einzufordern.
Das Pensum der geleisteten Überstunden in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben – allerdings: Solche, die bezahlt werden, haben sich halbiert – dafür gibt es doppelt so viele Überstunden, die abgefeiert werden können. Ein Trend geht also zu Arbeitszeitkonten, doch es gibt auch viele Mitarbeiter, deren geleistete Stunden überhaupt nicht erfasst werden. Je nach Unternehmen und Position sind Überstunden mit dem Gehalt abgegolten – Klauseln im Arbeitsvertrag regeln das scheinbar.
Doch nicht immer sind sie erlaubt: „Klauseln eines vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrags können ähnlich wie Allgemeine Geschäftsbedingungen unzulässig sein“, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Nürnberg. „Gibt es Klauseln, die überraschend sind oder einseitig benachteiligen, sind diese unzulässig und damit unwirksam.“Das gelte auch für Formulierungen, die nicht klar und verständlich seien.
„Bei der pauschalen Abgeltung von Überstunden ist die Regelung intransparent und somit unzulässig“, so Markowski weiter. In der Theorie kann ein Mitarbeiter den Arbeitgeber hier auffordern, (bü) Kündigung bei Arbeitsunfähigkeit Arbeitgeber brauchen für arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter Lohn oder Gehalt nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu zahlen. Ausnahme: Der Arbeitgeber hatte zuvor „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“gekündigt. Dies kann angenommen werden, wenn die Kündigung während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wurde. Es genügt, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund für die Entlassung war; es müsse nur „Anlass zum Ausspruch“gewesen sein, den Entschluss dazu „wesentlich beeinflusst“haben. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dann für diesen Zusammenhang – den der Arbeitgeber hier nicht entkräften konnte. (LAG BerlinBrandenburg, 10 Sa 1507/17) Anwesenheitsprämie zählt beim Mindestlohn Zahlen Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine „Anwesenheitsprämie“als Anreiz, bei kleineren „Wehwehchen“nicht gleich den Arzt aufzusuchen, so zählt dieser Lohnanteil mit bei der Feststellung, ob der gesetzliche Mindestlohn (2018: 8,84 pro Stunde) erreicht ist. Das Bundesarbeitsgericht: Mit der Prämie werde die „Normalleistung der Arbeitnehmer abgegolten“. (BAG, 5 AZR 621/17) Überstunden trotzdem zu bezahlen – wenn er seine Forderung belegen kann. „Ein Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast und muss deshalb belegen können, dass er die Überstunden entweder nach Anordnung geleistet hat. Oder dass sie nötig waren, der Arbeitgeber davon wusste und es gebilligt hat“, erklärt der Anwalt. Er empfiehlt deshalb, die eigene Arbeitszeit in einer Tabelle zu erfassen.
Wie erfolgreich dieses Nachhalten ist, hängt von der eigenen Position ab: Kann ein Arbeitnehmer in seinem Job erwarten, dass Überstunden gesondert bezahlt werden? „Bei Führungskräften oder Mitarbeitern mit sehr freier Zeitgestaltung und sehr hohem Gehalt ist das meistens nicht der Chef hat kein Recht auf Handynummer Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber für Notfälle im Betrieb außerhalb der üblichen Arbeitszeiten ihre Mobilfunknummer anzugeben. Das Thüringer Landesarbeitsgericht sieht darin einen „erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“der Beschäftigten. Die „Pflicht zur Bekanntgabe einer privaten Mobilfunknummer greife besonders tief in die persönliche Sphäre der Mitarbeiter“ein. Dem könnten sie sich nicht ohne Rechtfertigung entziehen – und es bestehe die Gefahr, dass sie in ihrer Freizeit nicht wirklich zur Ruhe kämen. (Hier hatte der Arbeitgeber wegen der Weigerung eine Abmahnung erteilt, die nun wieder aus der Personalakte zu entfernen ist.) (Thüringer LAG, 6 Sa 442/17 u. a.) Befristetes Arbeitsverhältnis Hat eine Arbeitnehmerin mit ihrem Arbeitgeber eine befristete Beschäftigung vereinbart, weil sie anschließend ein Studium aufnehmen will, so ist sie daran gebunden und kann nicht die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verlangen. wenn sie sich doch gegen ein Studium entscheidet. Das hat das Arbeitsgericht Freiburg entschieden. (ArG Freiburg, 9 Ca 179/16) Fall“, sagt Markowski. „Aber ein ganz normaler Mitarbeiter erwartet selbstverständlich, dass zusätzliche Arbeit entsprechend bezahlt wird.“Oft fehlt nur der Mut, für das Extra-Geld zu kämpfen: Vor allem, wenn Überstunden Teil der Unternehmenskultur sind.
„Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, von ihnen werden viele Überstunden erwartet – auch wenn das nicht immer so offen kommuniziert wird“, sagt die Kommunikationspsychologin Steffi Jacobeit aus Delbrück bei Paderborn. Ihrer Einschätzung nach ist vor allem die mittlere und niedrige Führungskräfteebene betroffen: „Abteilungsleiter zum Beispiel leiden häufig unter einem hohen Überstundenpensum“, sagt sie. „Sie erhalten Druck von oben, wollen aber gleichzeitig ihre Mitarbeiter schützen. Zusätzliche Arbeit übernehmen sie deshalb oft selbst.“
Aber auch normale Angestellte fühlen sich oft zu Überstunden verpflichtet: Sie springen aus Loyalität für kranke Kollegen ein oder bleiben länger im Büro, weil der Schreibtischnachbar mit einer wichtigen Aufgabe nicht fertig wird. „Es gibt auch Unternehmen, in denen Mitarbeiter ko-
Steffi Jacobeit misch angeguckt werden, wenn sie pünktlich Feierabend machen“, erzählt Jacobeit.
Leiden auch andere Kollegen unter permanenten Überstunden, hilft es, sich als Team zusammenzuschließen. „Es soll keine Meuterei ausgerufen werden, aber vielleicht kann das gesamte Team den Wunsch äußern, sachlich über die Arbeitsbedingungen sprechen zu wollen“, rät Jacobeit. Am besten sei es, schon im Vorstellungsgespräch nach Unternehmenskultur und Leitlinien zu fragen. „Wenn es welche gibt, dann kann man sich die gerne anschauen“, rät Steffi Jacobeit. „Und wenn es keine gibt, dann ist das auch ein Zeichen.“
Auch die Frage nach dem Umgang mit Überstunden ist erlaubt - und die Antwort kann zumindest einen Hinweis darauf geben, was Mitarbeiter nach einer erfolgreichen Bewerbung erwartet. Klar ist aber auch: In jedem Unternehmen kann es mal stressig werden und zusätzliche Arbeit anfallen. „Wenn Überstunden nötig sind, sollten Mitarbeiter versuchen, den Zeitraum abzugrenzen“, empfiehlt Jacobeit.
Wenn einmal im Jahr eine große Messe ansteht, dann wissen Arbeitnehmer vorher von einem erhöhten Stresslevel und können sich darauf einstellen, sagt Jacobeit. „Wichtig ist es, den Rahmen einer solchen Phase mit dem Arbeitgeber klar abzustecken und zu fragen: Wann kann ich auch mal Pause machen und mich davon erholen?“
Recht & Arbeit „Mitarbeiter haben das Gefühl, von ihnen werden Überstunden erwartet“
Kommunikationspsychologin