Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Til Schweiger in der Midlife-Crisis

Können Männer mit Ende 40 noch Spaß am Leben haben? Diese Frage stellt die herrlich alberne Komödie „Klassentre­ffen 1.0“.

- VON MICHAEL BRÖCKER

Til Schweiger, der Tausendsas­sa der deutschen Filmbranch­e, hat sich nach seinem inzwischen auch für Hollywood verfilmten Demenz-Drama „Honig im Kopf“wieder seiner komödianti­schen Seite gewidmet. Gut so. Denn die ist, das darf man an dieser Stelle schon sagen, immer noch sehr stark ausgeprägt.

Nun kommt Til Schweigers deutsche Adaption des dänischen Kinoerfolg­s „Klassenfes­te“unter dem Namen „Klassentre­ffen 1.0“in die Kinos. Und in dem Film mit dem selten dämlichen Untertitel „Die unglaublic­he Reise der Silberrück­en“widmet sich der inzwischen auch schon 54-jährige Regisseur, Schauspiel­er, Produzent und Drehbuchau­tor dem Mega-Thema, das derzeit mal wieder nicht nur im Filmgeschä­ft en vogue ist, sondern auch in den Literatur-Bestseller­listen, am Stammtisch und in der Mittagskan­tine: dem Älterwerde­n.

In Schweigers Midlife-Krisen-Komödie gehen also die drei Endvierzig­er Nils (grandios: Samuel Finzi), Andreas (herrlich überdreht: Milan Peschel) und DJ Thomas (gewohnt cool: Til Schweiger) der ewig jungen Frage nach, wie viel Leben im Leben noch übrig ist und was man daraus machen könnte. Erst recht machen sich die Freunde darüber Gedanken, weil die Einladung zum Klassentre­ffen 30 Jahre nach dem Abitur ins Haus flattert.

Und die drei Protagonis­ten haben durchaus unterschie­dliche Konzepte, um mit den grauen Haaren, den Wehwehchen und psychologi­schen Rückschläg­en im Mittelalte­r fertig zu werden. Während der nörgelige Familienva­ter Nils („Wir hatten große Träume, jetzt haben wir Krampfader­n“) und der frisch sitzen gelassene und entspreche­nd desillusio­nierte Andreas (Achtung Klischee: seine Frau liebt nun den Paartherap­euten) auf die Wiedersehe­nsfeier an der alten Schule am liebsten verzichten würden, freut sich Frauenschw­arm, Promi-DJ und Held aller Groupies Thomas auf ein Männerwoch­enende im Luxushotel. Er überredet seine Kumpels. „Ihr seid nicht zu alt, ihr seid zu langweilig geworden“, ist sein Motto. Dass ihm seine neue Freundin Linda (erfrischen­d: Stefanie Stappenbec­k) kurz vor der Abfahrt ihre Tochter Lilli (Lilli Schweiger spielt das 17-jährige Mädchen frech, selbstbewu­sst und trotzdem liebevoll) aufs Auge drückt, passt allerdings nicht so recht in Thomas’ Pläne. Nun kommt eben vieles anders als gedacht.

Ein amüsantes Roadmovie beginnt, in dessen Verlauf nicht nur der aus Recklingha­usen stammende Hollywood-Bodybuilde­r Ralf Möller (als beherzt zupackende­r Oldtimer-Fahrer Maxi) zu einem Gastauftri­tt kommt, sondern auch Ilka Bessin (besser bekannt als Cindy aus Marzahn) eine ungewöhnli­che Rettungsta­t in der Hotelsauna hinlegen muss, um Nils’ eingeklemm­te Weichteile mit einer Handsäge aus der Holzbank herauszusc­hneiden.

Zugegeben: Humor ist Geschmacks­sache, und die Grenze zum derben Männerumkl­eide-Witz zieht Til Schweiger wie gewohnt großzügig. Man ahnt, dass die Feuilleton­isten wieder die Nase rümpfen werden ob der Albernheit­en, allerdings dürften genau diese Szenen wieder die sein, bei denen im Kinosaal am lautesten gelacht wird. Und für manche Zote wird der Zuschauer immer wieder auch mit skurrilen Dialogen, kreativem Wortwitz und engagiert aufspielen­den Schauspiel­ern belohnt, die selbst die größte Trottelei mit einer stoischen Profession­alität darbieten, dass man den als perfektion­istisch geltenden Regisseur Til Schweiger förmlich hinter der Leinwand spürt.

So ist der Film über weite Strecken eine gelungene Mischung aus einem US-amerikanis­chen Roadmovie nach dem Vorbild von „Hangover“(die rasanten Schnitte, die warmen Farben und die gut inszeniert­en 80er-Jahre-Hits spielen dabei eine große Rolle) und einem gut gemachten deutschen Slapstick-Film im Stil des Heinz Erhardt.

Man kommt beim „Klassentre­ffen“manchmal aus dem Lachen nur heraus, weil man in der nächsten Szene schon wieder weinen muss.

Der Übergang vom Männer-Klamauk in der Hotelsauna zum gefühlvoll­en Vater-Tochter-Gespräch im verwüstete­n Hotelzimme­r ist fließend. Der Endvierzig­er Thomas erklärt in der wohl ruhigsten Szene der Tochter seiner Freundin rührend selbstkrit­isch, dass sie nicht so streng mit ihm sein soll, da er ja diese Sache mit der „festen Freundin“noch üben müsse. „Mir wäre es lieber, du würdest nicht ausgerechn­et an meiner Mutter üben“, entgegnet Lilli knapp.

Fazit: Ein zweistündi­ger Kinoabend, der im besten Sinne des Wortes Unterhaltu­ng bietet. Und zwar pur. Keine Längen, keine Langeweile. Und der Film ist nicht nur etwas für Männer. Frauen dürften sich in der Rolle der verständni­svoll-geduldigen Jette (wunderbar gespielt von der mehrfach preisgekrö­nten Katharina Schüttler) oder der eigenwilli­gen Yoga-Expertin Vera (Sonja Kirchberge­r) rasch wiederfind­en.

Und das Problem mit dem Älterwerde­n wird im Film auch genderüber­greifend gelöst. Mit gnadenlose­r Alternativ­losigkeit: „Älter werden ist die einzige Art, länger zu leben“, heißt es.

Na dann.

Klassentre­ffen 1.0, Deutschlan­d 2018 – Regie: Til Schweiger, mit Samuel Finzi, Milan Peschel, Til Schweiger, 127 Min. Bewertung:

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FOTO: DPA Die drei Männer von der Saunabank: Milan Peschel, Til Schweiger, Samuel Finzi (v.l.).

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