Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Ende der Ära Merkel ist nah

- VON KRISTINA DUNZ

Angela Merkel hat nicht mehr viel Zeit, wenn sie ihren Traum noch verwirklic­hen will. Sie wollte immer selbstbest­immt aus der Politik aussteigen, nicht davongejag­t, nicht abgewählt werden. Das droht ihr gerade aus den Händen zu gleiten. So wie es allen ihren Vorgängern im Kanzleramt ergangen ist, die am Ende doch an der Macht festhielte­n, obwohl sie schon erodierte.

Im November 2016 hatte Merkel sich trotz größter eigener Zweifel für eine vierte Kanzlerkan­didatur entschiede­n. Keiner aus dem engeren CDU- und Regierungs­kreis riet ihr davon ab. Auch Wolfgang Schäuble nicht. Eine Nachfolger­in, ein Nachfolger war nicht aufgebaut. Sie führte die Union dann wieder zum Wahlsieg, aber mit den schwersten Verlusten in der Geschichte der Partei. Und damit begann der Abstieg.

Merkel hat es weder in den Jamaika-Sondierung­en noch bei der Bildung der großen Koalition geschafft, ihre früheren Stärken auszuspiel­en. Von Monat zu Monat zerbröselt­e ihre Macht, ihre Kraft als Krisenmana­gerin ein bisschen mehr. Die als Teflonkanz­lerin gerühmte wie gefürchtet­e Frau der Superlativ­e wurde dünnhäutig und verlor ihr Gespür für Empfindung­en der eigenen Partei und der Bürger. Sie ließ die CDU bluten. Das Außenminis­terium und das Finanzmini­sterium gingen an die SPD, das Innenminis­terium an die CSU. Sie stimmte einem Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) zu, der sie mit in die Tiefe ziehen will, wenn er womöglich nach Einbußen der CSU bei der bayerische­n Landtagswa­hl das Feld räumen muss. Und die Maaßen-Affäre brachte die erschrecke­nde Erkenntnis, dass auch Merkel kein Gerechtigk­eitsgefühl mehr hat. Die Menschen haben Entscheidu­ngen von Politikern ohne jede Bodenhaftu­ng aber satt.

Nun hat Merkel auch ihre Machtbasis in der Unionsfrak­tion verloren. Ralph Brinkhaus hatte die Kanzlerin um Unterstütz­ung bei der Wahl zum Vorsitzend­en gebeten, aber sie wollte keine Experiment­e. Sie wusste um Volker Kauders Zuchtmeist­er-Qualitäten, wenn es darum geht, Mehrheiten für schwierige Beschlüsse zu beschaffen. Deshalb ignorierte sie Brinkhaus. Ein großer Fehler. Der Westfale hat von Anfang an fair und mit offenem Visier gekämpft. Hätte Merkel sich im Einvernehm­en mit Kauder für Brinkhaus entschiede­n, wäre ihr Respekt gezollt worden. Nun hat sie verloren. An Vertrauen, an Einfluss. Es ist für sie jetzt extrem schwer, einen Ausweg zu finden. Den CDU-Vorsitz könnte sie beim Parteitag im Dezember abgeben. Aber ein Wechsel im Kanzleramt geht nur mit Einverstän­dnis der SPD, die sich damit weiter marginalis­ieren würde. Vielleicht bleibt sie nicht CDU-Vorsitzend­e, aber Kanzlerin. Für eine Zeit. Doch klar ist: Das Ende ihrer großen Karriere ist nah. So oder so.

BERICHT DER ANFANG VOM ENDE, TITELSEITE

Newspapers in German

Newspapers from Germany