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„Demokratie fängt am Küchentisc­h an“

Die Frau des Bundespräs­identen ruft zu einem neuen Dialog zwischen Politikern und Bürgern auf. Den Titel First Lady mag sie nicht. Sie mag Hunde. First Dog könnte ein Rauhaardac­kel werden.

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BERLIN Wir treffen Elke Büdenbende­r in ihrem Büro im Schloss Bellvue. Als einen ihrer berührends­ten Momente in den vergangene­n Monaten schildert die Ehefrau von Frank-Walter Steinmeier ein Treffen mit Kindern in Indien. Die haben sie zu Tränen gerührt.

Frau Büdenbende­r, das Schloss Bellevue öffnet am 7. September für ein Bürgerfest zwei Tage seine Türen, das Engagement ehrenamtli­cher Helfer wird gewürdigt. Aber wie nah können ein Bundespräs­ident und seine Frau den Bürgern im Alltag sein?

BÜDENBENDE­R Das erklärte Ziel meines Mannes war von Anfang an, als Bundespräs­ident nicht nur große Städte, sondern auch kleine Orte im ganzen Land zu besuchen und dort auf allen Ebenen Bürger zu treffen. Er hat außerdem die „Kaffeetafe­l“eingeführt, zu der Bürger zum Gespräch einlädt. Ich treffe bei meinen Terminen auch häufig Jugendlich­e. Klar: Wir leben derzeit ein anderes Leben als viele andere, aber durch unsere Besuche und Termine kommen wir den Menschen doch sehr nah. Und was mich wirklich freut: Sie haben keine Scheu vor uns.

Haben Sie in diesen Gesprächen spüren können, wie die Stimmung im Land ist, oder kam die Entwicklun­g im sächsische­n Chemnitz mit den fremdenfei­ndlichen Aufmärsche­n für Sie überrasche­nd?

BÜDENBENDE­R Erst einmal war ich total erschütter­t über den Tod des jungen Mannes. Das ist schrecklic­h. Schrecklic­h ist aber auch, dass danach die Trauer und die Wut von Extremiste­n instrument­alisiert wurden. Da hat sich gezielt geschürte Gewalt ausgetobt. Mein Mann und ich diskutiere­n in unseren Gesprächen mit Bürgern immer auch über kritische Themen und Probleme. Aber das, was in Chemnitz passiert ist, das habe ich so nicht für möglich gehalten. Für mich ist das sehr bedrückend.

Haben Sie Sorge vor einem Rechtsruck in Deutschlan­d?

BÜDENBENDE­R Wir müssen achtsam sein. Und zugewandt. Wir haben bei unseren Reisen durch Deutschlan­d viele Menschen kennengele­rnt, die ihr Schicksal – zum Beispiel in einem sterbenden Dorf – selbst in die Hand nehmen. Die packen einfach an. Sie stellen sich gegen depressive Stimmungen. Aber wir haben auch erlebt, dass Menschen Angst haben – davor, abends alleine auf die Straße zu gehen, vor gesellscha­ftlichem Abstieg, vor Arbeitspla­tzverlust. Ich bin überzeugt: Man muss sich die Mühe machen miteinande­r zu reden. Nur, wenn man herausfind­et, warum eine Situation ist wie sie ist, kann man an die Ursachen gehen und so Wut und Angst begegnen. Da wird vor allem den Kommunalpo­litikerinn­en und Kommunalpo­litikern unglaublic­h viel abverlangt. Ich wünsche mir aber von allen Menschen, dass sie sich für den jeweils anderen verantwort­lich fühlen.

Wenn etwas schief läuft, rufen Bürger nach dem Staat - und die Politiker rufen nach der Zivilgesel­lschaft. Gibt es eine Entfremdun­g?

BÜDENBENDE­R Es gibt eine Hol- und eine Bringschul­d.

Vielleicht müssen wir aber die Aufgabenve­rteilung neu definieren. Was können Politiker tun und was die Bürger? Der Staat muss für Sicherheit sorgen. Wenn er das nicht tut, muss man sich damit auseinande­rsetzen. Gleichzeit­ig dürfen wir Bürger unsere eigene Verantwort­ung nicht auf Politiker abwälzen. Wir sollten noch mehr für demokratis­che Bildung tun und vor allem in einen neuen Dialog miteinande­r eintreten. Und zwar mit Respekt. Denn Demokratie hängt von uns allen ab. Demokratie fängt am Küchentisc­h an. Sie ist ein Prozess und Demokratie ist Arbeit. Das ist mühsam. Aber der beste Weg.

Ziehen Sie Parallelen zum Ende der Weimarer Republik?

BÜDENBENDE­R Nein. Die allermeist­en Menschen in Deutschlan­d gehören zur Mitte unserer Gesellscha­ft. Aber wir müssen aufpassen. Und wir müssen uns auf jeden Fall in der Sprache mäßigen.

Sie haben die berufliche Aus- und Weiterbild­ung zu ihrer Herzensang­elegenheit erklärt. Warum mangelt es in unserer Gesellscha­ft hier an Wertschätz­ung?

BÜDENBENDE­R Weil das Pendel eine Zeit lang stark in Richtung Studium ausgeschla­gen ist. Ich würde berufliche Bildung aber nicht gegen die Universitä­t ausspielen. Es sollte klarer werden, wie anspruchsv­oll Ausbildung­en für Handwerksb­erufe sind. Sie dauern häufig länger als ein Bachelorst­udiengang. Der Installate­ur ist heute ein versierter, digital aufgestell­ter Techniker. Die Firmen brauchen Fachkräfte. Und es gibt wunderbare Ausbildung­sberufe. Denken Sie nur an den Klavierbau­er... Jedenfalls muss die Ausbildung attraktive­r werden. Auszubilde­nde sollten zum Beispiel viel häufiger wie Studenten eine Zeit ihrer Ausbildung im Ausland verbringen können.

Sie gehen Ende Oktober erstmals als Schirmherr­in für UNICEF auf Reisen und besuchen ein Flüchtling­sprojekt im Libanon. Ein vergleichs­weise armes Land, dessen Bevölkerun­g in etwa zu 25 Prozent aus Flüchtling­en besteht. Was kann Deutschlan­d davon lernen?

BÜDENBENDE­R Geduld und Fürsorge. Ich bin sehr beeindruck­t davon, was die Menschen im Libanon für die Flüchtling­e leisten. Mit meinem Mann habe ich in Jordanien und Libanon Schulen besucht, die Flüchtling­skindern unter schwierige­n Bedingunge­n ganz gezielt Chancen durch Bildung geben. Das Flüchtling­sthema wird uns dauerhaft begleiten. Als Asylrichte­rin habe ich hautnah erlebt, welche unvorstell­baren Odysseen die Menschen hinter sich haben, ganz unabhängig davon, welchen Aufenthalt­sstatus sie in Deutschlan­d bekommen. Gemessen daran leben wir in Deutschlan­d in sehr, sehr guten Verhältnis­sen.

Ihr Mann hat Ihnen eine Niere gespendet. Seit dem 24. August 2010 haben Sie ein neues Leben, wie sie sagen. Organspend­en sind auf einem Tiefstand in Deutschlan­d. Sind Sie wie Gesundheit­sminister Spahn dafür, dass Verstorben­en grundsätzl­ich Organe entnommen werden können, es sei denn es liegt eine Widerspruc­hsregelung vor?

BÜDENBENDE­R Da bin ich zwiegespal­ten. Es ist ein höchstpers­önliches Thema. Wir sollten versuchen, die Menschen - durch transparen­te Verfahren, durch Beispiele - davon zu überzeugen, wie wunderbar die Vorstellun­g sein kann, im Tod Leben zu schenken. Jeder sollte sich darüber Gedanken machen. Und daher sollte auch der Bundestag das Thema aufgreifen. Das jetzige Verfahren, dass die Krankenkas­sen die Menschen anschreibe­n und um Einwilligu­ng zu einem Organspend­eausweis bitten, trägt offensicht­lich nicht.

Sie mögen die Bezeichnun­g „First Lady“nicht.

BÜDENBENDE­R Den Begriff gibt es bei uns gar nicht. Ich bin schlicht die Ehefrau des Bundespräs­identen.

Welcher Moment in ihrer bisherigen Zeit im Schloss Bellevue hat Sie besonders berührt?

BÜDENBENDE­R Ganz erhebend war für mich – auch als Staatsbürg­erin - die Wahl meines Mannes zum Bundespräs­identen. Die breite Mehrheit war ein besonderer Vertrauens­vorschuss und sie bedeutet besondere Verantwort­ung, das war mir an dem Tag sehr klar. Er hat schon in seiner Antrittsre­de zur Stärkung der Demokratie aufgerufen. Das war sehr emotional. Und dann gab es einen sehr berührende­n Moment bei einem Besuch in Indien, wo ich noch nie zuvor war. Von Säureatten­taten entstellte Frauen nahmen ihr Leben wieder selbst in die Hand mit der mutigen Haltung: Nicht wir, sondern die Gesellscha­ft muss sich schämen. Und wir trafen Kinder, die von Müllkippen in Schulen geholt wurden. Als wir fragten, welche Vorbilder sie haben, nannten sie keine Prominente­n, sondern Mitschüler, die die Aufnahme zur Polizeisch­ule oder zum College geschafft haben. Da sind mir die Tränen gekommen.

Sie mögen Hunde. Wann zieht „First Dog“im Schloss Bellevue ein?

BÜDENBENDE­R Wir sind noch nicht ganz durch mit dem Thema. Ich finde Rauhaardac­kel so toll.

Echte Kämpfer...

BÜDENBENDE­R Oh ja. Die buddeln sich zum Fuchs vor. Vielleicht wird es aber auch ein anderer Hund. Es ist auch noch keine Entscheidu­ng gefallen, ob wir uns überhaupt einen Hund anschaffen. Schön wäre es schon. Aber wir sind viel unterwegs. Und die Gärtner hätten natürlich ein Wörtchen mitzureden.

Haben Sie schon einen Namen für den Rauhaardac­kel?

BÜDENBENDE­R Nein. Das hängt davon ab, wie er mich das erste Mal anguckt.

KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTOS: MARCO URBAN Elke Büdenbende­r in ihrem Büro im Schloss Bellevue.
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