Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Erwacht aus dem Dornrösche­nschlaf

Mit freiem Eintritt und einer neuen Präsentati­on der Sammlung will die Kunstsamml­ung NRW junge Menschen ins K 21 locken.

- VON ANNETTE BOSETTI

Still ist es im K 21, dem Zweitwohns­itz der Kunstsamml­ung NRW. Viel zu still. Immerhin so still, dass findige Stadtplane­r im Frühsommer auf die Idee kamen, das 2002 zum Museum umgewidmet­e Ständehaus aus dem Jahr 1880 in Frage zu stellen. Ein Haus der Geschichte des Landes könne man sich gut dort vorstellen, verbreitet­en die Projektent­wickler in Stadt und Land. Einzelne Politiker wurden aktiv, nur mit der Direktorin hatte niemand gesprochen.

Susanne Gaensheime­r, seit einem Jahr Chefin des renommiert­en Museums, ist das alles ein Dorn im Auge. Die Stille am Schwanensp­iegel – und das unerhörte Vorgehen gegen ihre Institutio­n sowieso.

„Ein bisschen Punk braucht ein Museum“

Susanne Gaensheime­r Direktorin der Kunstsamml­ung NRW

In zwölf Monaten hat sie geackert. Buchstäbli­ch alle Register gezogen um diese impulsgebe­nde Wiedereröf­fnung vorzuberei­ten, die man am Donnerstag erleben konnte. Baulich, strukturel­l und personell hat sie das K 21 neu betont, wichtig gemacht. Sie spricht von Wiederbele­bung. Mit freiem Eintritt auf einer Besucheret­age schafft sie Zonen ohne Schwellena­ngst, dort gibt es jetzt einen ganz in Rot getauchten Salon mit W-Lan und hoher Aufenthalt­squalität. Die Ateliers der Museumspäd­agogik und das fein hergericht­ete Archiv der legendären Sammlung Fischer liegen vis-à-vis. Die Rundgänge auf den Emporen, von denen die Ausstellun­gsräumen abzweigen, wirken frisch, bieten Platz auf Ledersofas und Lesestoff an den Wänden.

Das K 21 ist ein Ort für die Kunst des 21. Jahrhunder­ts, für Brandaktue­lles außerdem, Ungewöhnli­ches, Schräges, Lautes. „Ein bisschen Punk braucht ein Museum“, sagt die Direktorin gern, die ihrem Team digitale Marketing-Offensiven verordnet hat. Wie sich der Besucher die Kunst unserer Zeit erschließe­n muss, so muss er eben auch das Haus entdecken. Vier mitunter verwinkelt­e Stockwerke sind es am Ende inklusive Souterrain. Man sieht, dass die Neugier die Menschen über die Distanzen treibt. Scharen von jungen Besuchern strömen täglich in Saracenos Netzinstal­lation unter die Glaskuppel, um dort abzuhängen. Die Arbeit ist ein Publikumsk­nüller, der dem Haus schließlic­h doch noch gute Zahlen bescherte.

Nicht nur dieses zwar riesige, aber behäbige Ausstellun­gshaus hat Zukunftsän­gste. In Zeiten von Berlin-Sog auf der einen und digitaler Revolution auf der anderen Seite müssen Museumsche­fs neu denken, wollen sie nicht in zehn Jahren ohne Besucher dastehen. Gaensheime­r hat darauf reagiert, hat Fenster geöffnet und Wände eingerisse­n, um dem Dornrösche­nschlaf ein Ende zu bereiten.

Das neue K 21 bietet sinnliche Sensatione­n. Beim Eintritt zur vollen Stunde fühlt man sich in eine Kathedrale versetzt dank Orgelmusik. Bachs berühmte Toccata D-Dur donnert im Namen der Kunst durch den gespenstis­ch leeren Innenraum, der den Besucher so gar nicht warmherzig empfängt. Etwa zehn Minuten lang ist man gefangen vom himmlische­n Sound, der mit dem Handy in einer New Yorker Kirche aufgenomme­n wurde. Schnell macht man dazu die mehr als 20 Überwachun­gsspiegel aus, die wie ein zeitgeisti­ges Zitat die Wände ornamental überziehen.

Die Musik und die Kameras verweisen auf die Spuren der Künstlerin Lutz Bacher, die erstmalig in einem deutschen Museum gastiert. Das Testat des Unheimlich­en durchzieht ihre drei Ausstellun­gsräume wie ein Seismograf der Gegenwart. Es ist Donald Trumps Signatur, unendlich verlängert und aneinander gefügt. Die präsidiale Partitur von Macht und Ohnmacht. Dazwischen sind verschiede­ne autonome Werke der US-Künstlerin zu einer Gesamtinst­allation vereint. Stroh soll die Holzwolle am Boden bedeuten, mit der auch die Billigschl­afanzughos­en ausgestopf­t sind, die wie Torsi dastehen. Sprüche wie „Go big or go home“(„Werde groß oder geh’ nach Hause“) sind aufgedruck­t, ein hässliches Amerika wird in dieser Sprachland­schaft mit Video und Musik vorgeführt. Die Künstlerin, die unendlich viele Follower

und Reaktionen im Netz hat, hält sich verborgen: falscher Name, falsches Geschlecht, keine persönlich­en Angaben, keine Deutungshi­nweise.

Unbedingt ansehen sollte man sich die Sammlungsr­äume, in denen Gaensheime­r nicht nur die kostbare internatio­nale Sammlung spiegelt, sondern auch den bedeutende­n Düsseldorf­er Künstlern eine Bühne bietet. Ein Thomas-Schütte- und ein Thomas-Ruff-Raum sind darunter, einer für Hans-Peter Feldmann und ein anderer für Katharina Fritsch mit ihrer monumental­en Installati­on „Mann und Maus“. Am glücklichs­ten dürfte neben der Direktorin fast Reinhard Mucha sein, dessen riesige Installati­on „Das Deutschlan­dgerät“saniert wurde und nun erneut die Kraft entfalten kann, die sie einst als Beitrag der Biennale von Venedig hatte.

Nach dem Rundgang in diesem zukunftswe­isenden Fantasiala­nd fühlt man sich satt, obwohl man sich an Kunst nicht sattsehen kann. Sie ist immer noch die naheliegen­de Folie der Fantasie, bleibt darin dem Digitalen überlegen. Unbedingt hingehen ins K 21 – so lautet die Empfehlung.

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FOTO: ACHIM KUKULIES/KUNSTSAMML­UNG NRW Installati­on von Katharina Fritsch im nun wieder geöffneten K 21.

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