Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Umsonstladen und Gemeinschaftsräume
Das Niemandsland hält die Fahne für eine sozialere und ökologischere Gesellschaft hoch. Eine Fahrradwerkstatt bietet Hilfe zur Selbsthilfe.
Wer das Gelände des Vereins Niemandsland in Oberbilk betritt, hat das Gefühl, in eine Kommune einzutreten. Große Altbauräume mit abgenutzten Sofas, ein kleiner grüner Garten im Innenhof und eine Einrichtung zwischen Kunst und Zweckmäßigkeit versprühen einen alternativen Charme. Der Verein versteht sich als Gemeinschaft für eine sozialere und ökologischere Gesellschaft.
Geschichte Die Ursprünge des Niemandslandes reichen zurück in die 1980er Jahre, zu dieser Zeit noch an der Ludenberger Straße. Die damals noch locker organisierte Initiative begann mit dem Projekt einer Lebensmittelgemeinschaft, um Verschwendung von Nahrungsmitteln zu vermeiden. Daraus wuchs mit der Zeit eine Gemeinschaft. „Wir begannen, gemeinsam zu kochen oder auch Musik zu machen“, erzählt Gründungsmitglied Rudolf Mocka. Ende der 1980er Jahre wurden die heutigen Räume an der Heerstraße in Oberbilk bezogen. Da das Gebäude einem Unterstützer der Gruppe gehört, sind die Mietkosten gering, dank der Vielzahl an Räumen die Möglichkeiten groß. Seit zwölf Jahren ist das Niemandsland ein eingetragener Verein.
Struktur Aktuell hat der Verein 50 Mitglieder. Um das Gelände und die Vereinsprojekte dauerhaft instand zu halten, bräuchte der Verein jedoch ungefähr 100 Mitglieder. Anders als in anderen Vereinen gibt es im Niemandsland keine starren Hierarchien. Zwar gibt es einen Vorstand, der einen Überblick über die einzelnen Tätigkeitsfelder hat, doch die Vereinsarbeit unterteilt sich in verschiedene Projekte und Gruppen, die unabhängig auf dem Vereinsgelände arbeiten.
„Wir wollen eine Ökologisierung des Alltags zugänglich machen“sagt der Vorsitzende Florian Ophey. In der Praxis bedeutet das, durch verschiedenste Angebote interessierte Menschen auf das Vereinsgelände zu locken und sie für Nachhaltigkeit zu begeistern. So organisieren die Mitglieder beispielsweise eine Fahrradwerkstatt, wo Hilfe zur Selbsthilfe geboten wird. Regelmäßig wird ein veganer Mittagstisch angeboten. Darüber hinaus gibt es einen Umsonstladen, in dem jeder Essen, Kleider oder Bücher abgeben und mitnehmen kann sowie Gemeinschaftsräume zum Arbeiten oder Musizieren.
Konzept Bei nahezu all seinen Projekten verzichtet der Verein auf feste Preise oder eine vorher definierte Gegenleistung. Ophey spricht von dem Grundprinzip der Tauschlogikfreiheit. So ist es keine Pflicht, dem Umsonstladen Gegenstände zu überlassen, um andere mitnehmen zu dürfen. Für die Mitglieder geht es um Solidarität: „Wer es sich nicht leisten kann, etwas zu spenden, der muss es auch nicht“, sagt Florian Ophey. Trotzdem sind Spenden gerne gesehen, da diese für die Arbeit des Vereins notwendig sind. Als sozial-ökologischer Verein setzt das Niemandsland in puncto Lebensmittel auf Bio, Fairtrade und vegan. „Das ist die ökologischste Form des Wirtschaftens“, sagt Florian Ophey.
Engagement In der Vergangenheit wurden in den Vereinsräumen viele Demonstrationen organisiert, beispielsweise zu Zeiten der Occupy-Bewegung. Auch die Aktivisten, die sich gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst engagieren, werden von dem Verein beispielsweise durch das Bereitstellen von Räumen unterstützt. Druckverband legen, Blutdruck messen, Wiederbeleben – während andere Jugendliche ihren Freitagabend im Kino oder im Partykeller der Nachbarn verbringen, übt der Nachwuchs der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in der Wasserrettungsstation der DLRG am Unterbacher See für den Notfall. Jugend-Einsatz-Team oder kurz JET nennt sich die Nachwuchstruppe, die in diesem Jahr gegründet wurde und bereits ihre ersten Einsätze am Strandbad hatte.
Einmal pro Monat kommen die 15 Kinder und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 16 Jahren am Unterbacher See zusammen. Dabei sollen sie auf spielerische Weise lernen, wie sie im Notfall richtig reagieren können. Für die DLRG ist die Gruppe ein wichtiges Mittel zur Rekrutierung von Nachwuchshelfern.
Weil immer weniger Menschen vernünftig Schwimmen können, kommt es immer wieder zu Notsituationen. „Aber auch erfahrene Schwimmer können mal einen Krampf bekommen“, sagt Jugendvorsitzender Max Chazan. Zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern bringt der 21-Jährige als Teamleiter den Jugendlichen das Wissen für Rettungseinsätze bei. Die meisten Teamleiter sind nur geringfügig älter als die Jugendlichen, um eine vertraute Atmosphäre aufzubauen.
Neben Erster Hilfe lernen die Jugendlichen den Umgang mit Rettungsgeräten, Grundlagen zum Funken oder Bootfahren. Abseits davon treffen sie sich einmal pro Woche, um ihre Schwimmfähigkeiten zu verbessern und sich Rettungsabzeichen zu verdienen. Aber es geht nicht nur um die Ausbildung. Auch Spaß und Gemeinschaft sind den Teamleitern wichtig. So wird regelmäßig miteinander gegrillt oder gemeinsam in den Vereinsräumen übernachtet. „Mir gefällt, dass wir hier so viel zusammen machen“, erzählt Sven (15). Er kam über einen Schwimmkursus zur DLRG und ist nun schon seit zehn Jahren Mitglied.
Die Jugend-Einsatz-Truppe trägt ihren Namen jedoch nicht ohne Grund: Kurz nach ihrer Gründung ging es für die Jugendlichen bereits in den Einsatz an den Unterbacher See. Als Wachhelfer haben sie dabei an den Wochenenden bei der Überwachung des Badebetriebs die älteren und erfahrenen Mitglieder unterstützt. Eine herausfordernde Erfahrung für den Nachwuchs. „Am Anfang hatte ich etwas Angst, dass mich keiner ernst nimmt“, sagt Sven.
Doch die Sorge war letztlich unbegründet. Nicht zuletzt, weil ihnen immer ein erfahrener Wachgänger zur Seite stand und in Notfällen das Zepter in die Hand nahm. Dabei wechselten sich die Jugendlichen in einstündigen Schichten ab, während der Rest der Gruppe gemeinsam am See lag oder Schwimmen ging. So wurde aus der Pflicht gleichzeitig auch eine Gruppenaktivität. Schließlich gibt es Schlimmeres, als seine Wochenenden am See verbringen zu müssen. Entsprechend positiv fällt auch das Fazit aus: „Die Wachbegleitung hat viel Spaß gemacht“, sagt der 13-jährige Max. Auch er kam über einen Schwimmkursus zu dem Verein und ist schon seit vielen Jahren Mitglied.
Langfristiges Ziel ist, dass die Jugendlichen irgendwann als Wachgänger mehr Verantwortung übernehmen und in Notfällen Leben retten können. Denn solche Situationen ergeben sich manchmal schneller als erwartet. So musste Teamleiter und Wachgänger Max bereits zweimal Menschen wiederbeleben. „Da geht einem schon das Adrenalin in die Höhe“, erzählt er. Trotzdem konnte er routiniert alle nötigen Schritte zur Wiederbelebung umsetzen, sodass er in beiden Fällen Erfolg hatte.
Doch solche Situationen können auch anders enden. Auch darauf werden die Jugendlichen in ihrer Arbeit vorbereitet. Denn trotz Spaß und Gemeinschaft, bleibt die Aufgabe der DLRG im Notfall eine Arbeit zwischen Leben und Tod.