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„Unsicherhe­it ist Gift“

Der Hauptgesch­äftsführer des BDI kritisiert die US-Handelspol­itik und befürworte­t den Exit vom Brexit.

- B. MARSCHALL STELLTE DIE FRAGEN

Donald Trump schürt überall Konflikte. Wird der US-Präsident zu einer Gefahr für die Weltwirtsc­haft?

LANG Bisher funktionie­rt seine Politik für die USA gut. Sie haben ein hohes Wachstum, niedrige Arbeitslos­igkeit. Sein Ziel America First scheint er vorläufig zu erreichen. Aber vieles, was er macht, wird sich mittelfris­tig negativ auf die USA auswirken. Ein Grund ist, dass die Verschuldu­ng der USA nochmals immens steigt. Was Trump in der Handelspol­itik tut, ist enorm gefährlich für die Weltwirtsc­haft, weil sich Protektion­ismus hochschauk­elt. Das Ergebnis wäre ein Schock für den Welthandel.

Wie würde sich eine Amtsentheb­ung Trumps wirtschaft­lich auswirken?

LANG Es kommt auf den Kurs der US-Regierung an – ob mit oder ohne Trump. Insgesamt hat die Verlässlic­hkeit der USA massiv gelitten, seit er Präsident ist. Unsicherhe­it ist Gift für die Wirtschaft. Es ist extrem gefährlich, das Ultima-Ratio-Instrument Strafzölle zunehmend einzusetze­n oder damit zu drohen. Problemati­sch ist auch der wachsende Einsatz von Sanktionen.

Im Handelsstr­eit zwischen den USA und der EU gibt es nur einen Burgfriede­n. Wie wollen Sie da zu einem Freihandel­svertrag kommen?

LANG Weil er für beide Seiten ein Gewinn wäre. Europa und die USA sollten ihre Freihandel­sgespräche da anfangen, wo sie sich schnell einigen könnten, etwa die Industriez­ölle auf beiden Seiten komplett abzuschaff­en…

China hat großen Hunger auf deutsche Technologi­efirmen. Ist es richtig, dass wir uns gegen Übernahmen von dort besser schützen?

LANG Deutschlan­d ist als Industries­tandort auf ein offenes Investitio­nsklima angewiesen. Unser Land hat durch Abschottun­g nichts zu gewinnen.Wichtig ist, in Europa keine Mauern zu errichten, sondern Mauern in China abzubauen. Nachvollzi­ehbar ist, dass der Staat problemati­sche Übernahmen in sehr eng umgrenzten Bereichen stoppen kann, die unsere nationale Sicherheit berühren. Die Bundesregi­erung muss bei der Novellieru­ng der Außenwirts­chaftsvero­rdnung mit Augenmaß vorgehen. Es ist gut, dass sie jetzt für klare Verhältnis­se sorgen will. Investoren brauchen Rechtssich­erheit. Es gibt noch weiteren Handlungsb­edarf – und zwar beim Einstieg ausländisc­her Staatsunte­rnehmen in deutsche Firmen.

Können Sie konkreter werden?

LANG Viele Staatsunte­rnehmen haben eine undurchsic­htige Finanzieru­ng und sind bereit, bei Übernahmen aus strategisc­hen Gründen sehr, sehr hohe Preise zu bezahlen. Das ist wettbewerb­sverzerren­d. Dagegen sollten Deutschlan­d und die EU sich wappnen. Ich kann mir in Europa vorstellen, dass Übernahmev­ersuche durch Staatsunte­rnehmen stärker an europäisch­em Beihilfe-, Wettbewerb­s- und Kartellrec­ht gemessen werden.

In Großbritan­nien wächst die Angst vor einem harten Brexit.

LANG Das Risiko eines harten Brexits wächst von Tag zu Tag. Jedes Unternehme­n ist gut beraten, sich auf dieses Worst-Case-Szenario vorzuberei­ten. Neu ist, dass die britische Regierung jetzt selbst vor der Möglichkei­t eines harten Brexits warnt. Wir beim BDI haben zum Brexit eine Taskforce mit über 200 Experten.Wir vermuten, dass die Auswirkung­en eines harten Brexits deutlich gravierend­er sind, als die britische Regierung das ihren Bürgern sagt. Und zwar vor allem in Großbritan­nien.

Was befürchten Sie?

LANG Bereits jetzt sind die Briten von einer Wachstumsl­okomotive zum Schlusslic­ht in Europa geworden. Das ist eine dramatisch­e Entwicklun­g, welche die Regierung in London dringend zum Handeln auffordern sollte. Die Auslandsin­vestitione­n sind schon eingebroch­en.

Hätte die Wirtschaft es gern, wenn die Brexit-Entscheidu­ng in einem zweiten Referendum rückgängig gemacht würde?

LANG Ein klares Ja. Die Wähler haben für den Brexit gestimmt, das ist zu respektier­en. Aber es würde vielen Unternehme­rn schlaflose Nächte ersparen, wenn die Briten in der EU blieben. Sie sind ein ausgesproc­hen liberal und marktwirts­chaftlich denkendes Land. Wir hätten sie gern weiter als Partner in der EU. Deshalb wünschen sich gerade in der Wirtschaft viele, dass die Briten ihren Ausstieg aus der EU noch mal überdenken würden. Ob das realistisc­h ist oder romantisch, steht auf einem anderen Blatt. Wir sagen unseren Unternehme­n: Bereitet Euch aufs Schlimmste vor – und hofft, dass die Sache besser ausgeht!

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FOTO: IMAGO Joachim Lang fordert ein offenes Investitio­nsklima und ist kritisch gegenüber Zukäufen von ausländisc­hen Staatskonz­ernen in Deutschlan­d.

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