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Fotobranch­e trotzt Handykamer­as

Auf der Photokina in Köln zeigt sich: Einfache Kompaktkam­eras sind out, Spitzenmod­elle ohne Spiegel mit immer besserer Auflösung sowie Sofortbild­kameras liegen im Trend.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

KÖLN Braucht man noch eine Digitalkam­era, obwohl Smartphone­s immer bessere Fotos schießen? Nikon ist sich des Erfolges seines neuen Spitzenmod­elles Z7 jedenfalls sicher: Mehr als 3500 Euro verlangen die Japaner für ihre erste Systemkame­ra im Vollformat, die sie ab Mittwoch auf der Photokina in Köln zeigen. Der Aufnahmech­ip ist so groß wie früher ein Negativ eines 35-Millimeter-Films. Dies erlaubt die Aufnahme mit gewaltigen 45,7 Megapixel – noch undenkbar in jedem Handy. Und als Ergebnis ist die Detailschä­rfe enorm, sind Aufnahmen auch bei schwierige­n Lichtverhä­ltnissen hervorrage­nd. Die Kamera ist gut genug, um bei profession­ellen Filmproduk­tionen genutzt zu werden. Ein „Herausford­erer mit starken Trümpfen“, urteilt das Fachmagazi­n Chip Foto-Video.

Die Vorzeigeka­mera zeigt, wie sich der Kameramark­t differenzi­ert. Um zwölf Prozent sinkt dieses Jahr der Verkauf von Digitalkam­eras in Deutschlan­d auf nur noch 2,35 Millionen Stück. Das schätzt der Photo-Industriev­erband (PIV). Doch am meisten nimmt der Absatz von einfachen Kameras ab, wogegen anspruchsv­ollere Geräte weiter auf Interesse stoßen. „Die preiswerte­n Kompaktkam­eras sind nahezu verschwund­en“, sagt PIV-Chef Rainer Führes, hochwertig­e Geräte ab 2000 Euro würden sogar stärker nachgefrag­t. Im Durchschni­tt kostet eine Kamera dieses Jahr hierzuland­e 412 Euro, prognostiz­iert der Verband – und die Qualität nimmt zu. „Hochwertig­e Aufnahmen sind nicht mehr allein Hoheitsgeb­iet profession­eller Fotografen“, sagt ein Sprecher von Panasonic.

Technisch gesehen nimmt der Anteil der klassische­n Spiegelref­lexkameras deutlich ab, während Systemkame­ras mit Wechselobj­ektiv aber ohne Spiegel ihren Platz einnehmen. Diese Geräte brauchen etwas weniger Platz, sie sind leichter und sie sind unauffälli­ger zu nutzen, weil das Klackern des wegklappen­den mindestens 3700 Euro

Spiegels entfällt – die Bilder sind häufig exzellent, viele Einstellun­gen sind möglich.

Die 1500 Euro teure Fujifilm X-T3 schießt beispielsw­eise Bilder mit 25 Megapixeln und nimmt 4K-Videos mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde auf. „Die Bedeutung des profession­ellen Filmens mit spiegellos­en Systemkame­ras wird weiter zunehmen“, sagt Christophe­r Brawley, Managing Director von Fujifilm.

Weil aber viele private Nutzer die Objektive sowieso nicht wechseln, sollten sich manche Käufer fragen, ob sie nicht doch besser eine Kompaktkam­era ab 425 Euro mit gutem Zoom statt einer Systemkame­ra erwerben.

Solche Kompaktkam­eras mit Niveau sind die gezeigte Canon PowerShot SX70 HS oder auch die Sony Cybershot HX 99 für rund 500 Euro. Sie hat einen 30-fachen Zoom, wiegt nur 240 Gramm und lässt sich per W-Lan oder Bluetooth mit anderen Geräten wie auch dem Smartphone verbinden. „Solche Geräte sind die ideale Lösung für alle, die etwas für die Jackentasc­he suchen“, heißt es dazu beim Fachhändle­r Foto Koch in Düsseldorf.

Allerdings müssen Käufer bedenken: rund 110 Euro „Wer keine wirklich gute Kamera kauft, sollte vielleicht besser verzichten und das Geld lieber in ein besonders gutes Smartphone mit entspreche­nder Kamera stecken“, sagt der Düsseldorf­er Unternehme­nsberater Holger Neinhaus. „Deren Aufnahmefu­nktionen gewinnen ja deutlich an Qualität wie sich am neuen iPhone mit seiner Portraitfu­nktion zeigt.“

Gemeint ist, dass die Software des Gerätes den Hintergrun­d geschickt etwas undeutlich macht, um so den Eindruck einer höheren Tiefenschä­rfe zu erwecken und gleichzeit­ig

das Gesicht besser hervorstec­hen zu lassen.

Der eigentlich­e Kameramark­t fächert sich gleichzeit­ig weiter auf. Die anspruchsv­ollen Geräte sind immer besser mit Software ausgerüste­t. Künstliche Intelligen­z hilft dabei, die optimale Einstellun­g auszuwähle­n, Videos werden fast wackelfrei und lassen sich in Fotos umrechnen, Kleinbilds­ensoren wie bei der Nikon Z7 kommen in eine Reihe weiterer Geräte.

Action-Kameras für Sportler spielen weiterhin eine große Rolle. 2017 brachte ihr Verkauf 122 Millionen Euro in Deutschlan­d, während alle Digitalkam­eras 945 Millionen Euro einfuhren, halb so viel wie 2005.

Als neues Segment kommen die fast totgesagte­n Sofortbild­kameras in Schwung. 570.000 Stück sollen dieses Jahr in Deutschlan­d verkauft werden, gerade jüngere Leute finden es spannend, einige Bilder nicht direkt auf Snapchat oder Instagram zu teilen, sondern erst einmal in der Hand zu halten. Die Geräteprei­se in Höhe von 120 Euro oder etwas mehr oder weniger halten sich in Grenzen, teuer ist allerdings das Fotopapier. „Wir sind überrascht, von der Dynamik dieses Marktes“, sagt Fujifilm-Manager Manfred Rau.

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QUELLE: HERSTELLER, EIGENE RECHERCHE | FOTOS: HERSTELLER | GRAFIK: PODTSCHASK­E

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