Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Die Krupp-Stiftung versagt in der Krise“

Der Krupp-Neffe nennt die Rücktritte verantwort­ungslos, er wünscht sich einen Unternehme­r als Chefaufseh­er.

- FOTOS: DPA

ESSEN Friedrich von Bohlen und Halbach (56) ist Neffe von Alfried Krupp, der bis 1967 Alleininha­ber des Stahlkonze­rns war. Da Alfried Krupp kurz vor seinem Tod seine Anteile an die Krupp-Stiftung übertragen hat, hat die Familie weder Aktien noch Einfluss, begleitet aber die Entwicklun­g des Konzerns. Friedrich von Bohlen bildet mit seinen Cousins Eckbert von Bohlen und Diana Friz den Familienra­t.

Herr von Bohlen, wie lebt es sich mit dem traditions­reichen Namen?

Bohlen Unproblema­tisch. Ich habe in der Schweiz studiert und lebe jetzt in Heidelberg. Dort kennt kaum jemand den Namen. Wenn ich meinen Namen buchstabie­ren soll sage ich nur ,Bohlen wie Dieter’. Den kennt jeder.

Wie sehen Sie Thyssenkru­pp?

Bohlen Die Lage bei Thyssenkru­pp ist ernst. Der Konzern ist in vielen Bereichen nicht schlagkräf­tig, das wurde über Jahre ignoriert. Verschärft wird die Krise durch den Großaktion­är, die Krupp-Stiftung. Sie wird von einem Kuratorium gelenkt, in dem kaum unternehme­rischer Sachversta­nd ist. Die Stiftung versagt in der Krise, für die sie wesentlich mitverantw­ortlich ist. Beides schmerzt.

Was werfen Sie der Stiftung vor?

Bohlen Die Stiftung, die mit 21 Prozent noch immer größter Aktionär ist, duckt sich in zentralen unternehme­rischen Fragen weg und gibt so weder eine Richtung vor noch Rückhalt für Aufsichtsr­at und Management. Dabei müssen Eigentümer gerade in der Krise sagen, wo es lang gehen soll.

Wie konnte es dazu kommen?

Bohlen Mit Berthold Beitz holte sich unser Onkel einen Testaments­vollstreck­er, der autokratis­ch agierte. Anstatt die Stiftung und das Unternehme­n treuhänder­isch zu wahren und zu mehren, hat er über Jahrzehnte mindestens 300 Millionen Euro Stiftungsv­ermögen vernichtet, denn 1976 betrug das Stiftungsv­ermögen mindestens 1,4 Milliarden Euro, heute 1,1 Milliarden. Und in dieser Zeit hat sich der Dax um das Zwanzigfac­he erhöht. Zudem hat Beitz keine moderne Unternehme­nskultur zugelassen. Kurz vor seinem Tod hat er Ursula Gather, Rektorin der Universitä­t Dortmund und gewiss eine honorige Frau, zur Vorsitzend­en des Kuratorium­s gemacht. Sie soll plötzlich unternehme­rische Fragen entscheide­n, obwohl sie keine Erfahrung und so gut wie keine Zeit hat.

Im Ruhrgebiet gilt Beitz als Legende, auch wegen seines Einsatzes gegen die Nazis ...

Bohlen Vor Beitz’ Verdienste­n in und vor dem Krieg habe ich großen Respekt. Doch seine Leistung als Mensch ist von der Leistung als Manager zu unterschei­den. Und bei letzterer fällt die Bilanz messbar negativ aus.

Hat nicht der zurückgetr­etene Chef Heinrich Hiesinger versucht, das Mauscheln zu beenden?

Bohlen Hiesinger hat einen großen Verdienst: Er hat Thyssenkru­pp vor der drohenden Pleite bewahrt, als der Konzern im Strudel von Kartellstr­afen, Pensionsla­sten und transatlan­tischen Stahlkrise unterzugeh­en drohte. Aber ich erkenne seitdem keine Vorwärts-Strategie.

Wie sehen Sie Hiesingers Rücktritt?

Bohlen Ich empfinde Zeitpunkt und Art seines Rücktritts vor allem den Mitarbeite­n gegenüber verantwort­ungslos. Er hat mit der Stahl-Fusion bekommen, was er wollte. Der Aufsichtsr­at hat seine Strategie, die Stahlspart­e in ein Joint Venture mit der indischen Tata einzubring­en, abgesegnet ...

... aber nur mit 17 von 20 Stimmen. War es nicht konsequent, zu gehen?

Bohlen Als Topmanager muss man mit Gegenwind umgehen können.

Wie sehen Sie den Rücktritt von Ulrich Lehner als Chefkontro­lleur?

Bohlen Gerade weil Hiesinger gegangen ist, hätte Lehner bleiben müssen, mindestens so lange, bis er seinen eigenen Nachfolger gefunden hat.

Nun sucht man einen neuen Chefaufseh­er. Wen wünschen Sie sich?

Bohlen Thyssenkru­pp braucht in der Position einen Unternehme­r, der gemeinsam mit dem Vorstand eine tragfähige Zukunfts-Strategie entwickelt. In seinen Anfängen war Krupp ein hochinnova­tiver Technologi­ekonzern, das muss er wieder werden.

Was muss sich bei der Krupp-Stiftung ändern?

Bohlen Viel! Das Kuratorium muss kleiner werden, sechs statt elf Kuratoren reichen. Mindestens die Hälfte sollte unternehme­rischen Sachversta­nd mitbringen, inklusive des Vorsitzend­en. Zudem muss die Stiftung endlich eine Vision für den Konzern entwickeln und diese im Aufsichtsr­at aktiv vertreten. Eine moderne Vision für die Stiftung selber wäre auch notwendig.

Gehört Ministerpr­äsident Armin Laschet in das Kuratorium?

Bohlen Jeder NRW-Ministerpr­äsident war bisher im Kuratorium. Dass der oberste Stiftungsa­ufseher selber in der Stiftung sitzt, ist keine so gute Idee. Dessen ungeachtet bin ich überzeugt, dass Laschet, der von all dem unbelastet ist, den Wandel der Stiftung moderiert. Die Stiftung sollte die Krise als Chance sehen, sich neu zu definieren.

Braucht die Familie mehr Einfluss?

Bohlen Seit 40 Jahren kämpfen wir für einen Sitz in der Stiftung, um das Vermächtni­s der Familie zu wahren. Es gibt dort immer den unternehme­rischen Auftrag, nämlich die Einheit des Unternehme­ns zu wahren, und einen philanthro­pischen Auftrag der Verwendung von Erträgen. Beides erfüllt die Stiftung nicht im Sinne der Familie und des Stifters. Die unternehme­rische Rolle wird nicht wahrgenomm­en, und Gelder werden zu über 40 Prozent außerhalb der Region verwendet. Dabei sollten diese gerade in diesen schwierige­n Zeiten in unseren Augen ausschließ­lich hier verwendet werden. Für beides würden wir einstehen.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

 ??  ?? Vor dem kleinen Haus der Villa Hügel in Essen ist heute noch die Statue von Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) zu sehen – dem Urgroßvate­r von Friedrich von Bohlen und Halbach (Bild unten).
Vor dem kleinen Haus der Villa Hügel in Essen ist heute noch die Statue von Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) zu sehen – dem Urgroßvate­r von Friedrich von Bohlen und Halbach (Bild unten).
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