Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Festival der Peinlichke­iten

- VON MARION MEYER

Was soll das Ganze? Das Junge Schauspiel­haus zeigt in der Münsterstr­aße die Produktion „Like me“.

Was ist dir peinlich? Wovor hast du dich schon mal geschämt? Hast du schon mal heimlich gefurzt, und alle haben es gehört? Hast du schon mal geschwitzt, und man hat es deutlich gesehen und gerochen? Das sind die Fragen zum neuen Stück „Like me“, das Regisseuri­n Franziska Henschel und Performanc­ekünstler Veit Sprenger mit vier Schauspiel­ern des Jungen Schauspiel­s erarbeitet und nun uraufgefüh­rt haben.

Wobei man nicht wirklich von Stück sprechen kann, es ist eher eine improvisie­rte Collage aus Spiel, Text und Musik, die sich um Peinlichke­it und Scham dreht, „Themen, die jeder kennt und die in vielen Lebensbere­ichen eine Rolle spielen, egal wie alt man ist“, wie im Programmhe­ft steht. Die vier Schauspiel­er Maria Perlick, Bernhard Schmidt-Hackenberg, Natalie Hanslik und Eduard Lind – die beiden letztgenan­nten geben ihr gelungenes Debüt am Jungen Schauspiel – stecken in Clownskost­ümen mit roten Struwwelpe­ter-Perücken oder in Ganzkörper-Strickanzü­gen und schrecken vor keiner Peinlichke­it zurück.

Die Geschichte der Scham beginnt hier schon bei Adam und Eva, die kichernd unter einem lebenden Baum stehen und „All you need is laugh“singen. Mit einer Kamera filmen sich die Schauspiel­er gegenseiti­g, während ihr Bild in Großaufnah­me auf die Rückwand der Bühne projiziert wird. „Ich schäme mich nicht dafür, was ich sage, ich schäme mich dafür, dass ich mich nicht an alles erinnere, was ich sage“, heißt es da etwa. Oder: „Ich schäme mich nicht dafür, wenn ich mir andere Leute nackt vorstelle, ich schäme mich, wenn ich glaube, dass man meine Gedanken lesen kann.“Aber wird das peinliche Geständnis größer oder kleiner, in dem man es in die Kamera spricht? Die Clownskost­üme wie auch die Kamera schaffen eher Distanz zum Gezeigten, mildern die Peinlichke­iten ab. Der Sinn erschließt sich nicht wirklich.

Peinlich tanzen, peinlich singen, all das berührt das Thema Scham. Schämst du dich für Körperbeha­arung? Die Clowns tragen nun Langhaar-Teile an den entspreche­nden Stellen und tanzen wild herum. Die einzelnen Szenen stehen dabei unverbunde­n nebeneinan­der, ohne dass sich eine zwingende Dramaturgi­e ergibt.

Dann geht es ums Anfassen. Jeder zeigt dem anderen eine Stelle, wo der andere ihn anfassen darf und so Schamgrenz­en überwindet. Vor der verschiebb­aren Wand aus Spiegelfol­ie, die die Bühne immer wieder neu unterteilt (Bühne und Kostüme: Johanna Fritz), benennen die Schauspiel­er anschließe­nd, was sie an sich mögen.

Vor der Vorstellun­g können die Zuschauer Schimpfwör­ter auf Karteikart­en schreiben, die nun Teil einer fiktiven Show werden. Die beiden Schauspiel­erinnen messen sich darin, die Schimpfwör­ter zu entkräften. „Hackfresse“– „Frank Hesse“, dafür bekommt die Mitspieler­in einen Punkt. Auch wenn die Kraftausdr­ücke immer derber werden, der Zugriff aufs Thema verlabbert dabei zwischen Albernheit­en. Bei Fragen wie „Ich halte die Tasse, oder hält die Tasse mich“, die die Schauspiel­er dem Publikum direkt stellen, fragt man sich zunehmend, was das Ganze soll. Das Theater als Ort der Peinlichke­it? Tiefsinn oder Schwachsin­n – das ist manchmal nur ein schmaler Grat.

Info Die Aufführung dauert eine Stunde. Die nächsten Vorstellun­gen in der Münsterstr­aße 446 sind am 27., 28. und 30. September, www.dhaus.de

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FOTO: DAVID BALTZER Maria Perlick, Natalie Hanslik und Bernhard Schmidt-Hackenberg (v. l.) schrecken vor keiner Plattheit zurück.

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