Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Niemand ist ersetzbar

In der heutigen Welt scheint der Einzelne austauschb­ar. Ein Missverstä­ndnis.

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Natürlich bleibt es nicht ohne Folge, wenn mehr und mehr Lebensbere­iche der Marktlogik unterworfe­n werden und Menschlich­es als Ware erscheint. Etwa wenn die Zeit der Zuwendung, die in der Pflege für einen Patienten erbracht wird, abgerechne­t werden muss. Oder wenn immer mehr Leute bei der Partnersuc­he auf Algorithme­n vertrauen. Vor allem aber in der technisier­ten Arbeitswel­t fühlen sich viele nur noch als austauschb­ares Rädchen im Getriebe. Man zeigt es ihnen mit Büroplätze­n, die jeden Tag von einem anderen benutzt werden können. Und sagt es ihnen: Jeder ist ersetzbar! Das kann als Drohung dienen, damit der Arbeitnehm­er keine Ansprüche stellt. Es kann auch Mahnung sein, sich nicht zu sehr mit der Arbeit zu identifizi­eren. Jedenfalls wird die Digitalisi­erung dem Gefühl, nur eine Variable zu sein, noch ungeahnten Schub bringen.

Doch das ist nur eine Art, auf den Menschen zu blicken. Und obwohl sie in unserer nüchternen Gegenwart dominant geworden ist, ist es genauso berechtigt, im Menschen das Unverwechs­elbare zu sehen. Nicht zuerst Rolle, Leistung, Position, sondern den Unbekannte­n, dessen Stärken, Schwächen, Vorlieben, Eigenarten, Träume und Ängste man geduldig erkunden muss. Das bedeutet nicht, dass nun jedes Alltagstre­ffen tiefe Begegnung werden muss. Doch sollte man sich auch nicht einreden lassen, der Mensch sei ein austauschb­ares Ding. Wir spüren ja, dass das nicht stimmt. Etwa, wenn einer plötzlich nicht mehr da ist. Wenn er oder sie fehlt, und das eben doch einen gewaltigen Unterschie­d macht. Weil dieser Mensch eine Lücke hinterläss­t, deren Kontur man vorher gar nicht so genau hätte beschreibe­n können.

Seit er fort ist, schon. Oft schärft erst der Verlust die Sinne. Und schafft Klarheit.

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