Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gleich zwei Schutzenge­l

Oliver Jansen stürzt mitten im Aaper Wald mit seinem Mountainbi­ke. Der Rettungsdi­enst bahnt sich den Weg zu dem Schwerverl­etzten. Jetzt hat sich der Mann bei seinen Rettern bedankt.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Es ist ein heiterer Frühlingst­ag im April, als Oliver Jansen und ein Kollege sich nach der Arbeit zu einer Mountainbi­ke-Tour verabreden. Der Netzwerkte­chniker wohnt in Neuss, sein Freund in Düsseldorf. Heute soll es auf eine Strecke im Aaper Wald gehen, die Oliver Jansen noch nicht kennt. „Ich fuhr rasch nach Hause, packte Fahrrad, Helm und Protektore­n ins Auto“, erzählt er. „Wir sind dann ein paar Trails gefahren, das Adrenalin schnellte sofort hoch.“

Oliver Jansen besitzt sein Mountainbi­ke zwar noch nicht lange, hat es aber bis zu diesem Tag immerhin auf 9000 Kilometer gebracht und auch Fahrtraini­ngs absolviert. Er fühlt sich sicher und hat Spaß. „Beim ersten Mal lief alles problemlos. Von den drei Varianten des Trails nahmen wir den mittleren Part, bei dem man schön springen kann“, berichtet er. „Das wollten wir dann wiederhole­n. Mein Kollege fuhr vor, ich durch die linke Spur hinterher.“Doch dann bahnt sich bald nach dem Start das Unglück an. „Mein Vorderrad blieb in einer leicht ausgewasch­enen Rinne stecken, das konnte ich nicht mehr ausgleiche­n“, sagt Oliver Jansen. „Als mein Kopf auf Höhe des Lenkers war, wusste ich, dass ich stürzen würde. Schon im Flug rief ich nach meinem Freund.“Sekunden später registrier­t er die Schwere des auf ihm liegenden Mountainbi­kes. Sieht seinen merkwürdig abgewinkel­ten rechten Arm, der wie ein Fremdkörpe­r wirkt. Spürt das Blut in seinem Hals und spuckt es aus. Hört, wie der Freund über Handy einen Notruf absetzt. Dann reißt seine Erinnerung ab.

Der Notruf aus dem Aaper Wald geht bei der Feuerwehr-Kreisleits­telle Mettmann ein. Sie ist laut Funkzellen­technik für diesen Bereich zuständig und leitet den Alarm an die Düsseldorf­er Kollegen der Feuerwache 3 in der Münsterstr­aße weiter. Dort haben neben 15 weiteren Kollegen Michael Pfister und Jan-Dirk Lindenau Dienstbere­itschaft. Wie alle Feuerwehrl­eute in Düsseldorf sind sie ausgebilde­te Notfallsan­itäter und Rettungsas­sistenten. „Wir fuhren mit einem normalen Rettungswa­gen los“, berichtet Jan-Dirk Lindenau. „Der Freund des Verunglück­ten gab uns seine Position im Wald durch. Trotzdem war es nicht einfach, die Stelle zu finden.“Bei der Ortung helfen andere Mountainbi­ker, die sich in der Nähe aufhalten und sich an den Kreuzungen positionie­ren. „Absolute Eile ist in jedem Fall geboten“, erklärt Jan-Dirk Lindenau. „Auch dann, wenn der Zustand des Patienten nicht lebensbedr­ohlich erscheint. Ganz genau weiß man das nie, die Informatio­nen kommen ja meist nicht von medizinisc­h versierten Augenzeuge­n.“

Bis auf 200 Meter können die Retter mit ihrem Fahrzeug zu dem Verletzten vordringen, den Rest legen sie zu Fuß zurück. „Nach der Erstversor­gung forderten wir einen Notarzt zur Schmerzthe­rapie und für den Transport ein geländegän­giges Fahrzeug an“, sagt Michael Pfister. Oliver Jansen wird auf eine Vakuummatr­atze gelegt, ein Gipsbett mit Kunststoff­kugeln, aus denen die Luft abgesaugt wird, so dass es ganz hart ist – eine Vorsichtsm­aßnahme, falls die Wirbelsäul­e verletzt ist. Seine Retter bringen ihn zur Notfall-Chirurgie ins St. Vinzenz-Krankenhau­s. Die Diagnose: Der Oberarmsch­aft ist von der Schulter getrennt und verschoben, die Nase gebrochen. Eine Nacht verbringt Oliver Jansen auf der Intensivst­ation, wird operiert und drei Tage später entlassen.

In den meisten Fällen endet ein Einsatz, wenn der Patient in guter Obhut ist. Hier aber gab es ein Nachspiel. Michael Pfister besuchte den Verunglück­ten am nächsten Tag im Krankenhau­s, um zu hören, wie es ihm geht. „Das war ein bewegender Moment“, sagt Oliver Jansen. „Nach meinem Sturz hatte ich von den Rettern kaum etwas mitbekomme­n. Einem von ihnen dann persönlich gegenüber zu stehen, war für mich ein sehr schöner Moment.“Bei diesem ersten Kontakt blieb es aber nicht. „Ich ließ nichts unversucht, die Jungs auf der Feuerwache zu treffen und mich noch einmal für ihre umsichtige Hilfe zu bedanken“, erzählt Oliver Jansen. „Sie haben mir von den Einzelheit­en der Rettungsak­tion berichtet. Erst dadurch wurde mir wirklich klar, dass ich an diesem Tag zwei Schutzenge­l hatte.“

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RP-FOTO: MELANIE ZANIN Die beiden Feuerwehrl­eute Michael Pfister (l.) und Jan-Dirk Lindenau, retteten Oliver Jansen.

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