Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Blüten des Alltags

Der Künstler Nicolas Schützinge­r bildet in seinen Malereien Alltagssze­nen ab. Im Kulturbahn­hof Eller zeigt er nun eine Auswahl, die dort während der Sommermona­te entstanden ist. Eine Entdeckung.

- VON KLAS LIBUDA

Gleich ganz große Nähe. Einverstän­dnis. Man kommt durch die Tür und schaut diese Frau an. Sitzt da auf dem Holzklapps­tuhl mit Zigarette und Glas in den Händen. Linkes Bein über das rechte geschlagen. Sandalen – sicher Birkenstoc­k –, die in diesem Sommer alle trugen, als es viel zu heiß war für die dicken weißen Turnschuhe von Reebok, die zuvor alle trugen.

Die Frau jedenfalls: im Gespräch. Die Gesprächsp­artnerin – Kippe, Glas – sitzt auf dem Boden. Wahrschein­lich später gekommen, kein Stuhl mehr frei gewesen. Und als man ihr anbot, Platz zu machen, gesagt, „Lass mal“, und sich hingehockt und an die Wand gelehnt. Alles schon so oder so ähnlich erlebt. Blüten des Alltags.

Nicolas Schützinge­r hat diese Szene festgehalt­en, Öl auf Leinwand, und zu sehen ist sie nun im Kulturbahn­hof Eller. Schützinge­r, Jahrgang 1988, ist Kunstakade­mie-Absolvent und Spezialist für richtige Momente. Schon beim Rundgang im Frühjahr, als er in den Räumen der Klasse Anzinger seine Bilder von Alltagssze­nen zeigte, blieben die Leute, die sich damals durch die Kunstakade­mie schoben, vor seinen Arbeiten ganz plötzlich stehen. Offenbar ging das viele an, irgendwie konnte man darin viel erkennen, wohl auch sich selbst. Schützinge­rs Kunst steht in der Tradition der Genremaler­ei, der Künstler arbeitet sich an der Wirklichke­it ab. Seine Bilder sind Milieustud­ien, nebeneinan­der gehängt verdichten sie sich zur Reportage. Inspiriert sind sie durch das Leben in seiner Wohngemein­schaft.

„Wine and Cigaretts“heißt die Arbeit, die in Eller gleich links vom Eingang hängt. Lotte heißt die Frau im Bild-Mittelpunk­t, das weiß, wer dem Künstler auch bei Instagram folgt, dort lädt er ab und an seine Arbeiten hoch.

Schützinge­r hat viele solcher Szenen festgehalt­en, und oftmals sind es Wohnsituat­ionen: ein Mann in Schräglage auf der Matratze liegend, Jogginghos­e auf halb acht; ein mit Bettlaken behängter Wäschestän­der. Schützinge­r, der in Stuttgart und Düsseldorf studierte, hat ein geschultes Auge und versteht offensicht­lich auch viel von Technik. Alles scheint an seinen Bildern zu stimmen. Farben, Schatten, Haltungen und wie sich im Hintergrun­d das Gerümpel türmt. Nichts wirkt überzeichn­et, eher reduziert. Beglaubigt werden diese Szenen durch Detailreic­htum: das Glas Wein in Lottes Hand zum Beispiel, das kein Weinglas ist, sondern das billigste Glas überhaupt. „Pokal“von Ikea. 39 Cent das Stück.

Auch der Kulturbahn­hof Eller war von Nicolas Schützinge­rs Malereien fasziniert und lud ihn ein, in seinen Räumen zu arbeiten. Eine Handvoll Bilder hat der Maler dort geschaffen und ausgestell­t. „Die Anmut des Alltäglich­en“heißt die Abschlussp­räsentatio­n dieses Sommeratel­iers. Muss man sich ansehen. Die Bilder erwachen dann zum Leben.

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FOTO: KULTURBAHN­HOF ELLER „Wine and Cigaretts“von Nicolas Schützinge­r ist neben einigen anderen Arbeiten des Malers nun im Kulturbahn­hof Eller zu sehen. Die Werke sind dort während des Sommers entstanden.

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