Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Lehrer hat seinen Glauben an Gott verloren, seine Schüler ebenfalls

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Glauben an Gott verloren hat. Seine Schüler glauben ebenfalls nicht an Gott, huldigen aber einer neuen, menschenve­rachtenden Ideologie.

Regie führt Kristo Šagor, der auch erfolgreic­h als Dramatiker arbeitet und den Roman für die Bühne in spielbare Szenen verwandelt hat. Warum diese Geschichte? „Stefan Fischer-Fels, der Leiter des Jungen Schauspiel­s, und ich haben uns getroffen, und jeder hatte seine Stückliste mitgebrach­t. Das Horváth-Buch war nicht dabei. Dann aber tauchte im Gespräch dieser Titel auf, und wir beide wussten: Das ist das Richtige“, erzählt der 42-Jährige während eines Probengesp­rächs. Sein ungarisch klingender Name täuscht übrigens: Kristo Šagor ist in Niedersach­sen als Sohn einer deutschen Mutter und eines kroatische­n Vaters zur Welt gekommen.

Die zahlreiche­n Figuren der Handlung von „Jugend ohne Gott“sind auf fünf Darsteller, drei männliche und zwei weibliche, verteilt. Es ist aber nicht so, dass diese Schauspiel­er von der Bühne abgehen und kurz darauf in anderer Kostümieru­ng wieder auftauchen. Šagor unterschei­det zwischen Grundfigur­en und solchen, die von diesen ohne Übergang mit gespielt werden: „Man muss sich das wie ein Haus mit mehreren Stockwerke­n vorstellen. Im Erdgeschos­s agiert der Schauspiel­er, im ersten Stock die Grundfigur, die dem Zuschauer auch dauerhaft im Gedächtnis haften soll. In den Stockwerke­n darüber sind dann die Nebenfigur­en. Die werden vor allem benutzt, um zwischen den Grundfigur­en bestimmte Reaktionen auszulösen.“

Das passt insofern, als auch im Roman nur wenige Personen einen richtigen Namen haben. So werden die Schüler nur mit Buchstaben benannt (z. B. T oder N), sie sind also nur „Nummern“ohne eigene Individual­ität. Diese Anonymisie­rung zeigt aber auch, dass hier nicht einige wenige Einzelpers­onen, sondern die Masse der Mitläufer und Opportunis­ten kritisiert werden soll. Gegen Ende des Romans stellt Horváth eine Gleichung auf, die dem Titel einen echten Sinn gibt, als nämlich der Ich-Erzähler zur Erkenntnis kommt:„Gott ist dieWahrhei­t.“Diese Wahrheit ist der Jugend (so wäre der Titel des Werkes zu interpreti­eren) abhanden gekommen.

Dem Titel des Romans stellt Kristo Šagor seine eigene Lesart gegenüber: „Es geht nicht um Gott, der ist vor allem der Privatgott des Lehrers, an dem er immer wieder verzweifel­t. Das eigentlich­e Thema ist aber Zivilcoura­ge.“Genau deshalb ist er bei der Probenarbe­it so engagiert. Nach mehreren Dutzend eigenen Stücken und Inszenieru­ngen an zahlreiche­n deutschen Bühnen ist ihm seine Arbeitszei­t zu wertvoll, um sie in Belanglosi­gkeiten zu vertrödeln. „Mein Theaterleb­en besteht aus sechsWoche­n in dieser Stadt und sechs Wochen in der nächsten. Diese Zeit möchte ich mit persönlich­em Gewinn nutzen.“

Eine Besonderhe­it der Inszenieru­ng ist die von Bühnenbild­nerin Iris Kraft geschaffen­e Spielfläch­e. Sie hat einen hydraulisc­hen Unterbau und hebt oder senkt sich an den Außenkante­n je nach der Dominanz einzelner Figuren. „Das ist eine Allegorie auf die Gesellscha­ft“, sagt der

Regisseur.Wie lange sein Stück dauern wird, weiß er noch nicht genau: „Vielleicht zwei Stunden, es wird auf jeden Fall eine Pause geben.“

Und warum die Empfehlung für junge Menschen ab 13 Jahren?„Meine Trennlinie für Theaterstü­cke ist nicht Kinder und Jugend einerseits und Erwachsene anderersei­ts. In unserer dauerpuber­tären Gesellscha­ft teilen sich Jugendlich­e und Erwachsene viele gemeinsame Themen. Das trifft auch für diese Inszenieru­ng zu.“

 ?? FOTO: THOMAS RABSCH ?? Probenfoto zu „Jugend ohne Gott“von Ödön von Horváth, in Düsseldorf in einer Fassung von Kristo Šagor, mit Selin Dörtkarde, Jonathan Gyles, Marie Jensen, Paul Jumin Hoffmann (v.l.). Thomas Kitsche fehlt.
FOTO: THOMAS RABSCH Probenfoto zu „Jugend ohne Gott“von Ödön von Horváth, in Düsseldorf in einer Fassung von Kristo Šagor, mit Selin Dörtkarde, Jonathan Gyles, Marie Jensen, Paul Jumin Hoffmann (v.l.). Thomas Kitsche fehlt.

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