Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Transplant­ations-Skandal an Uni-Klinik

Der Direktor für Tansplanta­tionschiru­rgie am Essener Unikliniku­m sitzt in Untersuchu­ngshaft. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm massive Verstöße bei Transplant­ationen vor. Ermittelt wird gegen ihn wegen Totschlags.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

ESSEN Der Zugriff der Polizei erfolgt am frühen Dienstagmo­rgen – und zwar so, dass ihn jeder im Krankenhau­s mitbekomme­n kann. Die Beamten sind zum Essener Unikliniku­m gekommen, um den Chef der Transplant­ationschir­urgie festzunehm­en. „Sie haben das Gebäude zwar nicht umstellt, aber sie hätten durchaus etwas feinfühlig­er vorgehen können“, sagt ein Mitarbeite­r des Klinikums. „Wir sind selbst völlig überrascht worden, weil uns niemand über den Haftbefehl informiert hat.“

Die Staatsanwa­ltschaft Essen hat diesen gegen den 61-jährigen Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeralun­d Transplant­ationschir­urgie wegen Totschlage­s in einem Fall, wegen gefährlich­er Körperverl­etzung in fünf Fällen und wegen Verstoßes gegen das Transplant­ationsgese­tz vollstreck­t. Der Mediziner wird verdächtig­t, dafür verantwort­lich zu sein, dass zwischen 2012 und 2015 an sechs Patienten medizinisc­h nicht indizierte Lebertrans­plantation­en durchgefüh­rt worden sind. An diesen Operatione­n soll er laut Staatsanwa­ltschaft zum Teil selbst beteiligt gewesen sein und zugelassen haben, dass andere Ärzte solche Transplant­ationen durchgefüh­rt haben. „Dabei soll ihm in allen Fällen bewusst gewesen sein, dass die Indikation nicht gegeben war, weil das Risiko der Transplant­ation höher war als das Risiko der Erkrankung­en, an denen diese sechs Patienten litten und für die risikoärme­re, alternativ­e Behandlung­smöglichke­iten mit guter Prognose bestanden hätten“, erklärt die Staatsanwa­ltschaft in einem Schreiben.

Nach dem gegenwärti­gen Stand der Ermittlung­en soll der Beschuldig­te Ende 2014 selbst an einer solchen, nicht indizierte­n Transplant­ation beteiligt gewesen sein, die zum Tod des Patienten geführt haben soll. Nach Angaben der Anklagebeh­örde Staatsanwa­ltschaft Essen ist der Mediziner bereits dem Haftrichte­r vorgeführt worden. Er hat die Vorwürfe aber zurückgewi­esen. Die Festnahme sei nötig gewesen, weil Flucht- und Verdunkelu­ngsgefahr bestanden habe. „Und es gab die Befürchtun­g, der Beschuldig­te könne weitere Taten ähnlicher Art begehen“, so die Staatsanwa­ltschaft. Er soll Bekannte im Ausland haben, zu denen er hätte flüchten können, heißt es.

Das Klinikum will sich konkret nicht zu den Vorwürfen äußern. „Aufgrund des laufenden Verfahrens können wir zum derzeitige­n Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen. Zur Aufklärung der Vorwürfe wird das Universitä­tsklinikum Essen vollumfäng­lich mit der Staatsanwa­ltschaft Essen kooperiere­n“, heißt es in einer schriftlic­hen Erklärung.

Aus Kreisen des Klinikums ist aber zu erfahren gewesen, dass man von der Dimension der erhobenen Vorwürfe sehr überrascht gewesen sei. „Wir haben damit gerechnet, dass etwas kommt, weil die Ermittlung­en schon seit Jahren andauern. Aber mit dem Ergebnis hat tatsächlic­h niemand von uns gerechnet“, so ein Mitarbeite­r.

Hintergrun­d der Verhaftung ist das staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­sverfahren aus dem Jahr 2017, das durch die Prüfungs- und Überwachun­gskommissi­on (Pük) eingeleite­t worden ist. Die Pük ist eine gemeinsame Einrichtun­g von Bundesärzt­ekammer, Deutscher Krankenhau­sgesellsch­aft und Spitzenver­band Bund der Krankenkas­sen. Die Aufgabe der Kommission besteht darin, die Einhaltung der Bestimmung­en des Transplant­ationsgese­tzes zu überwachen. Aus diesem Bericht hatte sich laut Staatsanwa­ltschaft ein Anfangsver­dacht wegen möglicher Vergehen wegen Fälschung von Krankendat­en gegenüber der Koordinier­ungsstelle Eurotransp­lant ergeben.

Im Zuge dieser Ermittlung­en hat die Staatsanwa­ltschaft außerdem einen Sachverstä­ndigen mit der Auswertung von beschlagna­hmten Krankenunt­erlagen beauftragt. Diese Auswertung führte dann zu den Vorwürfen gegen den 61-Jährigen, die ihn nun in Untersuchu­ngshaft brachten.

„Ihm soll in allen Fällen bewusst gewesen sein, dass die Indikation nicht gegeben war“

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