Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich bin vor keinem Halteplatz fies“

Johannes Schneider, Jahrgang 1950, ist seit 36 Jahren als Taxifahrer in Düsseldorf unterwegs. Er hat RP-Mitarbeite­r Benjamin Schruff von seinen Erlebnisse­n erzählt.

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Gibt es in Düsseldorf Straßen durch die Sie noch nie gefahren sind?

JOHANNES SCHNEIDER Nicht viele. Vielleicht sind ein paar Sackgassen übrig geblieben, in die ich noch nicht rein geschnüffe­lt habe. Aber eigentlich habe ich alles abgeklappe­rt.

Haben Sie sich während einer Tour schon mal komplett verfahren?

SCHNEIDER Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass ich eine Straße verwechsel­t hätte. Es passiert schon mal, dass man in der Straße daneben landet. Und wenn ich mich mit einem Fahrgast unterhalte, fahre ich manchmal immer weiter geradeaus und vergesse das Abbiegen. Den Umweg ziehe ich dann natürlich vom Fahrpreis ab.

Was war die längste Tour, die sie je gefahren sind?

SCHNEIDER Vom Flughafen nach Neumünster, nördlich von Hamburg. Knapp 500 Kilometer in viereinhal­b Stunden, hat 700 oder 800 Mark gekostet. Das war ein Rosenmonta­g, der Mann kam im Rollstuhl aus dem Urlaub zurück, seine Versicheru­ng hat die Fahrt bezahlt. Der war nett, wir haben uns gut unterhalte­n. Auf dem Rückweg habe ich dann Verwandte in Hamburg besucht.

Haben Sie eine Lieblingss­trecke?

SCHNEIDER Kann ich nicht sagen, nein. Ich fahre alles rauf und runter, bin vor keinem Halteplatz fies.

Hat sich das Benehmen der Fahrgäste im Laufe Ihres Berufslebe­ns eher verbessert oder verschlech­tert?

SCHNEIDER Kommt darauf an, wen man wann fährt. Die Wochenende­n in der Altstadt sind schlimm geworden. Vor allem wegen der Junggesell­enabschied­e. Die Jungs haben Bierflasch­en in der Hand, die Mädels Piccolos. Und wenn man ihnen sagt, dass sie damit nicht ins Taxi dürfen, fangen sie an zu pöbeln. Früher haben die Leute sich noch mit Anstand besoffen. Und dann ist da Willy Wichtig. Der steigt am Flughafen ein, hat das Handy an die Backe genagelt und ist fest davon überzeugt, dass ohne ihn die Firma kaputtgeht. Der sagt dann Sachen wie ,Ich komme gerade aus dem Flieger und steige jetzt ins Taxi’. Wen interessie­rt das?

Was führt zum Rauswurf aus Ihrem Taxi?

SCHNEIDER Essen und Trinken. Auf der Rückbank ein Frühstück auszupacke­n, ist ein absolutes No-Go. Und Flaschen gehen schon aus Sicherheit­sgründen nicht. Wenn jemand gerade trinkt, während ich abrupt bremsen muss, schlägt der sich ein paar Zähne aus. Einen Dackel auf die Hutablage oder die Sitze zu setzen, läuft auch nicht. Hunde können mitfahren, müssen aber in den Fußraum und dürfen kein Theater machen.

Wurden Sie schon mal überfallen?

SCHNEIDER Überfall kann man das nicht nennen. Einmal ist am hellichten Tag ein Typ eingestieg­en und hat gesagt: „Fahren Sie los, ich habe eine Pistole.“Ich bin dann schnell ausgestieg­en und in Deckung gegangen. Der Typ ist dann auch ausgestieg­en und weggerannt.

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