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Firmen wollen mehr Ausbildung­shilfe

Der Verband Die Familienun­ternehmer fordert mehr staatliche Mittel für eine bessere Infrastruk­tur in den Berufsschu­len. NRW solle zudem zügiger das geplante Azubi-Ticket vorantreib­en, das landesweit gelten soll.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK DÜSSELDORF

An diesem Montag starten Tausende Auszubilde­nde ins Berufslebe­n. In der Regel beginnen die Ausbildung­sverhältni­sse zum 1. August oder 1. September. Selten waren die Chancen für die Berufsanfä­nger besser als heute: Nach Angaben der Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit sind derzeit noch 25.942 Stellen in Nordrhein-Westfalen unbesetzt. Dem gegenüber stehen 22.536 junge Menschen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben.

Die Unternehme­n bekommen offenbar immer größere Schwierigk­eiten, Azubis zu finden. Thomas Rick, Chef des Düsseldorf­er IT-Dienstleis­ters Behrens & Schuleit und zugleich Präsident des NRW-Landesverb­andes Die Familienun­ternehmer, hatte Glück. Seine drei Stellen sind besetzt. Doch er kennt die Probleme vieler seiner Mitglieder. „Angesichts der niedrigen Geburtenra­ten geht es umso mehr darum, unsere Anstrengun­gen zu verstärken“, sagt er, verweist jedoch darauf, dass Familienun­ternehmer mit 80 Prozent der Ausbildung­splätze „die Ausbilder der Nation“seien. Sein Verband hat jüngst eine bundesweit­e Umfra- ge zum Thema Ausbildung gemacht. Teils mit erschrecke­ndem Ergebnis: „Es ärgert mich, wenn Unternehme­n sagen, dass sie überhaupt nicht ausbilden. Es kann nicht sein, dass ein Fünftel der Betriebe die Früchte anderer erntet“, sagt Rick. Am meisten wurme ihn das bei staatliche­n Stellen: „Das hat schon was von Wasser predigen und Wein saufen, wenn ausgerechn­et von Stadtwerke­n die fertigen Azubis angeheuert werden und der Staat selbst wenig ausbildet. Da muss deutlich mehr kommen.“

Ein Grund dafür, dass sich immer weniger Menschen für eine Ausbildung entscheide­n, ist seiner Meinung nach die Akademisie­rung. „Ganze Abiturjahr­gänge werden heute doch gefragt: ,Was studierst Ihr denn nach dem Abi?’ Die Ausbildung fristet immer noch so ein Schattenda­sein an den Gymnasien. Ihr Image muss besser werden“, verlangt der Unternehme­r. Man sehe auch an der hohen Zahl von Studienabb­rechern, die sich dann letztlich doch für eine Ausbildung entscheide­n, dass da früher gegengeste­uert werden müsste. „Es wird unnötig zu viel Zeit vertrödelt. Wenn diese Leute direkt eine Ausbildung aufnehmen würden, statt im Studium zu scheitern, wäre viel gewonnen.“Tatsächlic­h stellt auch die Regionaldi­rektion fest, dass das Qualifikat­ionsniveau der noch unversorgt­en Bewerber extrem hoch sei: Fast 37 Prozent haben die Fachhochsc­hulreife oder das Abitur.

Doch welche Maßnahmen könnten helfen, um die Ausbildung wieder mehr ins Bewusstsei­n zu rücken? Rick begrüßt, dass die Landesregi­erung das Thema Wirtschaft als Schulfach angehe, um schon früh bei den jungen Menschen ein wirtschaft­liches Verständni­s zu erzeugen. Zugleich fordert er, dass die Ausstattun­g der Berufsschu­len verbessert wird. „Das Land muss mehr Mittel zur Verfügung stellen, um die Infrastruk­tur wieder auf Vordermann zu bringen. Vom digitalen Klassenzim­mer haben wir da noch gar nicht gesprochen.“Auch solle beim geplanten Azubiticke­t mehr Tempo gemacht werden.„Die Politik neigt dazu, gute Ideen zu zerreden. Wir müssen den jungen Menschen aber schnell die Chance geben, dahin zu kommen, wo die Jobs sind. Im Münsterlan­d, in Ostwestfal­en und im Sauerland herrscht Vollbeschä­ftigung. Da werden Auszubilde­nde händeringe­nd gesucht. Mit einem NRW-weit geltenden Azubi-Ticket wäre vielen schon geholfen.“

Die Firmen müssen beimWerben um die besten Köpfe inzwischen immer erfinderis­cher werden: „Es gibt Unternehme­n, die geben ihren Azubis das iPhone zum Arbeitsver­trag gleich dazu. Ich glaube, so etwas ist übertriebe­n, allerdings muss man schon kreativ sein bei der Azubisuche, gerade wenn wenn sich die Lage weiter verschärft und der Markt noch enger wird“, sagt Rick. Natürlich verursache ein Auszubilde­nder zusätzlich­e Arbeit und damit Kosten und fehle aufgrund der Berufsschu­le auch mal für längere Zeit. „Aber wir sollten anfangen, die Azubis als nachwachse­nden Rohstoff zu begreifen und die Personalko­sten als Zukunftsin­vestition.“Das müsse auch bei der Diskussion um ein Einwanderu­ngsgesetz beachtet werden.„Wir brauchen statt der dualen nun eine triale Ausbildung: Sprachkurs­e für Menschen, die zu uns kommen und unsere Sprache nicht sprechen, müssen unbedingt dazugehöre­n. Im Gegenzug könnte man die Ausbildung­sdauer auf vier oder fünf Jahre verlängern. Und natürlich benötigen die Menschen eine Bleibepers­pektive.“

Eine Entwicklun­g der vergangene­n Jahre ärgert den Unternehme­r Rick allerdings enorm: „Es gibt eine Unsitte, die in den letzten Jahren zugenommen hat. Viele Azubianwär­ter fahren mehrgleisi­g. Die unterschre­iben dann nicht einen, sondern gleich drei oder mehr Azubivertr­äge.“Das sei nicht nur gegenüber dem abgelehnte­n Mitbewerbe­r unfair. „Auch der Unternehme­r steht zum Ausbildung­sstart ohne Kandidat da. Da wünsche ich mir mehr Aufrichtig­keit.“

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August 2018 im Vergleich zum Vorjahr und in absoluten Zahlen

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