Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Eine Kooperation ist extrem anstrengend“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende über das IKG, den Konverter und Meerbusch als Hochschulstandort.
Herr Rettig, zu Beginn der Sommerpause haben die Grünen die Kooperation mit der CDU gekündigt. In dieser Woche starten die ersten Sitzungen. Was verändert sich dadurch im Stadtrat?
Rettig Mich hat gewundert, dass sie überhaupt so lange gehalten hat. Eine Kooperation ist extrem anstrengend, man muss sich permanent abstimmen. Ich denke, für uns ändert sich dadurch nicht viel, die meisten Beschlüsse sind bei uns ohnehin einstimmig, z.B. die, die sich aus Bundes- und Landesgesetzen ergeben, der Rest muss diskutiert werden, und dann müssen sich Mehrheiten finden.
Wird sich eine Mehrheit für den Haushalt finden?
Rettig Der Haushalt muss verabschiedet werden, das ist das einzige Problem. Aber auch da werden sich die Fraktionen zusammenraufen. Das hat in den letzten Jahren in unterschiedlichen Konstellationen immer funktioniert.
Ein großer Streitpunkt zwischen CDU und Grünen war zuletzt der Beschluss zur Umgestaltung des Foyers im Forum Wasserturm. Warum war auch die FDP dagegen, Meerbuschs bekannteste Kulturstätte mit einem Glasdach auszustatten?
Rettig Da gibt es zwei Aspekte: Auf der einen Seite ist uns das viel zu teuer. Wenn Herr Damblon sagt, das sei nur eine kleine Nummer im Gesamthaushalt, ist das für uns nicht nachvollziehbar. 600.000 Euro sind 600.000 Euro. Man hätte die Frage beantworten müssen, ob man die wirklich in den Außenbereich steckt, oder stattdessen lieber den Innenkomfort verbessert, z.B. die Bestuhlung oder die Technik.
Und der zweite Punkt?
Rettig Durch den Neubau wird der linke Bogen der schönen Fassade nicht mehr erkennbar sein, das ist schade. Ich hatte daher beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) angeregt, das Theater unter Denkmalschutz zu stellen, habe aber jetzt die Antwort erhalten, dass dies nicht erfolgen wird, da an dem Gebäude schon zu viele Veränderungen vorgenommen worden seien. Man hätte das Gebäude schon viel früher unter Denkmalschutz stellen sollen, das ist seinerzeit versäumt worden.
Sie waren auch gegen das Interkommunale Gewerbegebiet (IKG) mit Krefeld, die CDU hat Ihnen daraufhin vorgeworfen, „wirtschaftsfeindlich“zu sein …
Rettig Ja, das ist ein ziemliches Ärgernis, dass SPD und CDU das IKG so beschlossen haben. Wir wurden angegriffen, in diesem Punkt gar keine richtige FDP zu sein. Aber dieser Vorwurf ist absurd. Wir haben viel ökonomischen Sachverstand in der Fraktion und beurteilen ein Gewerbegebiet auch entsprechend. Wir sind froh, dass das IKG jetzt auf einer kleineren Fläche entstehen wird, so wie in dem Gewerbeflächengutachten vorgeschlagen. Aber wir können keinerlei Vorteil in der Zusammenarbeit mit Krefeld erkennen.
Welche Art von Gewerbe würde Meerbusch gut tun?
Rettig Primär Dienstleistungsgewerbe und Büros. Wir müssen abwarten, wie die Nachfrage ist. Wir waren uns parteiübergreifend einig, dass wir keine Großlogistik hier haben wollen und auch keine qualmenden Schlote. Aber wenn man ein Gewerbegebiet nicht vermarkten kann, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man solch eine Bedingung fallen lässt, um die Grundstücke verkaufen zu können – das wollen wir natürlich nicht.
Die SPD wünscht sich Firmen aus dem Bildungssektor, Linke/Piraten einen Hochschulstandort. Ist das realistisch?
Rettig Man kann sich alles mögliche wünschen, aber ob es gelingt, gezielt solche Unternehmen anzusiedeln, steht in den Sternen. Wenn jemand eine Hochschule herbeizaubern würde, wäre das natürlich toll. Wobei es da auch Unterschiede gibt: Es gibt ja immer mehr private Hochschulen, die keinen Präsenz-Betrieb haben, da sehe ich keinen großen Gewinn. Es geht ja bei der Idee eines Hochschulstandorts wohl eher darum, dass Jugendliche hier studieren und danach auch in Meerbusch bleiben, vielleicht Start-ups gründen. Dass es hier zur Gründung einer öffentlichen Hochschule kommt, kann ich mir nicht vorstellen.
Was kann denn stattdessen getan werden, um Meerbusch zu verjüngen?
Rettig Viele Meerbuscher Jugendliche wollen zum Studium einfach weg von zu Hause, mal in eine andere Stadt, und bleiben dann oft auch dort. Eine Idee wäre es, hier ein Studentenwohnheim zu bauen für Düsseldorfer oder Krefelder Studenten. Das wäre innovativ. Vielleicht bleiben die dann auch hier.
Anderes Thema: Was kann noch getan werden, um Osterath als Konverter-Standort zu verhindern?
Rettig Im Prinzip sieht es im Moment schlecht aus. Die letzte Entscheidung des Regionalrats, die Umwidmung der Dreiecksfläche nicht konsequent weiter voranzutreiben, habe ich überhaupt nicht verstanden. Die FDP-Fraktion im Regionalrat hat sie ja mitgetragen, und ein Argument war, dass es passieren könnte, dass am Ende weder der Konverter noch der Kiesabbau auf der Fläche stattfinden kann. Ja, und? Dann bleibt da eben ein Acker. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, haben in der Landesregierung relevante Leute angesprochen, Staatssekretär Christoph Dammermann und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, die haben sich engagiert, aber bisher nicht zu einer endgültigen Lösung des Problems beitragen können.
Welche Themen stehen auf Ihrer Liste, die bis zum Jahresende vorangetrieben werden müssen?
Rettig Ich denke, dass wir nicht viel Neues auf den Weg bringen werden, sondern erst einmal einiges abarbeiten müssen. Wir haben zum Beispiel viele Arbeitskreise: ÖPNV, Lärm, IT, Radverkehr. Die zwei erstgenannten haben sich seit Gründung jeweils erst zwei- bis dreimal getroffen, IT hat sogar noch nie getagt. Diese Arbeitskreise sind aber wichtig, um Dinge im Detail voranzutreiben. Beim ÖPNV gibt es Optimierungsbedarf, es gibt Busse, die fahren außerhalb der Rush Hour fast leer durch die Stadt. Da muss man schauen, welche Alternativen es gibt, beispielsweise Buslinien zu streichen und stattdessen Taxitickets anzubieten, oder sogar kleine selbstfahrende Busse. Es geht darum, das Geld optimaler einzusetzen. Auch die Musikschule ist für uns immer noch ein Thema, jeder Schüler wird pro Jahr mit 1000 Euro subventioniert.
Ist das nicht gut investiertes Geld, wenn dadurch die musikalische Ausbildung von Kindern gefördert
wird?
Rettig Schon, aber 1000 Euro ist eine Menge Geld. Man könnte es auch anders organisieren, zum Beispiel wie im Kindergartenbereich mit einer Sozialstaffel der Gebühren. Auch die Idee einer Zusammenarbeit der städtischen Musikschule mit privaten Anbietern wurde bisher nicht konsequent verfolgt.
Außerdem stehen in den kommenden Jahren viele Bauprojekte an, vor allem in Osterath.
Rettig Ja, wir müssen uns fragen, wie das Wohnungsbaukonzept umgesetzt werden kann. Da gibt es so viele Projekte, aber in der Verwaltung scheint es aufgrund der Personalsituation besonders im technischen Bereich immer schwieriger zu sein, diese zügig umzusetzen.
Sie sind also für neue Stellen in der Verwaltung?
Rettig Ich will nicht sagen, dass wir mehr Personal brauchen, es können ja auch Aufträge nach außen vergeben werden, was ja auch geschieht. Aber es werden bis 2025 rund 25 Prozent der derzeitigen Verwaltungsmitarbeiter allein aus Altersgründen ausscheiden. Wenn es keine Alternativen gibt, müssen diese Stellen natürlich wiederbesetzt werden, damit die Arbeit geleistet werden kann. Das dürfte allerdings in den nächsten Jahren immer schwieriger werden.
TANJA KARRASCH FÜHRTE DAS INTERVIEW.