Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Keine Hintertür für die Kanzlerin

- VON KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ

Die Union ist bemüht um Sachthemen. Doch Seehofer heizt den Konflikt um die Migration neu an.

BERLIN/NEUHARDENB­ERG Die Kanzlerin stiehlt sich an dem Pulk von Journalist­en regelrecht vorbei. Angela Merkel hat kein Interesse, den von CSU-Chef Horst Seehofer abermals aufgeworfe­nen Konflikt um die Flüchtling­spolitik auch noch zu Beginn der Klausur des Unionsfrak­tionsvorst­ands in Berlin zu kommentier­en. Der Innenminis­ter hatte die Migrations­frage als „Mutter aller politische­n Probleme“bezeichnet. Die CDU-Chefin sieht das freilich anders. Auf den Fluren des Bundestags wird gefeixt, Seehofer ziele mit „Mutter“auf Merkel.

Der Fraktionsv­orstand hat eine ganze Reihe von Positionsp­apieren erarbeitet. Er will: Leistungen für den Schulbedar­f von Kindern aus Hartz-IV-Haushalten um ein Fünftel von bisher 100 auf 120 Euro erhöhen, den Besitz von Kinderporn­ografie härter bestrafen, eine zentrale Clearingst­elle zur Aufarbeitu­ng von Zwangsadop­tionen in der DDR einsetzen und der Digitalisi­erung in allen Bereichen der Regierungs­arbeit Priorität einräumen. Viel spannender ist für die Abgeordnet­en aber die Kampfkandi­datur zwischen dem seit 13 Jahren amtierende­n Fraktionsc­hef Volker Kauder und seinem Stellvertr­eter Ralph Brinkhaus am 25. September um den Vorsitz. Beide sprechen von Rückhalt in der Fraktion für ihre Kandidatur.

Seehofer hat sich bei der Tagung der CSU-Landesgrup­pe unmittelba­r vor dem Treffen des Fraktionsv­orstands bereits für Kauder ausgesproc­hen. Dieser habe die Kraft, die Union zu einen und mit CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt zusammen die Regierung wirksam zu kontrollie­ren.

Nicht zufällig hatte Dobrindt die CSU-Abgeordnet­en in Neuhardenb­erg im „Feldlager vor den Toren Berlins“willkommen geheißen. Feldlager hat etwas mit Aufmarsch zu tun. Und das wies die CSU bereits mit der Auswahl ihrer Gäste nach: Den Trump-Vertrauten und US-Botschafte­r Richard Grenell und den Merkel-Gegner und EU-Skeptiker Lars Lokke Rasmussen, Dänemarks Regierungs­chef. Rasmussen bevorzugt, wie die CSU, nicht nur verschärft­e Kontrollen an seiner südlichen Grenze, er redete sich auch mit Äußerungen etwa gegen zu viel Macht in Brüssel in die Herzen der Christsozi­alen.

Den Grenell-Besuch nutzte die CSU zur Vorbereitu­ng einer Attacke, indem sie sich scharf dagegen verwahrte, ein „Gegengewic­ht gegen die USA“aufzubauen. Davon hatte SPD-Außenminis­ter Heiko Maas gesprochen. Es war nicht der einzige Angriff auf den Koalitions­partner. Hinzu kam die Festlegung, definitiv keinen Spurwechse­l für Migranten vom Asylverfah­ren in den Arbeitsmar­kt zuzulassen, wie es die SPD will. Zudem warnte die CSU die SPD davor, Absprachen zu Ankerzentr­en im Koalitions­vertrag sowie zur Einstufung von mehr Staaten als sichere Herkunftsl­änder zu ignorieren.

Merkel zwängt sich zwar durch eine Absperrung in den Tagungssaa­l und sagt amüsiert etwas von „Hintertür“. Hier gibt es nämlich keine. Auf Seehofer hatte sie aber schon am Morgen im RTL-Interview reagiert. Probleme bei der Migration? Ja, sagt sie – und Erfolge.

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