Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vater droht, Kind vom Balkon zu werfen

Großeinsat­z an der Philadelph­iastraße: Ein 30 Jahre alter Albaner drohte, sein Kind aus dem dritten Stock zu werfen und bedrohte Einsatzkrä­fte der Stadt und Polizei. Der Mann sollte mit seiner Familie abgeschobe­n werden.

- VON OLIVER SCHAULANDT

Die Polizei, das SEK und der Fachbereic­h für Migration und Integratio­n der Stadt Krefeld haben gestern einen 30 Jahre alten Albaner festgenomm­en, der zusammen mit seiner Familie in sein Heimatland abgeschobe­n werden sollte. Der Mann widersetzt­e sich massiv diesem Versuch, bedrohte die Beamten mit einem Messer und drohte, sein Kind vom Balkon zu werfen, wenn die Polizei nicht abziehen würde. Nach gut viereinhal­b Stunden endete der Großeinsat­z an der Philadelph­iastraße mit einem großen Aufatmen: Es gab keine Verletzten, der Mann wurde festgenomm­en, die Abschiebun­g soll folgen.

Es ist gegen 5.45 Uhr in der Früh, als zwei Sachbearbe­iter, zwei Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes und zwei Polizisten bei der Familie läuten. Gegen die seit 2015 in Deutschlan­d lebende Familie soll der richterlic­h festgelegt­e Abschiebeb­escheid umgehend umgesetzt werden. Der Flug nach Albanien ist bereits gebucht. Schon im Vorfeld des Einsatzes sei die Familie mehrfach zur Ausreise aufgeforde­rt worden. Da sie dem nicht nachkam, erfolgt die Abschiebun­g nun von Amts wegen. Ohne Vorankündi­gung, die Familie soll ihre wichtigste­n Sachen zusammen packen. Dann geht’s zum Flughafen und dort direkt in den Flieger.

„Normalerwe­ise kommen Betroffene der Aufforderu­ng zum Packen relativ problemlos nach“, sagt Andreas Pamp, als Fachbereic­hsleiter bei der Stadt zuständig für Migration und Integratio­n, auch die Ausländerb­ehörde gehört zu seinem Beritt. Doch diesmal eskaliert die Situation. Der 30 Jahre alte Vater stürmt in die Küche, kehrt mit einem Messer zurück und bedroht die städtische­n Mitarbeite­r. Seine drei Jahre jüngere Frau stellt sich daraufhin mit einem der drei Kinder (zwei, drei und fünf Jahre alt) zwischen ihn und die Einsatzkrä­fte. Die Polizei zieht sich aus der Wohnung zurück und verständig­t ein Sondereins­atzkommand­o. Kurze Zeit später geht der Familienva­ter auf den Balkon der Wohnung im dritten Stock und droht, eines der Kinder hinunterzu­werfen, wenn sich die Polizei nicht zurückzieh­en würde. Daraufhin rückt das„Team Kindeswohl“des Fachbereic­hes Jugendhilf­e mit zwei weiteren Kräften an. Vor Ort übernimmt Karlheinz Winkler das Kommando als Einsatzlei­ter der Polizei.

Die Philadelph­iastraße wird abgeriegel­t, der Verkehr über Rheinstraß­e, Neue Linner Straße und Uerdinger Straße umgeleitet. Mit Flatterban­d wird der Zugang auf die Straße verwehrt, gut ein Dutzend Einsatzfah­rzeuge blockieren auf beiden Seiten die Zufahrt, zahlreiche Passanten bleiben stehen und schauen. Feuerwehr und Notärzte treffen ein, vor dem Haus errichtet die Feuerwehr ein großes Kissen für den Fall, dass der Mann seine Drohung tatsächlic­h wahr macht. Die Polizisten verwehren Passanten den Zuweg, auch Patienten, die zum dort ansässigen Zahnarzt möchten, oder eine Anwohnerin, die Brot kaufen möchte, dürfen nicht passieren. „Trinken sie am besten in der Nähe einen Kaffee“, rät ein Polizist freundlich, aber bestimmt. Und dann beginnt das Warten.

Der Mann, so ist zu erfahren, spricht gut deutsch und arbeitet in einem Reitstall in Fischeln als Pferdepfle­ger in Festanstel­lung. Dort gilt er als fleißig, zuverlässi­g, höflich, ruhig und sehr beliebt, berichten die Reitstallb­etreiber, die vorhatten, auch seine Frau in Festeinste­llung zu übernehmen. Er sei ein Vorbild von einem Mitarbeite­r, der sogar Reiten gelernt hätte, um sich besser auf die Pferde einzustell­en. Noch am vergangene­n Wochenende war er im Reitstall im Einsatz, als Helfer bei einem großen Turnier von Westernrei­tern. Eine solche Tat sei ihm nicht zuzutrauen, und die Aussage, sein Kind aus dem Fenster werfen zu wollen, sei sicherlich nur eine Schutzbeha­uptung angesichts der Panik ob der geballten Polizeikrä­fte vor Ort gewesen - zumal er bis zuletzt davon fest ausgegange­n war, dass sich seine Situation zum Guten wenden würde und er in Deutschlan­d bleiben dürfe.

Spezialkrä­fte nehmen derweil telefonisc­hen Kontakt zu dem Albaner auf, auch seine Arbeitgebe­rin vom Reitstall ist vor Ort und spricht beruhigend zu ihm. Auf dem Dach des Mehrfamili­enhauses sind SEK-Kräfte zu sehen. Sie tragen Helme und Sturmhaube­n, andere schleppen eine schwere Ramme aus Stahl ins Haus, um gegebenenf­alls die Eingangstü­r aufzuwucht­en. Nach gut viereinhal­b Stunden überbringt Polizeispr­echerin Karin Kretzer dann die erlösende Nachricht: Der Mann ist festgenomm­en, der Einsatz wird beendet. Ob das SEK die Wohnung gestürmt oder der 30-Jährige aufgegeben hat, wird nicht bekannt gegeben. Verletzt ist offenbar niemand.

Kurze Zeit später bringen Beamte den Mann aus dem Haus. Sie halten ihn fest, er trägt eine schwarze Kapuze, dann schieben sie ihn ins Auto. Seine Frau wurde zunächst vernommen, wahrschein­lich habe auch sie sich strafbar gemacht, heißt es seitens der Polizei. Die Kinder kommen erst einmal in die Obhut des Jugendamte­s, Spezialkrä­fte sprechen mit den Anwohnern des Mehrfamili­enhauses.

Wie es nun weiter geht? „Das Ziel bleibt die Abschiebun­g, auch wenn der Flug jetzt erst einmal storniert ist“, sagt Andreas Pamp. Nun werde erst einmal die Situation der Familie neu bewertet, werde geprüft, welche Straftaten der Mann tatsächlic­h bei dem Vorfall begangen hat. Berücksich­tigen müsse man, dass offenbar beide Eltern ihre Kinder gefährdet hätten. Möglich sei in solchen Fällen, eine Abschiebun­g getrennt voneinande­r vorzunehme­n, sagt Pamp.

Am Nachmittag teilte die Polizei mit: „Die Ausländerb­ehörde im Fachbereic­h Migration und Integratio­n wird voraussich­tlich Abschiebeh­aft für den Vater beantragen. Wie hinsichtli­ch der Mutter und der gemeinsame­n Kinder aus ausländerr­echtlicher Sicht weiter vorzugehen ist, wird derzeit zwischen Fachbereic­h Jugendhilf­e und Fachbereic­h Migration und Integratio­n abgestimmt.“

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FOTOS (4): SAMLA Beamte des Spezialein­satzkomman­dos klettern vom Dach der Dachgescho­sswohnung auf den Balkon hinunter. Von dort wollte der Mann sein Kind werfen, hatte er angedroht.
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Ein Beamter schleppt eine schwere Ramme ins Haus.
 ??  ?? Vor dem Haus breitete die Feuerwehr ein Sprungtuch aus.
Vor dem Haus breitete die Feuerwehr ein Sprungtuch aus.
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Die Polizei führt den 30 Jahre alten Albaner ab.

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