Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neustart im Klassenzimmer
Heiko Maas und Mevlüt Cavusoglu beleben die deutsch-türkischen Beziehungen.
ISTANBUL Was hätte aus den beiden Herren nicht alles werden können? Der eine, Mevlüt Cavusoglu, hatte in jüngeren Jahren ein Angebot des türkischen Erstligisten Antalyaspor, Position Stürmer. Der andere, Heiko Maas, wäre auch gerne Fußball-Profi geworden, „aber dafür hat es nicht gereicht“. Anwalt wäre auch noch eine Option für ihn gewesen. Was sind sie schließlich geworden? Außenminister ihrer Länder – von Deutschland und der Türkei. Weltkugel statt Fußball. Maas ist mit seinem heutigen Schicksal allerdings nicht ganz unzufrieden: „Es ist jetzt ganz okay als Außenminister. Man sieht viel von der Welt. In dem Job, den ich jetzt mache, lernt man jeden Tag ganz viel, praktisch so wie in der Schule.“
Die Schülerinnen und Schüler des Deutschen Gymnasiums in Istanbul schmunzeln bei solchen Sätzen. Heiteres Raunen in der Mensa. Na also, Karriere ist möglich, auch wenn das Leben gemeinhin nicht planbar ist. Obwohl: Cavusoglu sagt tatsächlich, er habe eigentlich immer Diplomat werden wollen. Maas betont, er habe nicht geplant, einmal Außenminister zu werden. Aber dann kam manches anders. „Das Leben führt Sie an Plätze, von denen Sie nicht geträumt oder mit denen Sie nicht gerechnet haben.“
Maas und Cavusoglu sind gerade dabei, wieder eine Brücke für den Neustart der lange abgekühlten deutsch-türkischen Beziehungen zu bauen. Partnerschaft im Klassenzimmer, in diesem Fall: der Chemiesaal der Schule. Sie suchen nach der Formel für eine Wiederannäherung. Ja, es habe „Irritationen“gegeben, so Maas. Aber darüber werde nun offen gesprochen. In diesen zwei Tagen von Ankara und Istanbul habe man jedenfalls „jede Minute, jede Stunde“genutzt, wie Cavusoglu betont, um für bessere Beziehungen zu arbeiten.
Für die Bundesregierung ist die Inhaftierung zahlreicher Deutscher in der Türkei weiter ein Unding, schlicht nicht akzeptabel. Man würde zumindest die Gründe für die in einigen Fällen willkürlichen Verhaftungen nachvollziehen können. Maas: „Der türkischen Seite ist die Haltung der Bundesregierung ziemlich klar.“Natürlich nennt er keine Namen, welche Fälle er im Gespräch mit Cavusoglu und auch bei Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angesprochen hat. Aber man sei und bleibe darüber im Gespräch.
50 Minuten ist Maas bei Erdogan. Es geht auch um den Syrien-Konflikt, wo Deutschland wenigstens eine humanitäre Katastrophe in der womöglich bevorstehenden Schlacht um die letzte Rebellenhochburg Idlib verhindern will. Cavusoglu sagt trocken: „Die Türkei hat diese terroristischen Gruppen nicht dorthin geschickt.“Und dann ist da noch ein anderes Thema. Die Bundesregierung weiß: Der türkische Präsident will gerne zu seinen Anhängern – in Köln oder in Berlin – sprechen, wenn er Ende September zum Staatsbesuch nach Deutschland. Auch darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.