Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der andere Buchladen wird 40 Jahre alt
40 Jahre ist es her, da beschlossen 13 junge Leute, eine Buchhandlung der besonderen Art zu eröffnen. Heute gibt es den „Buchladen Am Schinkenplatz“noch immer. Bekannt ist er als Der andere Buchladen.
Damals war so allerhand los: Wohngemeinschaften und Kollektive entstanden, man wehrte sich gegen den Widerstand der Konservativen und pflegte die Liebe zu Literatur und Politik. In diesem Klima gegen den Muff der Kriegsgeneration fanden sich in Krefeld 13 junge Leute zusammen und gründeten 1978 den „Buchladen Am Schinkenplatz“.
Sechs Jahre später zog man in die Dionysiusstraße und nannte sich fortan „Der andere Buchladen“. Das Anfangsteam im Jahre 1978 bestand aus einem Dutzend engagierter Alternativer und einer Buchhändlerin. Wolfgang Behl, jetzt zuständig für die Pressearbeit, kam 1980 dazu. Von den Gründern ist noch einer im Laden: Heinz Huwe-Schweers. Achim Kurschat, der vor zwei Jahren verstarb, beteiligte sich seit 1979.
„Wir waren unzufrieden mit dem Angebot in den Buchhandlungen“, sagt Behl, „wir vermissten die Kleinverlage wie etwa Wagenbach.“Also nahmen die Linken das selbst in die Hand. Die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten in der Umgebung funktionierte prima. „Wir haben uns Tipps gegeben und zusammengearbeitet“, erinnert sich Behl. Ein kleines literarisches Denkmal der Zeit findet sich in einem Beitrag von Literaturpreisträger Ulrich Peltzer in der Literaturzeitschrift Akzente: Nur noch diese Buchhandlung sei übriggeblieben aus der Zeit seines frühen Erwachsenenalters. Alles andere sei aus der Stadt verschwunden.
Im Buchladen lief alles auf gemeinschaftlicher Ebene. Alle haben im Laden gearbeitet, einer hat Geld außerhalb verdient. Aber die geteilten Überzeugungen waren eine gute Grundlage für gemeinsames Schaffen. „Wir wollten einfach die guten Bücher anbieten...“, sagt Behl und ergänzt: „ ...und lesen.“Im Rückblick könnte man sagen, dass die intelligente Linke sich den eigenen Laden geschaffen hat, um die eigenen intellektuellen Ansprüche zu befriedigen. Und darüber hinaus: „Wir wollten etwas tun, dass man sich wohlfühlt und citoyenhaft für die Gesellschaft eintritt“, sagt Behl. Obschon die Betreiber des Buchladens keine Dogmatiker waren, blies ihnen doch so manch scharfer Wind entgegen: In ihren Anfangszeiten wurde ihnen die Teilhabe am Geschäft mit Schulbüchern verboten.
Später schrumpfte das Kollektiv, der Buchladen konnte nicht so viele Menschen ernähren. Mit Idealismus wurde weitergemacht. Und immer war es wichtig, interessante Schriftsteller einzuladen. Aus Politik, Geschichte, Literatur, immer mit der Option auf kontroverse Diskussionen. In den 40 Jahren seit Gründung hat der Buchladen etwa 300 Gäste eingeladen. Genaues weiß man allerdings aus den ersten zehn bis 15 Jahren nicht: „Es wurde nichts schriftlich erfasst“, sagt Behl. Bei der Vorbereitung eines Resümees hat er noch mal in alte Bücherkisten geschaut und anhand der Widmungen seine Liste ergänzt.
Spontan nennt er drei Lesungen, die ihn am meisten beeindruckt haben: Gretchen Dutschke, Hans Neuenfels und Chris Kraus. Bei diesen Abenden mit Autoren kooperiert Der andere Buchladen mit Amnesty International, dem Eine-Welt-Laden, der Mediothek, dem Theater, der VHS und dem Werkhaus. Für ihre engagierte Arbeit wurden sie 2015 mit dem Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Nominiert wurden sie auch an diesem Jahr: Eine unabhängige Jury mit Experten der Branche hat an Goethes Geburtstag (28. August 2018) 118 Buchhandlungen (434 Bewerbungen) für den Preis nominiert.
Im Geburtstagsjahr können sich Bücherfreunde noch auf folgende Autoren freuen:
Leonie March mit „Mandelas Traum“am 19. September
Ingo Schulze mit „Peter Holtz“am 26. September
Chris Kraus: „Sommerfrauen Winterfrauen“am Dienstag, 9. Oktober Jürgen Karwelat: “Colonia Dignidad – deutsches Mustergut in Chile – ein Folterlager der DINA” am Donnerstag, 25. Oktober.
Fortgesetzt werden die Jubiläumstage bis ins kommende Jahr. Ein Teil der Gründungsdokumente stammt aus dem Mai 1979: „Also können wir getrost bis in den nächsten Frühling hinein feiern“, sagt Wolfgang Behl.
Und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Mit unserem Buchladen ist es wie mit der Kunst, schön – aber es macht viel Arbeit.“