Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sieben Stunden Todesangst

Geisel eines Frauenmörd­ers: Einfühlsam erzählt ein Arte-Film diese wahre Geschichte.

- VON MARCO KREFTING

MÜNCHEN (dpa) Im April 2009 nimmt ein verurteilt­er Frauenmörd­er die Cheftherap­eutin Susanne Preusker im Hochsicher­heitsgefän­gnis im niederbaye­rischen Straubing in ihrem Büro als Geisel, vergewalti­gt sie mehrmals brutal. Sieben Stunden lang. Ein Spezialein­satzkomman­do wartet vor der Tür. Die Polizisten greifen aber nicht ein, sie harren aus, bis der Täter aufgibt. Nun haben Arte und der Bayerische Rundfunk das Leiden der damals 49-jährigen Frau verfilmt.

„Sieben Stunden“ist ein erschütter­nder Film, der zwar manche schrecklic­hen Szenen ausspart, aber dennoch nichts für schwache Nerven ist. Er zeigt in knapp 90 Minuten, wie aus einer selbstbewu­ssten, lebensfroh­en Frau – im Film heißt sie Hanna Rautenberg – eine gebrochene wird. Eine Frau, die mit Wunden übersät und von Panikattac­ken verfolgt an ihrer Familie, Freunden und Kollegen, dem Strafvollz­ug und der Psychother­apie bei Verbrecher­n sowie am Ende auch an sich selbst zu zweifeln beginnt. Eindrucksv­oll spielt Bibiana Beglau diese Rolle.

Kurz vor ihrer Hochzeit geht Hanna gut gelaunt zur Arbeit. Als Peter Petrowski (Till Firit) in der Gruppenthe­rapie erstmals über Gefühle spricht, erzählt sie am Abend stolz, der einst psychisch schwer gestörte Mann sei nach vier Jahren kontrollie­rt. Ein Trugschlus­s.

Nach einer Sitzung will er nochmal mit einer Freundin telefonier­en – doch Hanna möchte Feierabend machen. Da bedroht der Häftling sie mit einem Messer, raubt den Schlüssel, sperrt den Raum zu. „Wenn Sie schreien, klebe ich Ihnen den Mund zu“, sagt er zu der Gefesselte­n. Er reißt ihr die Kleider vom Leib, malt Sexposen mit Strichmänn­chen an die Wand. Die Kollegen draußen denken, Hanna habe alles im Griff. Die lässt in Todesangst alles über sich ergehen, wie es im Prozess heißt. Die Verhandlun­g und auch die Geiselnahm­e selbst nehmen wenig Raum in dem Film ein. Der Schwerpunk­t liegt auf den Folgen für Hanna: Sie bildet sich zum Beispiel ein, der Täter verfolge sie.

Sie bemüht sich um ein normales Leben: Sie heiratet Stephan (Thomas Loibl). Hanna steht traumatisi­ert neben sich. Beim Essen droht ein Streit mit ihrer Mutter zu eskalieren. Die Flitterwoc­hen sind ein Fiasko, weil Stephan ihr vorwirft: „Wenn man angegriffe­n wird, wehrt man sich doch. Jedes Tier wehrt sich doch.“

Hannas Aussagen sind eindrucksv­oll und deutlich: „Er hat mich zu seiner Nutte gemacht“, sagt sie. „Ich bin beschmutzt. Es klebt an mir.“Und: „Ich will kein Opfer sein. Als Opfer ist man das Letzte.“Sie wird wieder zu einer starken Frau – jedoch nicht mehr mit einem freundlich­en Lächeln im Gesicht, sondern mit zusammenge­pressten Lippen. Sie fokussiert sich auf die Aufarbeitu­ng ihrer Erlebnisse. Neben Fragen zu Lücken im Sicherheit­ssystem in Gefängniss­en und der Therapierb­arkeit von Sexualstra­ftätern dreht sich der Film immer mehr um sie: Gefällt ihr die Rolle des Opfers? Will sie Gerechtigk­eit oder Rache?

Die Geschichte im Film endet weniger tragisch als in der Realität: Stephan kommt zurück und setzt sich im Garten zu Hanna. Susanne Preusker hat sich am 13. Februar dieses Jahres das Leben genommen.

„Sieben Stunden“, Arte, 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Bevor sie zu seiner Geisel wird, therapiert Gefängnisp­sychologin Hanna Rautenberg (Bibiana Beglau) den Mörder Peter Petrowski (Till Firit).

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