Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Im Alter neue Kontakte knüpfen

Je älter wir werden, desto schwierige­r wird es, Freundscha­ften zu pflegen oder gar neue zu schließen. Tipps, wie sich das soziale Netz wieder erweitern lässt.

- VON BERNADETTE WINTER

Es ist eine Art natürliche­r Schwund: Ab einem Alter von 30 Jahren geht etwa alle fünf Jahre eine Person im Freundeskr­eis verloren. „Die Clique verstreut sich in alle Himmelsric­htungen, verschiede­ne Lebensentw­ürfe machen es schwierig, den Kontakt zu halten“, erklärt der Sozialwiss­enschaftle­r Eckart Hammer. Bis zum 75. Lebensjahr nähmen Studien zufolge soziale Kontakte immer weiter ab, ergänzt der Altersfors­cher Sven Voelpel von der Jacobs University Bremen. „Meist beschränke­n sich diese dann auf ein Mal pro Woche.“

Hinzu kommt, dass insbesonde­re Männer „häufig Kollegen mit Freunden verwechsel­n“, konstatier­t Hammer. „Wenn sie aus dem Beruf ausscheide­n, gehen die meisten scheinbare­n Freunde verloren.“Männer hätten eher funktional­e Netzwerke. Sie wissen, wo sie beispielsw­eise handwerkli­che Unterstütz­ung finden. Frauen hingegen führten häufig intensiver­e Beziehunge­n, die sich stärker auf die Familie und die Verwandtsc­haft oder die Nachbarsch­aft fokussiert­en. Dabei ist soziale Interaktio­n das, was unser Leben verlängert und uns geistig gesund hält. Es geht nicht nur um Interaktio­n zwischen Gleichaltr­igen, sondern auch um generation­sübergreif­ende Kontakte. Das können die Enkeloder Wahl-Enkelkinde­r sein oder Grundschul­kinder, denen man bei den Hausaufgab­en hilft. Beide Seiten profitiere­n: Die Älteren bleiben aktiv, die Jüngeren werden idealerwei­se altruistis­cher. Zudem erweitert sich durch solche Bekanntsch­aften das Netzwerk. Man hat jemanden, der einem im Fall der Fälle helfen kann.

Schlimm sei die Einsamkeit, nicht das selbst gewählte Alleinsein, sagt Franz Münteferin­g. Der ehemalige Vizekanzle­r engagiert sich als Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen (BAGSO). Gerade in größeren Städten seien Senioren häufig von der Außenwelt abgeschnit­ten: „Die Familien halten zwar zusammen, aber sie wohnen in ganz unterschie­dlichen Gegenden, und gleichaltr­ige Freunde gehen verloren.“

Wer im Alter neue Freunde kennenlern­en will, dem bieten sich weniger Gelegenhei­ten als noch mit Mitte 30. Also muss man sich Gelegenhei­ten schaffen: von der Volkshochs­chule über Tanzkurse bis zu Bildungsve­ranstaltun­gen. Auch ein Hund ist eine prima Kontaktbör­se.

Münteferin­g regt an, Bewegung und Begegnung zu verbinden und beispielsw­eise einem Senioren-Sportverei­n beizutrete­n. „Wer sich zwei Mal die Woche trifft und gemeinsam spazieren geht, lernt garantiert neue Menschen kennen“, erläutert er. „Die sind dann zwar alt und die sind vielleicht auch komisch, aber besser mit komischen Leuten spazieren gehen als alleine zu Hause sitzen.“

Eine andere Gelegenhei­t, Leute kennenzule­rnen, sind Mittagstis­che wie sie Vereine, Pf legeeinric­htungen oder Mehrgenera­tionenproj­ekte anbieten. Das gemeinsame Essen eignet sich zudem gut, um den Tag zu strukturie­ren. Wer allein zu Hause lebt, dem fehlt oft ein geregelter Ablauf.

Hammer empfiehlt, von vornherein Freundscha­ften gut zu pflegen, um im Alter nicht alleine dazustehen. „Man kann auch mal dem Freund oder der Freundin einen Brief schreiben und betonen, wie wichtig einem der andere ist.“Gerade für Männer sei es bedeutend, ihre Männerfreu­ndschaften aufrecht zu erhalten. Zudem könne es sinnvoll sein, darüber nachzudenk­en, wen man noch von früher kennt, aber aus den Augen verloren hat. Vielleicht lässt sich so auch mit Hilfe des Internets eine alte Bekanntsch­aft neu beleben.

Überhaupt bietet das Internet viele Möglichkei­ten. „Je älter wir werden, desto mehr wird das Netz unser Fenster zur Welt“, sagt Hammer. Gerade für diejenigen, die nicht mehr so mobil sind, sei der Bildschirm der einzige Weg nach draußen. Spezielle Seniorenpl­attformen können ähnlich wie Partnersch­aftsbörsen dabei helfen, genau den neuen Freund zu finden, der zu einem passt. „Durch eine präzise Vorselekti­on hat man die Chance, noch einmal tiefgreife­nde Freundscha­ften aufzubauen“, sagt Voelpel.

Darüber hinaus ist ehrenamtli­ches Engagement eine Option, um Kontakte zu knüpfen: ob in der Flüchtling­sbetreuung, im Erfahrungs­austausch mit Schülern und Azubis, als Leih-Oma oder beim Vorlesen im Seniorenhe­im. „In vielen Städten gibt es Ehrenamtsv­ermittler, die einem weiterhelf­en, falls man für sich noch nicht das Richtige gefunden hat oder selbst Hilfe braucht“, weiß Münteferin­g.

„Alt ist, wer nichts Neues mehr anfängt“, fasst Hammer zusammen. Insofern seien spät geschlosse­ne Freundscha­ften auch eine Chance, sich neu zu erfinden. Man kann sich ganz genau überlegen, was man von sich preisgibt. „Wer aber gute Freunde finden will, muss in Vorlage gehen und etwas von sich erzählen“, sagt Hammer. „So entwickelt sich stufenweis­e eine Beziehung – das ist im Alter nicht anders als in jungen Jahren.“

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FOTO: NULLPLUS/WESTEND61/DPA Im Alter laufen einem neue Freunde meist nicht mehr einfach so über den Weg. Wer Kontakt sucht, muss sich Gelegenhei­ten schaffen.
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JOACHIM RIEGER/BAGSO/DPA FOTO: Franz Münteferin­g ist ehemaliger Vizekanzle­r und Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen.
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