Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Brückenbau­er Brinkhaus

Der 50-Jährige aus dem Wahlkreis Gütersloh ist kein Netzwerker. Was für die einen irritieren­d ist, empfinden die anderen als Wohltat.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN Einen Marathon wird Ralph Brinkhaus erst einmal nicht mehr laufen. 3:14 Stunden ist seine Bestzeit von früher. Dafür muss hart trainiert werden. Das kostet Zeit. Und Zeit hat der 50-Jährige jetzt nicht mehr. Denn seit Dienstag ist er der neue Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion im Bundestag. Er hat Volker Kauder, den dienstälte­sten Fraktionsc­hef in der Geschichte der Union, in einer Kampfabsti­mmung besiegt. 125 Stimmen gegen 112. Das kommt einer Rebellion gleich, einer Sensation. Denn der Westfale hatte ausdrückli­ch nicht die Unterstütz­ung von Kanzlerin und Parteichef­in Angela Merkel. Er blieb aber mutig bei seiner Linie, zog nicht zurück, bot der obersten Parteispit­ze die Stirn – und gewann.

Brinkhaus hatte in den Wochen vor der Wahl tunlichst vermieden, Kauder zu kritisiere­n. Er betonte nur gebetsmühl­enartig, er als Fraktionsc­hef würde gern mit der Regierung gut zusammenar­beiten wollen – die Abgeordnet­en bräuchten aber mehr Unabhängig­keit. Er sei der Brückenbau­er dazu. Zunächst gaben sich seine Vertrauten völlig überrascht, weil er sie in seine Pläne nicht eingeweiht habe. Aber nach und nach gefiel vielen die Vorstellun­g, jetzt einen Wechsel einzuleite­n, damit sich etwas bewegen möge in der Union, die durch die lange Amtszeit von Merkel und Kauder Stillstand empfindet. Der Wille zu etwas Neuem, einer neuen Führung brach sich Bahn. Brinkhaus hat diese Chance erkannt und genutzt.

Seit 2009 sitzt er für den Wahlkreis Gütersloh im Bundestag. Seine Heimat ist geprägt von Konzernen wie Bertelsman­n und Miele. Auf diese wirtschaft­liche Stärke verweist der in Rietberg aufgewachs­ene Brinkhaus gern. Überhaupt ist er heimatverb­unden. Ein Luftbild von seinem gesamten Wahlkreis hat er sich auf Leinwand ziehen lassen und in sein Büro gehängt. Jeden Tag schaut er darauf, wo er herkommt und wo er hingehört. Im Januar 2014 wurde der Steuerbera­ter stellvertr­etender Fraktionsc­hef und machte sich einen Namen als Experte für Haushaltsu­nd Finanzfrag­en.

Der Westfale wirkt manchmal etwas steif und ungelenk. Aber seine Sprache ist klar. Und seine Botschaft an die Fraktion ist einfach: Aufbruch, frischer Wind. Das allein ist für viele Labsal, die sich von Kauder gegängelt und nicht gesehen fühlten. Er gilt aber auch nicht als Netzwerker, was gerade jene Abgeordnet­e Vertrauen fassen lässt, die keine Lust mehr auf Kungelei und Machtspiel­chen haben. Insofern nehmen ihm auch viele ab, dass er wirklich Brücken bauen will. Auch zu Merkel, die durch seine Wahl einen empfindlic­hen Machtverlu­st erleidet.

Brinkhaus verzichtet­e bei seinem kurzen Auftritt nach der Wahl vor der Presse auch auf Triumphgeh­eul. Er kostete seinen Sieg nicht aus. Er zollte Kauder Respekt für 13 Jahre Fraktionsv­orsitz und ging gleich wieder zurück in den Sitzungssa­al. Es müsse noch der Rest des Vorstands gewählt werden, und es warte viel Arbeit, erklärte er nur. Merkel bot ihm etwas hilflos eine gute Zusammenar­beit an. Sie betonte, das sei Demokratie. Sie wolle aber nichts beschönige­n, sagte sie und meinte ihre eigene Niederlage durch die Niederlage Kauders.

Brinkhaus hat in den vergangene­n Wochen immer wieder betont, er stelle sich nicht gegen Merkel. Es wird spannend, welche Dynamik seine Wahl jetzt entfalten wird. Er muss sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Krisenmana­ger beweisen.

Privat ist er übrigens Fußballfan – des 1. FC Köln. Ein Geißbock thront auf seinem Schreibtis­ch. Und Brinkhaus, der sich selbst als mäßigen Fußballspi­eler beschreibt, hält seinem Jugendvere­in die Treue: RotWeiß Mastholte. Dessen Ergebnisse schaut er jeden Sonntag nach.

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